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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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zoll auf jede Tonne Einsatz. Der Wind wurde durch 13 Düsenröhren
von 7/16 Zoll Durchmesser eingeblasen. Demnach betrug der Wind-
verbrauch pro Tonne nicht halb so viel wie in Schweden. Man
blies 14 bis 24 Chargen von 5 bis 8 Tonnen Roheiseneinsatz und 7
bis 15 Centner Spiegeleisen mit 13 bis 18 Prozent Mangangehalt.
Eine Charge dauerte 25 bis 30 Minuten. Bei dem heissen Gange gab
man etwa 12 Prozent kalte oder bis zu 30 Prozent vorgewärmte
Stahlabfälle zu. Ein Boden hielt 6 bis 12 Chargen aus. Das Eston-
Stahlwerk war für eine Wochenproduktion von 2000 Tonnen nach
amerikanischem Muster eingerichtet. -- Man ersieht aus diesen Bei-
spielen die rasche Vervollkommnung des Bessemerbetriebes in den
fünf Jahren von 1873 bis 1878.

Die Abhängigkeit des Bessemerprozesses von reinen, namentlich
phosphorfreien Erzsorten war eine lästige und kostspielige Beschrän-
kung des Konverterprozesses. Die Frage der Entphosphorung wurde
deshalb immer wichtiger und bildete in den siebziger Jahren mehr
und mehr den Mittelpunkt der fortschrittlichen Bestrebungen in der
Eisenindustrie Grossbritanniens.

Die Versuche, die Entphosphorung in dem Konverter zu bewirken,
blieben zunächst erfolglos. Von diesen war der von Snelus 1872
angestellte der wichtigste. Er wollte die Entphosphorung durch ein
Konverterfutter aus gebranntem Kalk und Einblasen von Kalkstaub
durch die Düsen erreichen. So richtig das Prinzip war, so gelang
ihm doch die Ausführung nicht.

Noch weniger Erfolg hatte Knowles mit seinem Vorschlage, das
Konverterfutter aus Bauxit, Eisen- und Manganoxyd herzustellen.

Man sah deshalb von diesem Wege ab und versuchte die Ent-
phosphorung in Flammöfen, besonders in rotierenden Öfen, mit einer
Auskleidung von Eisenoxyd.

Lowthian Bell kombinierte beide Verfahren (Engl. Pat. vom
30. Oktober 1875, Nr. 3778), indem er erst das Roheisen im Konverter
vorfrischte und es dann in einem Flammofen puddelte. Hierfür kon-
struierte er später einen schwingenden Ofen, dessen Herd aus purple
ore (dem durch die Röstung von Schwefelkiesen bei der Schwefel-
säurefabrikation entstandenen Eisenoxyd) hergestellt war. In dem
oscillierenden Ofen floss das eingeschmolzene Metall über dieser
basischen Unterlage 60- bis 80mal hin und her. Mit diesem Ver-
fahren begann Bell im Jahre 1877. Das vom Hochofen abgestochene
Roheisen gelangte in den oscillierenden Ofen und wurde dort noch
mit geschmolzener, eisenoxydreicher Schlacke vermischt. Das ent-

Groſsbritannien.
zoll auf jede Tonne Einsatz. Der Wind wurde durch 13 Düsenröhren
von 7/16 Zoll Durchmesser eingeblasen. Demnach betrug der Wind-
verbrauch pro Tonne nicht halb so viel wie in Schweden. Man
blies 14 bis 24 Chargen von 5 bis 8 Tonnen Roheiseneinsatz und 7
bis 15 Centner Spiegeleisen mit 13 bis 18 Prozent Mangangehalt.
Eine Charge dauerte 25 bis 30 Minuten. Bei dem heiſsen Gange gab
man etwa 12 Prozent kalte oder bis zu 30 Prozent vorgewärmte
Stahlabfälle zu. Ein Boden hielt 6 bis 12 Chargen aus. Das Eston-
Stahlwerk war für eine Wochenproduktion von 2000 Tonnen nach
amerikanischem Muster eingerichtet. — Man ersieht aus diesen Bei-
spielen die rasche Vervollkommnung des Bessemerbetriebes in den
fünf Jahren von 1873 bis 1878.

Die Abhängigkeit des Bessemerprozesses von reinen, namentlich
phosphorfreien Erzsorten war eine lästige und kostspielige Beschrän-
kung des Konverterprozesses. Die Frage der Entphosphorung wurde
deshalb immer wichtiger und bildete in den siebziger Jahren mehr
und mehr den Mittelpunkt der fortschrittlichen Bestrebungen in der
Eisenindustrie Groſsbritanniens.

