Vorschlag sollte dies eine selbständige Staatsanstalt sein, die nicht nur mit Laboratorien, sondern auch mit Schmelzöfen, in denen Schmelz- versuche auch im grossen ausgeführt werden konnten, ausgerüstet sein sollte. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt sowohl der Kosten wegen, als weil die preussische Regierung mit dem Prinzip, Muster- werke für die Eisenindustrie zu betreiben, grundsätzlich gebrochen und den Grundsatz der Enthaltung jeder staatlichen Einmischung in die Industrie angenommen hatte. Die deutsche Eisenindustrie konnte sich zur Gründung einer solchen Anstalt ebensowenig aufschwingen.
Als aber die Erfolge der Versuchsanstalt des Engländers Kirkaldy bekannt wurden, und als Wöhler seine Festigkeitsversuche über Eisenbahnmaterialien 1870 veröffentlicht hatte, entstanden zunächst 1871 die Privatanstalten von Dr. Böhme in Berlin zur Prüfung von Ziegel- und Bruchsteinen und von Professor Spangenberg zur Fort- setzung der Wöhlerschen Versuche, etwas später die Prüfungsanstalt von Professor Bauschinger in München für Baumaterialien aller Art. Obgleich H. Wedding seinen Antrag auf Gründung einer staat- lichen Prüfungsanstalt für Preussen von Jahr zu Jahr wiederholte, ging die Regierung erst 1876 darauf ein, und zwar nach Beratung des Ministers Achenbach mit den Direktoren der drei höheren technischen Lehranstalten in Berlin in der Weise, dass nicht eine grosse Anstalt, sondern drei kleinere in Verbindung mit diesen Anstalten gegründet wurden. Die chemisch-technische Prüfungsanstalt wurde der Berg- akademie, die mechanisch-technische und eine Prüfungsanstalt für Baumaterialien mit der Gewerbeakademie, an deren Spitze Professor Reuleaux stand, angegliedert und für dieselben am 23. Januar 1880 ein Reglement erlassen. Diese Zersplitterung beeinträchtigte die Leistungen, und das um so mehr, als die Anstalten sich möglichst selbst erhalten, also verdienen sollten. Hierdurch waren grössere, einheitliche Versuche zur Förderung der deutschen Eisenindustrie, wie dies Wedding erstrebt hatte, ausgeschlossen und beschränkten sich die Anstalten auf bezahlte Privatarbeiten. Eine Besserung trat erst ein, als mit der Gründung der technischen Hochschule zu Char- lottenburg im Jahre 1884 auch die mechanisch-technische Versuchs- anstalt reichlicher ausgestattet wurde. Seitdem konnten auch weiter- gehende Arbeiten in Weddings Sinn ausgeführt werden, und hat sich die Anstalt unter Professor Martens vortrefflicher Leitung grosse Verdienste und allseitige Anerkennung erworben.
Bayern hat eine allgemeine Prüfungsanstalt in München, die von dem um die Materialienprüfung hochverdienten Professor J. Bau-
Materialprüfung.
Vorschlag sollte dies eine selbständige Staatsanstalt sein, die nicht nur mit Laboratorien, sondern auch mit Schmelzöfen, in denen Schmelz- versuche auch im groſsen ausgeführt werden konnten, ausgerüstet sein sollte. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt sowohl der Kosten wegen, als weil die preuſsische Regierung mit dem Prinzip, Muster- werke für die Eisenindustrie zu betreiben, grundsätzlich gebrochen und den Grundsatz der Enthaltung jeder staatlichen Einmischung in die Industrie angenommen hatte. Die deutsche Eisenindustrie konnte sich zur Gründung einer solchen Anstalt ebensowenig aufschwingen.
