Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.alle andern übertrifft, ja ohne die sie sich gar nicht entwickeln alle andern übertrifft, ja ohne die ſie ſich gar nicht entwickeln <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019" n="19"/> alle andern übertrifft, ja ohne die ſie ſich gar nicht entwickeln<lb/> würden oder doch nur ſehr ſelten. Sie beſteht in einer gewiſſen<lb/> Beſchaffenheit der Atmoſphäre, in welcher der Menſch lebt.<lb/> Wie ungenügend oder ſchlecht gewählt auch die Nahrung iſt,<lb/> welches die Art und Weiſe der Bekleidung, wie wenig ſie der<lb/> Witterung gemäß iſt, wie ſchlecht es auch mit der Reinlichkeit<lb/> in ſeiner Umgebung ſteht, welches auch das Clima iſt, in dem<lb/> der Menſch lebt, die Beſchäftigung, die er treibt, die Dauer<lb/> ſeines Schlafens und Wachens: wenn das Haus, das er be-<lb/> wohnt, ſo geſtellt iſt, daß friſche Luft und die Sonnenſtrahlen<lb/> freien Zutritt haben, und das Haus hinlänglich gelüftet, hell<lb/> und der Zahl ſeiner Bewohner entſprechend iſt, ſo werden die<lb/> Scrophelkrankheiten nie darin auftreten.“ Ueber den Einfluß<lb/> auf das ſittliche Leben ſagt der Prediger eines großen Kirch-<lb/> ſprengels in London, der meiſt aus Armen zuſammengeſetzt iſt:<lb/> „Der leibliche Zuſtand der Armen hebt die vereinigten Anſtren-<lb/> gungen des Geiſtlichen, der Lehrer und des innern Miſſionars,<lb/> welche die Aufgabe haben, die religiöſen und ſittlichen Zuſtände<lb/> der Armen zu verbeſſern, vollkommen auf. Mit der Beſchaffen-<lb/> heit ihrer Lage ſind die Ermahnungen auch zur ordinärſten<lb/> Sittlichkeit unverträglich, und jede Anſtrengung, ein gehobenes<lb/> Gefühl in ihnen zu erwecken, iſt umſonſt. Wie kann man zu<lb/> Leuten von Sittlichkeit reden, die Männer, Weiber und Kinder<lb/> ohne Rückſicht weder auf Alter noch auf Geſchlecht durch ein-<lb/> ander in einem engen Raum zuſammengepropft leben! Man<lb/> könnte ebenſo gut in einem Schweinſtall von Reinlichkeit pre-<lb/> digen oder in einer Pfütze von lauterm Waſſer.“ Jn Bezug<lb/> auf den Wohlſtand, der ſo ſehr das leibliche, geiſtige und ſitt-<lb/> liche Leben, ſchöne Häuslichkeit fördert, da kann im Menſchen<lb/> kein Trieb entſtehen, nach etwas Eigenem zu trachten, wenn er<lb/> keine Wohnung hat, die ihm irgend welche Annehmlichkeiten<lb/> bietet, eine kleine Freude erweckt, wenn ihn alles, was er be-<lb/> rührt, anekelt. Da geht der Menſch ſo ſchnell als möglich wieder<lb/> weg; geht im beſten Fall an ſeine Arbeitsſtätte; arbeitet da,<lb/> um das Nothwendigſte vor dem Sterben zu erwerben, und das<lb/> Andere in rohem Sinnengenuß raſch zu verſchwenden. An eine<lb/> Zukunft denkt der Menſch nicht. Er hat eben keine Zukunft<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0019]
alle andern übertrifft, ja ohne die ſie ſich gar nicht entwickeln
würden oder doch nur ſehr ſelten. Sie beſteht in einer gewiſſen
Beſchaffenheit der Atmoſphäre, in welcher der Menſch lebt.
Wie ungenügend oder ſchlecht gewählt auch die Nahrung iſt,
welches die Art und Weiſe der Bekleidung, wie wenig ſie der
Witterung gemäß iſt, wie ſchlecht es auch mit der Reinlichkeit
in ſeiner Umgebung ſteht, welches auch das Clima iſt, in dem
der Menſch lebt, die Beſchäftigung, die er treibt, die Dauer
ſeines Schlafens und Wachens: wenn das Haus, das er be-
wohnt, ſo geſtellt iſt, daß friſche Luft und die Sonnenſtrahlen
freien Zutritt haben, und das Haus hinlänglich gelüftet, hell
und der Zahl ſeiner Bewohner entſprechend iſt, ſo werden die
Scrophelkrankheiten nie darin auftreten.“ Ueber den Einfluß
auf das ſittliche Leben ſagt der Prediger eines großen Kirch-
ſprengels in London, der meiſt aus Armen zuſammengeſetzt iſt:
„Der leibliche Zuſtand der Armen hebt die vereinigten Anſtren-
gungen des Geiſtlichen, der Lehrer und des innern Miſſionars,
welche die Aufgabe haben, die religiöſen und ſittlichen Zuſtände
der Armen zu verbeſſern, vollkommen auf. Mit der Beſchaffen-
heit ihrer Lage ſind die Ermahnungen auch zur ordinärſten
Sittlichkeit unverträglich, und jede Anſtrengung, ein gehobenes
Gefühl in ihnen zu erwecken, iſt umſonſt. Wie kann man zu
Leuten von Sittlichkeit reden, die Männer, Weiber und Kinder
ohne Rückſicht weder auf Alter noch auf Geſchlecht durch ein-
ander in einem engen Raum zuſammengepropft leben! Man
könnte ebenſo gut in einem Schweinſtall von Reinlichkeit pre-
digen oder in einer Pfütze von lauterm Waſſer.“ Jn Bezug
auf den Wohlſtand, der ſo ſehr das leibliche, geiſtige und ſitt-
liche Leben, ſchöne Häuslichkeit fördert, da kann im Menſchen
kein Trieb entſtehen, nach etwas Eigenem zu trachten, wenn er
keine Wohnung hat, die ihm irgend welche Annehmlichkeiten
bietet, eine kleine Freude erweckt, wenn ihn alles, was er be-
rührt, anekelt. Da geht der Menſch ſo ſchnell als möglich wieder
weg; geht im beſten Fall an ſeine Arbeitsſtätte; arbeitet da,
um das Nothwendigſte vor dem Sterben zu erwerben, und das
Andere in rohem Sinnengenuß raſch zu verſchwenden. An eine
Zukunft denkt der Menſch nicht. Er hat eben keine Zukunft
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