auf der Pariser Ausstellung 1878 vorführte. Er wies auf die Wichtig- keit der chemischen Zusammensetzung hin und empfahl einen Kohlen- stoffgehalt von 1 bis 1,5 Prozent. Seit Einführung des basischen Flammofenbetriebes benutzte man aber weicheres Material mit ge- ringerem Kohlenstoffgehalt.
H. L. Gantt, gestützt auf amerikanische Erfahrungen, empfahl 1892 für Getriebe einen Kohlenstoffgehalt von 0,4 bis 0,6 Prozent, für geringe Maschinenteile nicht über 0,4 Prozent und, wenn dieselben starken Stössen unterworfen werden, nicht über 0,2 Prozent. Solche Güsse haben eine Zerreissfestigkeit von 42 bis 45 kg pro Quadratmilli- meter und eine Längenausdehnung von 15 Prozent. Sie eignen sich für Maschinen-, Hoch- und Schiffsbau. Hierfür wählte man in den Vereinigten Staaten in der Regel Flussstahl von 0,2 bis 0,3 Prozent Kohlenstoffgehalt. Unmittelbar vor dem Giessen setzt man neuerdings oft in der Pfanne Aluminium zu, doch nicht mehr als 1 Promille. In Österreich hat man durch grösseren Zusatz von Ferroaluminium, ohne Mangan oder Silicium dichte Gussstücke hergestellt 1).
Grössere Gegenstände werden meistens aus weichem, kohlenstoff- armem Martinflusseisen gegossen, so z. B. die Schuhe des 1888/9 er- bauten Eiffelturms, die nur 0,22 Prozent Kohlenstoff neben 0,52 Pro- zent Mangan und 0,20 Prozent Silicium enthalten 2). Nach Sir Williams wurden vor 1899 bereits Stahlgussformstücke von über 35 Tonnen Gewicht für den Schiffsbau gegossen.
Von kleineren Gussstücken erwähnen wir den Guss von Stahl- ketten in eisernen Formen, die nach dem Guss nur gereinigt und abgerieben zu werden brauchten. Dieses Verfahren wurde 1882 von Spencer auf den Newbury-Works, 1884 von Imbert & Leger in Lyon eingeführt. Spencers Ketten ergaben bei Lloyds Proben 22 Prozent grössere Zugfestigkeit, als verlangt war.
Infolge der grösseren Härte des Stahls und seiner stärkeren Kon- traktion ist die Spannung in den Gussstücken und infolgedessen die Gefahr des Zerspringens grösser als beim Eisenguss. Es ist deshalb notwendig, die fertigen Gussstücke zu glühen und langsam erkalten zu lassen, um diese Spannung aufzuheben. In den Vereinigten Staaten erhitzte man 1878 die Stahlgussstücke im Flammofen bei ruhiger Flamme und liess sie dann mit der Form zwei bis drei Tage ab-
1) Stahl und Eisen 1894, S. 299.
2) Nach Mahler, Genie civil XVIII, Nr. 12.
Stahlformguſs.
auf der Pariser Ausstellung 1878 vorführte. Er wies auf die Wichtig- keit der chemischen Zusammensetzung hin und empfahl einen Kohlen- stoffgehalt von 1 bis 1,5 Prozent. Seit Einführung des basischen Flammofenbetriebes benutzte man aber weicheres Material mit ge- ringerem Kohlenstoffgehalt.
H. L. Gantt, gestützt auf amerikanische Erfahrungen, empfahl 1892 für Getriebe einen Kohlenstoffgehalt von 0,4 bis 0,6 Prozent, für geringe Maschinenteile nicht über 0,4 Prozent und, wenn dieselben starken Stöſsen unterworfen werden, nicht über 0,2 Prozent. Solche Güsse haben eine Zerreiſsfestigkeit von 42 bis 45 kg pro Quadratmilli- meter und eine Längenausdehnung von 15 Prozent. Sie eignen sich für Maschinen-, Hoch- und Schiffsbau. Hierfür wählte man in den Vereinigten Staaten in der Regel Fluſsstahl von 0,2 bis 0,3 Prozent Kohlenstoffgehalt. Unmittelbar vor dem Gieſsen setzt man neuerdings oft in der Pfanne Aluminium zu, doch nicht mehr als 1 Promille. In Österreich hat man durch gröſseren Zusatz von Ferroaluminium, ohne Mangan oder Silicium dichte Guſsstücke hergestellt 1).