Als aber die Erfolge der Versuchsanstalt des Engländers Kirkaldy bekannt wurden, und als Wöhler seine Festigkeitsversuche über Eisenbahnmaterialien 1870 veröffentlicht hatte, entstanden zunächst 1871 die Privatanstalten von Dr. Böhme in Berlin zur Prüfung von Ziegel- und Bruchsteinen und von Professor Spangenberg zur Fort- setzung der Wöhlerschen Versuche, etwas später die Prüfungsanstalt von Professor Bauschinger in München für Baumaterialien aller Art. Obgleich H. Wedding seinen Antrag auf Gründung einer staat- lichen Prüfungsanstalt für Preuſsen von Jahr zu Jahr wiederholte, ging die Regierung erst 1876 darauf ein, und zwar nach Beratung des Ministers Achenbach mit den Direktoren der drei höheren technischen Lehranstalten in Berlin in der Weise, daſs nicht eine groſse Anstalt, sondern drei kleinere in Verbindung mit diesen Anstalten gegründet wurden. Die chemisch-technische Prüfungsanstalt wurde der Berg- akademie, die mechanisch-technische und eine Prüfungsanstalt für Baumaterialien mit der Gewerbeakademie, an deren Spitze Professor Reuleaux stand, angegliedert und für dieselben am 23. Januar 1880 ein Reglement erlassen. Diese Zersplitterung beeinträchtigte die Leistungen, und das um so mehr, als die Anstalten sich möglichst selbst erhalten, also verdienen sollten. Hierdurch waren gröſsere, einheitliche Versuche zur Förderung der deutschen Eisenindustrie, wie dies Wedding erstrebt hatte, ausgeschlossen und beschränkten sich die Anstalten auf bezahlte Privatarbeiten. Eine Besserung trat erst ein, als mit der Gründung der technischen Hochschule zu Char- lottenburg im Jahre 1884 auch die mechanisch-technische Versuchs- anstalt reichlicher ausgestattet wurde. Seitdem konnten auch weiter- gehende Arbeiten in Weddings Sinn ausgeführt werden, und hat sich die Anstalt unter Professor Martens vortrefflicher Leitung groſse Verdienste und allseitige Anerkennung erworben.
Bayern hat eine allgemeine Prüfungsanstalt in München, die von dem um die Materialienprüfung hochverdienten Professor J. Bau-
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Materialprüfung.
Vorschlag sollte dies eine selbständige Staatsanstalt sein, die nicht nur
mit Laboratorien, sondern auch mit Schmelzöfen, in denen Schmelz-
versuche auch im groſsen ausgeführt werden konnten, ausgerüstet
sein sollte. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt sowohl der Kosten
wegen, als weil die preuſsische Regierung mit dem Prinzip, Muster-
werke für die Eisenindustrie zu betreiben, grundsätzlich gebrochen
und den Grundsatz der Enthaltung jeder staatlichen Einmischung in
die Industrie angenommen hatte. Die deutsche Eisenindustrie konnte
sich zur Gründung einer solchen Anstalt ebensowenig aufschwingen.
Als aber die Erfolge der Versuchsanstalt des Engländers Kirkaldy
bekannt wurden, und als Wöhler seine Festigkeitsversuche über
Eisenbahnmaterialien 1870 veröffentlicht hatte, entstanden zunächst
1871 die Privatanstalten von Dr. Böhme in Berlin zur Prüfung von
Ziegel- und Bruchsteinen und von Professor Spangenberg zur Fort-
setzung der Wöhlerschen Versuche, etwas später die Prüfungsanstalt
von Professor Bauschinger in München für Baumaterialien aller
Art. Obgleich H. Wedding seinen Antrag auf Gründung einer staat-
lichen Prüfungsanstalt für Preuſsen von Jahr zu Jahr wiederholte,
ging die Regierung erst 1876 darauf ein, und zwar nach Beratung des
Ministers Achenbach mit den Direktoren der drei höheren technischen
Lehranstalten in Berlin in der Weise, daſs nicht eine groſse Anstalt,
sondern drei kleinere in Verbindung mit diesen Anstalten gegründet
wurden. Die chemisch-technische Prüfungsanstalt wurde der Berg-
akademie, die mechanisch-technische und eine Prüfungsanstalt für
Baumaterialien mit der Gewerbeakademie, an deren Spitze Professor
Reuleaux stand, angegliedert und für dieselben am 23. Januar 1880
ein Reglement erlassen. Diese Zersplitterung beeinträchtigte die
Leistungen, und das um so mehr, als die Anstalten sich möglichst
selbst erhalten, also verdienen sollten. Hierdurch waren gröſsere,
einheitliche Versuche zur Förderung der deutschen Eisenindustrie,
wie dies Wedding erstrebt hatte, ausgeschlossen und beschränkten
sich die Anstalten auf bezahlte Privatarbeiten. Eine Besserung trat
erst ein, als mit der Gründung der technischen Hochschule zu Char-
lottenburg im Jahre 1884 auch die mechanisch-technische Versuchs-
anstalt reichlicher ausgestattet wurde. Seitdem konnten auch weiter-
gehende Arbeiten in Weddings Sinn ausgeführt werden, und hat sich
die Anstalt unter Professor Martens vortrefflicher Leitung groſse
Verdienste und allseitige Anerkennung erworben.
Bayern hat eine allgemeine Prüfungsanstalt in München, die von
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 891. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/907>, abgerufen am 22.11.2024.
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