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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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einem einfachen Schienen- und einem Deckplattenwalzwerk und wurde
durch eine 1000 pferdige Reversiermaschine angetrieben. Die Um-
steuerung wurde durch eine Klauenkuppelung mit Hebel bewirkt. In
dem Vierwalzensystem -- einer Besonderheit von Dowlais -- wurden
die schweren, ungeteilten Blöcke zu Schienen von doppelter Länge
(7,63 m), die dann unter einer Zirkularschere zerschnitten wurden,
ausgewalzt. Das untere Walzenpaar enthielt fünf Flachkaliber, das
obere in denselben Ständern gelagerte fünf Vollendkaliber. Auf 750 kg
Rohblock rechnete man 641 kg fertige Schienen, also 15 Prozent Verlust.

Ähnlich war der Betrieb in den benachbarten Ebbw Vale-Eisen-
werken, welche mit sieben Birnen zu 6 Tonnen Einsatz arbeiteten. Das
Stahlwerk bezog sein Bessemerroheisen von Pontypool, während es
das Spiegeleisen selbst bereitete. Das Roheisen wurde in Kupolöfen
geschmolzen. Der Einsatz betrug 5500 kg, der Nachsatz von Spiegel-
eisen 10 Prozent. Je zwei Konverter hatten eine Giessgrube. Man
goss mit aufsteigendem Strom in acht Gussformen, die durch acht
Kanäle verbunden waren, Blöcke von je 500 kg Gewicht. Eine Grube
mit zwei Konvertern machte in 24 Stunden 12 Operationen. Die
Wochenproduktion betrug 800 Tonnen Blöcke.

Eine wichtige Erfindung war die Herstellung dichter Blöcke von
Whitworth durch hydraulisches Pressen des flüssigen Metalls in den
Coquillen (1864), die er 1874 verbesserte (Engl. Pat. von 1865, Nr. 3018
und von 1874, Nr. 3062).

Das Eisen- und Stahlwerk zu Workington bei Whitehaven in
West-Cumberland, mitten im Kohlenrevier gelegen, wurde 1876 sehr
vergrössert. Das Werk erzeugte in sechs Hochöfen aus den vor-
trefflichen einheimischen Hämatiterzen sein eigenes Bessemerroheisen,
das in vier 71/2-Tonnen-Konvertern, die um zwei Giessgruben gruppiert
waren, verblasen wurde. Zu jeder Gruppe gehörten vier grosse Kupolöfen,
um das Roheisen, und zwei kleine, um das Spiegeleisen zu schmelzen.
Die Konverterböden hatten je sieben Formen mit 16 Öffnungen. Die
Blöcke wurden unter einem 8-Tonnen-Hammer ausgeschmiedet.

1877 wurde das erste Bessemerstahlwerk im Clevelanddistrikt auf
der Bolckow, Vaughan & Co. gehörigen Estonhütte unter der
Leitung von Windsor E. Richards in Betrieb gesetzt. Da die
Clevelanderze wegen ihres Phosphorgehaltes nicht verwendbar waren,
verschmolz man Bilbaoerze (Campanil) und kieseligen Hämatit von
Cumberland. Hier wurde zuerst in England das flüssige Roheisen
vom Hochofen direkt in die Birne gebracht. Letztere zeichneten sich
durch grosse Windzuführungsfläche aus. Man rechnete 3,15 Quadrat-

Groſsbritannien.
einem einfachen Schienen- und einem Deckplattenwalzwerk und wurde
durch eine 1000 pferdige Reversiermaschine angetrieben. Die Um-
steuerung wurde durch eine Klauenkuppelung mit Hebel bewirkt. In
dem Vierwalzensystem — einer Besonderheit von Dowlais — wurden
die schweren, ungeteilten Blöcke zu Schienen von doppelter Länge
(7,63 m), die dann unter einer Zirkularschere zerschnitten wurden,
ausgewalzt. Das untere Walzenpaar enthielt fünf Flachkaliber, das
obere in denselben Ständern gelagerte fünf Vollendkaliber. Auf 750 kg
Rohblock rechnete man 641 kg fertige Schienen, also 15 Prozent Verlust.

Ähnlich war der Betrieb in den benachbarten Ebbw Vale-Eisen-
werken, welche mit sieben Birnen zu 6 Tonnen Einsatz arbeiteten. Das
Stahlwerk bezog sein Bessemerroheisen von Pontypool, während es
das Spiegeleisen selbst bereitete. Das Roheisen wurde in Kupolöfen
geschmolzen. Der Einsatz betrug 5500 kg, der Nachsatz von Spiegel-
eisen 10 Prozent. Je zwei Konverter hatten eine Gieſsgrube. Man
goſs mit aufsteigendem Strom in acht Guſsformen, die durch acht
Kanäle verbunden waren, Blöcke von je 500 kg Gewicht. Eine Grube
mit zwei Konvertern machte in 24 Stunden 12 Operationen. Die
Wochenproduktion betrug 800 Tonnen Blöcke.

