diesem wurden dickwandige Röhren über einem konischen Dorn durch schrägstehende Scheiben (Scheibenstrasse) ausgeweitet, anfangs nur bis zu 150 mm, 1895 bereits bis zu 250 mm lichter Weite. Für noch grössere Weiten bediente man sich eines Aufweiteapparates, bei dem Scheibenwalzen das Rohr über einen feststehenden konischen Dorn pressen. Zuletzt müssen die Röhren noch in einer Art von Zieh- bank kalibriert werden. Für "das schrittweise Walzen" nahm Rein- hard Mannesmann jun. 1892 zwei Patente 1) (D. R. P. Nr. 84778 und Nr. 86162) und Max Mannesmann eins 1894 (D. R. P. Nr. 88638).
Das Schrägwalzverfahren erfordert ein geschmeidiges, gleich- mässiges, fehlerfreies Material. Schweisseisen entspricht diesen An- forderungen nicht, wohl aber blasenfreies Flusseisen. Durch den Druck auf die Oberfläche und die durch das Schrägwalzverfahren er- zeugte verstrickte Faserung bieten die Mannesmannröhren einen grossen Widerstand gegen Biegen, Drücken und Zerreissen, angeblich das Fünf- bis Sechsfache gewöhnlicher Rohre gegen Innendruck. Wenn der Erfolg des Verfahrens den hochgespannten Erwartungen nicht entsprochen hat, so muss doch rühmend anerkannt werden, dass in der Erfindung und Ausführung des Mannesmann-Walzverfahrens eine grosse Summe von Geist und Thatkraft zum Ausdruck gekommen ist, die für die Gebrüder Mannesmann höchst ehrenvoll ist. Dass das Schrägwalzverfahren grosse Fortschritte gemacht hat, bewies die Welt- ausstellung zu Chicago 1895, wo Bohrröhren von 508 mm Weite, neben Gewehrläufen, Fahrradröhren und Präzisionsröhren von 38 mm Weite und nur 1/8 mm Wandstärke zu sehen waren.
Kehren wir nach dieser Episode über das Mannesmann-Walz- verfahren zu unserer chronistischen Betrachtung der Fortschritte im Walzwerksbetrieb zurück.
Wellmans verbesserte Blechwalze2) (1881) beruhte auf dem Lauthschen System, hatte bewegliche Ober- und Unterwalze und zum Heben und Vor- und Rückwärtsbewegen der Blechtafeln Rollen- tische, die durch einen unterirdischen Dampfmotor bewegt wurden.
Hussey, Bing & Co. in Pittsburg erfanden ein Walzwerk für Schaufeln aus Tiegelgussstahlplatten; G. Balthasar in Hollerich bei Luxemburg 1887 ein Universalwalzwerk3) und Peter Kick
1) Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 290, 550.
2) Stahl und Eisen 1887, S. 254.
3) A. a. O. 1887, S. 694.
Die Walzwerke.
diesem wurden dickwandige Röhren über einem konischen Dorn durch schrägstehende Scheiben (Scheibenstraſse) ausgeweitet, anfangs nur bis zu 150 mm, 1895 bereits bis zu 250 mm lichter Weite. Für noch gröſsere Weiten bediente man sich eines Aufweiteapparates, bei dem Scheibenwalzen das Rohr über einen feststehenden konischen Dorn pressen. Zuletzt müssen die Röhren noch in einer Art von Zieh- bank kalibriert werden. Für „das schrittweise Walzen“ nahm Rein- hard Mannesmann jun. 1892 zwei Patente 1) (D. R. P. Nr. 84778 und Nr. 86162) und Max Mannesmann eins 1894 (D. R. P. Nr. 88638).
Das Schrägwalzverfahren erfordert ein geschmeidiges, gleich- mäſsiges, fehlerfreies Material. Schweiſseisen entspricht diesen An- forderungen nicht, wohl aber blasenfreies Fluſseisen. Durch den Druck auf die Oberfläche und die durch das Schrägwalzverfahren er- zeugte verstrickte Faserung bieten die Mannesmannröhren einen groſsen Widerstand gegen Biegen, Drücken und Zerreiſsen, angeblich das Fünf- bis Sechsfache gewöhnlicher Rohre gegen Innendruck. Wenn der Erfolg des Verfahrens den hochgespannten Erwartungen nicht entsprochen hat, so muſs doch rühmend anerkannt werden, daſs in der Erfindung und Ausführung des Mannesmann-Walzverfahrens eine groſse Summe von Geist und Thatkraft zum Ausdruck gekommen ist, die für die Gebrüder Mannesmann höchst ehrenvoll ist. Daſs das Schrägwalzverfahren groſse Fortschritte gemacht hat, bewies die Welt- ausstellung zu Chicago 1895, wo Bohrröhren von 508 mm Weite, neben Gewehrläufen, Fahrradröhren und Präzisionsröhren von 38 mm Weite und nur ⅛ mm Wandstärke zu sehen waren.