Gröſsere Gegenstände werden meistens aus weichem, kohlenstoff- armem Martinfluſseisen gegossen, so z. B. die Schuhe des 1888/9 er- bauten Eiffelturms, die nur 0,22 Prozent Kohlenstoff neben 0,52 Pro- zent Mangan und 0,20 Prozent Silicium enthalten 2). Nach Sir Williams wurden vor 1899 bereits Stahlguſsformstücke von über 35 Tonnen Gewicht für den Schiffsbau gegossen.
Von kleineren Guſsstücken erwähnen wir den Guſs von Stahl- ketten in eisernen Formen, die nach dem Guſs nur gereinigt und abgerieben zu werden brauchten. Dieses Verfahren wurde 1882 von Spencer auf den Newbury-Works, 1884 von Imbert & Leger in Lyon eingeführt. Spencers Ketten ergaben bei Lloyds Proben 22 Prozent gröſsere Zugfestigkeit, als verlangt war.
Infolge der gröſseren Härte des Stahls und seiner stärkeren Kon- traktion ist die Spannung in den Guſsstücken und infolgedessen die Gefahr des Zerspringens gröſser als beim Eisenguſs. Es ist deshalb notwendig, die fertigen Guſsstücke zu glühen und langsam erkalten zu lassen, um diese Spannung aufzuheben. In den Vereinigten Staaten erhitzte man 1878 die Stahlguſsstücke im Flammofen bei ruhiger Flamme und lieſs sie dann mit der Form zwei bis drei Tage ab-
1) Stahl und Eisen 1894, S. 299.
2) Nach Mahler, Génie civil XVIII, Nr. 12.
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keit der chemischen Zusammensetzung hin und empfahl einen Kohlen-
stoffgehalt von 1 bis 1,5 Prozent. Seit Einführung des basischen
Flammofenbetriebes benutzte man aber weicheres Material mit ge-
ringerem Kohlenstoffgehalt.
H. L. Gantt, gestützt auf amerikanische Erfahrungen, empfahl
1892 für Getriebe einen Kohlenstoffgehalt von 0,4 bis 0,6 Prozent,
für geringe Maschinenteile nicht über 0,4 Prozent und, wenn dieselben
starken Stöſsen unterworfen werden, nicht über 0,2 Prozent. Solche
Güsse haben eine Zerreiſsfestigkeit von 42 bis 45 kg pro Quadratmilli-
meter und eine Längenausdehnung von 15 Prozent. Sie eignen sich
für Maschinen-, Hoch- und Schiffsbau. Hierfür wählte man in den
Vereinigten Staaten in der Regel Fluſsstahl von 0,2 bis 0,3 Prozent
Kohlenstoffgehalt. Unmittelbar vor dem Gieſsen setzt man neuerdings
oft in der Pfanne Aluminium zu, doch nicht mehr als 1 Promille.
In Österreich hat man durch gröſseren Zusatz von Ferroaluminium,
ohne Mangan oder Silicium dichte Guſsstücke hergestellt 1).
Gröſsere Gegenstände werden meistens aus weichem, kohlenstoff-
armem Martinfluſseisen gegossen, so z. B. die Schuhe des 1888/9 er-
bauten Eiffelturms, die nur 0,22 Prozent Kohlenstoff neben 0,52 Pro-
zent Mangan und 0,20 Prozent Silicium enthalten 2). Nach Sir Williams
wurden vor 1899 bereits Stahlguſsformstücke von über 35 Tonnen
Gewicht für den Schiffsbau gegossen.
Von kleineren Guſsstücken erwähnen wir den Guſs von Stahl-
ketten in eisernen Formen, die nach dem Guſs nur gereinigt und
abgerieben zu werden brauchten. Dieses Verfahren wurde 1882 von
Spencer auf den Newbury-Works, 1884 von Imbert & Leger in
Lyon eingeführt. Spencers Ketten ergaben bei Lloyds Proben
22 Prozent gröſsere Zugfestigkeit, als verlangt war.
Infolge der gröſseren Härte des Stahls und seiner stärkeren Kon-
traktion ist die Spannung in den Guſsstücken und infolgedessen die
Gefahr des Zerspringens gröſser als beim Eisenguſs. Es ist deshalb
notwendig, die fertigen Guſsstücke zu glühen und langsam erkalten
zu lassen, um diese Spannung aufzuheben. In den Vereinigten Staaten
erhitzte man 1878 die Stahlguſsstücke im Flammofen bei ruhiger
Flamme und lieſs sie dann mit der Form zwei bis drei Tage ab-
1) Stahl und Eisen 1894, S. 299.
2) Nach Mahler, Génie civil XVIII, Nr. 12.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 773. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/789>, abgerufen am 22.11.2024.
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