Eine wichtige Erfindung war die Herstellung dichter Blöcke von
Whitworth durch hydraulisches Pressen des flüssigen Metalls in den
Coquillen (1864), die er 1874 verbesserte (Engl. Pat. von 1865, Nr. 3018
und von 1874, Nr. 3062).

Das Eisen- und Stahlwerk zu Workington bei Whitehaven in
West-Cumberland, mitten im Kohlenrevier gelegen, wurde 1876 sehr
vergröſsert. Das Werk erzeugte in sechs Hochöfen aus den vor-
trefflichen einheimischen Hämatiterzen sein eigenes Bessemerroheisen,
das in vier 7½-Tonnen-Konvertern, die um zwei Gieſsgruben gruppiert
waren, verblasen wurde. Zu jeder Gruppe gehörten vier groſse Kupolöfen,
um das Roheisen, und zwei kleine, um das Spiegeleisen zu schmelzen.
Die Konverterböden hatten je sieben Formen mit 16 Öffnungen. Die
Blöcke wurden unter einem 8-Tonnen-Hammer ausgeschmiedet.

1877 wurde das erste Bessemerstahlwerk im Clevelanddistrikt auf
der Bolckow, Vaughan & Co. gehörigen Estonhütte unter der
Leitung von Windsor E. Richards in Betrieb gesetzt. Da die
Clevelanderze wegen ihres Phosphorgehaltes nicht verwendbar waren,
verschmolz man Bilbaoerze (Campanil) und kieseligen Hämatit von
Cumberland. Hier wurde zuerst in England das flüssige Roheisen
vom Hochofen direkt in die Birne gebracht. Letztere zeichneten sich
durch groſse Windzuführungsfläche aus. Man rechnete 3,15 Quadrat-

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[924/0940] Groſsbritannien. einem einfachen Schienen- und einem Deckplattenwalzwerk und wurde durch eine 1000 pferdige Reversiermaschine angetrieben. Die Um- steuerung wurde durch eine Klauenkuppelung mit Hebel bewirkt. In dem Vierwalzensystem — einer Besonderheit von Dowlais — wurden die schweren, ungeteilten Blöcke zu Schienen von doppelter Länge (7,63 m), die dann unter einer Zirkularschere zerschnitten wurden, ausgewalzt. Das untere Walzenpaar enthielt fünf Flachkaliber, das obere in denselben Ständern gelagerte fünf Vollendkaliber. Auf 750 kg Rohblock rechnete man 641 kg fertige Schienen, also 15 Prozent Verlust. Ähnlich war der Betrieb in den benachbarten Ebbw Vale-Eisen- werken, welche mit sieben Birnen zu 6 Tonnen Einsatz arbeiteten. Das Stahlwerk bezog sein Bessemerroheisen von Pontypool, während es das Spiegeleisen selbst bereitete. Das Roheisen wurde in Kupolöfen geschmolzen. Der Einsatz betrug 5500 kg, der Nachsatz von Spiegel- eisen 10 Prozent. Je zwei Konverter hatten eine Gieſsgrube. Man goſs mit aufsteigendem Strom in acht Guſsformen, die durch acht Kanäle verbunden waren, Blöcke von je 500 kg Gewicht. Eine Grube mit zwei Konvertern machte in 24 Stunden 12 Operationen. Die Wochenproduktion betrug 800 Tonnen Blöcke. Eine wichtige Erfindung war die Herstellung dichter Blöcke von Whitworth durch hydraulisches Pressen des flüssigen Metalls in den Coquillen (1864), die er 1874 verbesserte (Engl. Pat. von 1865, Nr. 3018 und von 1874, Nr. 3062). Das Eisen- und Stahlwerk zu Workington bei Whitehaven in West-Cumberland, mitten im Kohlenrevier gelegen, wurde 1876 sehr vergröſsert. Das Werk erzeugte in sechs Hochöfen aus den vor- trefflichen einheimischen Hämatiterzen sein eigenes Bessemerroheisen, das in vier 7½-Tonnen-Konvertern, die um zwei Gieſsgruben gruppiert waren, verblasen wurde. Zu jeder Gruppe gehörten vier groſse Kupolöfen, um das Roheisen, und zwei kleine, um das Spiegeleisen zu schmelzen. Die Konverterböden hatten je sieben Formen mit 16 Öffnungen. Die Blöcke wurden unter einem 8-Tonnen-Hammer ausgeschmiedet. 1877 wurde das erste Bessemerstahlwerk im Clevelanddistrikt auf der Bolckow, Vaughan & Co. gehörigen Estonhütte unter der Leitung von Windsor E. Richards in Betrieb gesetzt. Da die Clevelanderze wegen ihres Phosphorgehaltes nicht verwendbar waren, verschmolz man Bilbaoerze (Campanil) und kieseligen Hämatit von Cumberland. Hier wurde zuerst in England das flüssige Roheisen vom Hochofen direkt in die Birne gebracht. Letztere zeichneten sich durch groſse Windzuführungsfläche aus. Man rechnete 3,15 Quadrat-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 924. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/940>, abgerufen am 23.11.2024.