Kehren wir nach dieser Episode über das Mannesmann-Walz- verfahren zu unserer chronistischen Betrachtung der Fortschritte im Walzwerksbetrieb zurück.
Wellmans verbesserte Blechwalze2) (1881) beruhte auf dem Lauthschen System, hatte bewegliche Ober- und Unterwalze und zum Heben und Vor- und Rückwärtsbewegen der Blechtafeln Rollen- tische, die durch einen unterirdischen Dampfmotor bewegt wurden.
Hussey, Bing & Co. in Pittsburg erfanden ein Walzwerk für Schaufeln aus Tiegelguſsstahlplatten; G. Balthasar in Hollerich bei Luxemburg 1887 ein Universalwalzwerk3) und Peter Kick
1) Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 290, 550.
2) Stahl und Eisen 1887, S. 254.
3) A. a. O. 1887, S. 694.
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Die Walzwerke.
diesem wurden dickwandige Röhren über einem konischen Dorn
durch schrägstehende Scheiben (Scheibenstraſse) ausgeweitet, anfangs
nur bis zu 150 mm, 1895 bereits bis zu 250 mm lichter Weite. Für noch
gröſsere Weiten bediente man sich eines Aufweiteapparates, bei dem
Scheibenwalzen das Rohr über einen feststehenden konischen Dorn
pressen. Zuletzt müssen die Röhren noch in einer Art von Zieh-
bank kalibriert werden. Für „das schrittweise Walzen“ nahm Rein-
hard Mannesmann jun. 1892 zwei Patente 1) (D. R. P. Nr. 84778
und Nr. 86162) und Max Mannesmann eins 1894 (D. R. P.
Nr. 88638).
Das Schrägwalzverfahren erfordert ein geschmeidiges, gleich-
mäſsiges, fehlerfreies Material. Schweiſseisen entspricht diesen An-
forderungen nicht, wohl aber blasenfreies Fluſseisen. Durch den
Druck auf die Oberfläche und die durch das Schrägwalzverfahren er-
zeugte verstrickte Faserung bieten die Mannesmannröhren einen
groſsen Widerstand gegen Biegen, Drücken und Zerreiſsen, angeblich
das Fünf- bis Sechsfache gewöhnlicher Rohre gegen Innendruck. Wenn
der Erfolg des Verfahrens den hochgespannten Erwartungen nicht
entsprochen hat, so muſs doch rühmend anerkannt werden, daſs in
der Erfindung und Ausführung des Mannesmann-Walzverfahrens eine
groſse Summe von Geist und Thatkraft zum Ausdruck gekommen ist,
die für die Gebrüder Mannesmann höchst ehrenvoll ist. Daſs das
Schrägwalzverfahren groſse Fortschritte gemacht hat, bewies die Welt-
ausstellung zu Chicago 1895, wo Bohrröhren von 508 mm Weite, neben
Gewehrläufen, Fahrradröhren und Präzisionsröhren von 38 mm Weite
und nur ⅛ mm Wandstärke zu sehen waren.
Kehren wir nach dieser Episode über das Mannesmann-Walz-
verfahren zu unserer chronistischen Betrachtung der Fortschritte im
Walzwerksbetrieb zurück.
Wellmans verbesserte Blechwalze 2) (1881) beruhte auf dem
Lauthschen System, hatte bewegliche Ober- und Unterwalze und
zum Heben und Vor- und Rückwärtsbewegen der Blechtafeln Rollen-
tische, die durch einen unterirdischen Dampfmotor bewegt wurden.
Hussey, Bing & Co. in Pittsburg erfanden ein Walzwerk für
Schaufeln aus Tiegelguſsstahlplatten; G. Balthasar in Hollerich
bei Luxemburg 1887 ein Universalwalzwerk 3) und Peter Kick
1) Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 290, 550.
2) Stahl und Eisen 1887, S. 254.
3) A. a. O. 1887, S. 694.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 808. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/824>, abgerufen am 22.11.2024.
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