Die Versuche, die Entphosphorung in dem Konverter zu bewirken,
blieben zunächst erfolglos. Von diesen war der von Snelus 1872
angestellte der wichtigste. Er wollte die Entphosphorung durch ein
Konverterfutter aus gebranntem Kalk und Einblasen von Kalkstaub
durch die Düsen erreichen. So richtig das Prinzip war, so gelang
ihm doch die Ausführung nicht.

Noch weniger Erfolg hatte Knowles mit seinem Vorschlage, das
Konverterfutter aus Bauxit, Eisen- und Manganoxyd herzustellen.

Man sah deshalb von diesem Wege ab und versuchte die Ent-
phosphorung in Flammöfen, besonders in rotierenden Öfen, mit einer
Auskleidung von Eisenoxyd.

Lowthian Bell kombinierte beide Verfahren (Engl. Pat. vom
30. Oktober 1875, Nr. 3778), indem er erst das Roheisen im Konverter
vorfrischte und es dann in einem Flammofen puddelte. Hierfür kon-
struierte er später einen schwingenden Ofen, dessen Herd aus purple
ore (dem durch die Röstung von Schwefelkiesen bei der Schwefel-
säurefabrikation entstandenen Eisenoxyd) hergestellt war. In dem
oscillierenden Ofen floſs das eingeschmolzene Metall über dieser
basischen Unterlage 60- bis 80mal hin und her. Mit diesem Ver-
fahren begann Bell im Jahre 1877. Das vom Hochofen abgestochene
Roheisen gelangte in den oscillierenden Ofen und wurde dort noch
mit geschmolzener, eisenoxydreicher Schlacke vermischt. Das ent-

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[925/0941] Groſsbritannien. zoll auf jede Tonne Einsatz. Der Wind wurde durch 13 Düsenröhren von 7/16 Zoll Durchmesser eingeblasen. Demnach betrug der Wind- verbrauch pro Tonne nicht halb so viel wie in Schweden. Man blies 14 bis 24 Chargen von 5 bis 8 Tonnen Roheiseneinsatz und 7 bis 15 Centner Spiegeleisen mit 13 bis 18 Prozent Mangangehalt. Eine Charge dauerte 25 bis 30 Minuten. Bei dem heiſsen Gange gab man etwa 12 Prozent kalte oder bis zu 30 Prozent vorgewärmte Stahlabfälle zu. Ein Boden hielt 6 bis 12 Chargen aus. Das Eston- Stahlwerk war für eine Wochenproduktion von 2000 Tonnen nach amerikanischem Muster eingerichtet. — Man ersieht aus diesen Bei- spielen die rasche Vervollkommnung des Bessemerbetriebes in den fünf Jahren von 1873 bis 1878. Die Abhängigkeit des Bessemerprozesses von reinen, namentlich phosphorfreien Erzsorten war eine lästige und kostspielige Beschrän- kung des Konverterprozesses. Die Frage der Entphosphorung wurde deshalb immer wichtiger und bildete in den siebziger Jahren mehr und mehr den Mittelpunkt der fortschrittlichen Bestrebungen in der Eisenindustrie Groſsbritanniens. Die Versuche, die Entphosphorung in dem Konverter zu bewirken, blieben zunächst erfolglos. Von diesen war der von Snelus 1872 angestellte der wichtigste. Er wollte die Entphosphorung durch ein Konverterfutter aus gebranntem Kalk und Einblasen von Kalkstaub durch die Düsen erreichen. So richtig das Prinzip war, so gelang ihm doch die Ausführung nicht. Noch weniger Erfolg hatte Knowles mit seinem Vorschlage, das Konverterfutter aus Bauxit, Eisen- und Manganoxyd herzustellen. Man sah deshalb von diesem Wege ab und versuchte die Ent- phosphorung in Flammöfen, besonders in rotierenden Öfen, mit einer Auskleidung von Eisenoxyd. Lowthian Bell kombinierte beide Verfahren (Engl. Pat. vom 30. Oktober 1875, Nr. 3778), indem er erst das Roheisen im Konverter vorfrischte und es dann in einem Flammofen puddelte. Hierfür kon- struierte er später einen schwingenden Ofen, dessen Herd aus purple ore (dem durch die Röstung von Schwefelkiesen bei der Schwefel- säurefabrikation entstandenen Eisenoxyd) hergestellt war. In dem oscillierenden Ofen floſs das eingeschmolzene Metall über dieser basischen Unterlage 60- bis 80mal hin und her. Mit diesem Ver- fahren begann Bell im Jahre 1877. Das vom Hochofen abgestochene Roheisen gelangte in den oscillierenden Ofen und wurde dort noch mit geschmolzener, eisenoxydreicher Schlacke vermischt. Das ent-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 925. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/941>, abgerufen am 23.11.2024.