Mushets Specialstahl, von dem eine Probe nach einer Analyse von Riley 7,98 Prozent Wolfram, 1,40 Prozent Kohlenstoff und 0,24 Prozent Silicium eine andere auch noch 2,48 Prozent Mangan enthielt, war sehr hart und liess sich nur äusserst schwierig bei Rot- glut bearbeiten. Er war doppelt so teuer wie bester Huntsmanstahl und zu hart und spröde, um als Werkzeugstahl allgemein verwendbar zu sein. Nur ausnahmsweise wurde er für Dreh- und Schrotmeissel von besonderer Härte verwendet, z. B. auf der französischen Westbahn zum Abdrehen von Stahlbandagen. Die Titanic Forrest Steel Works zu Coleford stellen noch Mushets Specialstahl dar.
Ein grösseres Interesse hat man seit 1870 dem Chromstahl entgegengebracht, der bekanntlich schon 1821 von Berthier unter- sucht und beschrieben worden war und auf dessen Fabrikation Mushet 1861 ein Patent genommen hatte. Eine praktische Bedeutung erlangte die Chromstahlfabrikation aber erst in den Vereinigten Staaten von Nordamerika durch Julius Baur in New York. Dieser erhielt 1865 ein Patent auf die Darstellung eines "edleren, zäheren und härteren Stahls durch den Zusatz von Chrom". Auf Grund dieses Patentes bildete sich die Chromstahl-Gesellschaft zu Brooklyn, welche seit 1869 Chromstahl fabrikmässig darstellte und mit der in Amerika üblichen Reklame auf den Markt brachte. Anfang der siebziger Jahre liess sich J. Baur auch ein von ihm erfundenes verbessertes Verfahren der Bereitung von Eisenchrom patentieren. Der Erfolg in Amerika lenkte auch in Europa die Aufmerksamkeit auf Chromstahl und Ferrochrom. 1874 hatte Professor Carlington1) behauptet, Chromstahl leiste das drei- bis vierfache als gewöhnlicher Stahl, seine Textur sei sehr gleichmässig, er stehe gut in der Hitze und sei schweissbar.
1875 begann Brustlein, Direktor der Gesellschaft Holtzer & Co. in Unieux bei Firminy in Frankreich, versuchsweise Chrom- stahl darzustellen. Seit 1877 wurde die Chromstahlfabrikation zu Unieux im grossen betrieben. Die Grundlage hierfür bildeten Eisen- chromlegierungen, die entweder im Tiegel oder im Hochofen dar- gestellt wurden. Ein chromhaltiges Roheisen war schon Ende der sechziger Jahre zu St. Stephan in Steiermark im Hochofen erblasen worden; seit etwa 1874 stellten die Tasmanian Iron and Steel Works, U. S., ein solches mit 6 bis 8 Prozent Chrom dar. Hochhaltigeres Chromeisen (Ferrochrom) wurde zu Eston in England, Terrenoire
1) Engineering 1875, S. 178.
Cement- und Tiegelguſsstahl.
Mushets Specialstahl, von dem eine Probe nach einer Analyse von Riley 7,98 Prozent Wolfram, 1,40 Prozent Kohlenstoff und 0,24 Prozent Silicium eine andere auch noch 2,48 Prozent Mangan enthielt, war sehr hart und lieſs sich nur äuſserst schwierig bei Rot- glut bearbeiten. Er war doppelt so teuer wie bester Huntsmanstahl und zu hart und spröde, um als Werkzeugstahl allgemein verwendbar zu sein. Nur ausnahmsweise wurde er für Dreh- und Schrotmeiſsel von besonderer Härte verwendet, z. B. auf der französischen Westbahn zum Abdrehen von Stahlbandagen. Die Titanic Forrest Steel Works zu Coleford stellen noch Mushets Specialstahl dar.
Ein gröſseres Interesse hat man seit 1870 dem Chromstahl entgegengebracht, der bekanntlich schon 1821 von Berthier unter- sucht und beschrieben worden war und auf dessen Fabrikation Mushet 1861 ein Patent genommen hatte. Eine praktische Bedeutung erlangte die Chromstahlfabrikation aber erst in den Vereinigten Staaten von Nordamerika durch Julius Baur in New York. Dieser erhielt 1865 ein Patent auf die Darstellung eines „edleren, zäheren und härteren Stahls durch den Zusatz von Chrom“. Auf Grund dieses Patentes bildete sich die Chromstahl-Gesellschaft zu Brooklyn, welche seit 1869 Chromstahl fabrikmäſsig darstellte und mit der in Amerika üblichen Reklame auf den Markt brachte. Anfang der siebziger Jahre lieſs sich J. Baur auch ein von ihm erfundenes verbessertes Verfahren der Bereitung von Eisenchrom patentieren. Der Erfolg in Amerika lenkte auch in Europa die Aufmerksamkeit auf Chromstahl und Ferrochrom. 1874 hatte Professor Carlington1) behauptet, Chromstahl leiste das drei- bis vierfache als gewöhnlicher Stahl, seine Textur sei sehr gleichmäſsig, er stehe gut in der Hitze und sei schweiſsbar.
1875 begann Brustlein, Direktor der Gesellschaft Holtzer & Co. in Unieux bei Firminy in Frankreich, versuchsweise Chrom- stahl darzustellen. Seit 1877 wurde die Chromstahlfabrikation zu Unieux im groſsen betrieben. Die Grundlage hierfür bildeten Eisen- chromlegierungen, die entweder im Tiegel oder im Hochofen dar- gestellt wurden. Ein chromhaltiges Roheisen war schon Ende der sechziger Jahre zu St. Stephan in Steiermark im Hochofen erblasen worden; seit etwa 1874 stellten die Tasmanian Iron and Steel Works, U. S., ein solches mit 6 bis 8 Prozent Chrom dar. Hochhaltigeres Chromeisen (Ferrochrom) wurde zu Eston in England, Terrenoire
1) Engineering 1875, S. 178.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0757"n="741"/><fwplace="top"type="header">Cement- und Tiegelguſsstahl.</fw><lb/><p><hirendition="#g">Mushets</hi> Specialstahl, von dem eine Probe nach einer Analyse<lb/>
von <hirendition="#g">Riley</hi> 7,98 Prozent Wolfram, 1,40 Prozent Kohlenstoff und<lb/>
0,24 Prozent Silicium eine andere auch noch 2,48 Prozent Mangan<lb/>
enthielt, war sehr hart und lieſs sich nur äuſserst schwierig bei Rot-<lb/>
glut bearbeiten. Er war doppelt so teuer wie bester Huntsmanstahl<lb/>
und zu hart und spröde, um als Werkzeugstahl allgemein verwendbar<lb/>
zu sein. Nur ausnahmsweise wurde er für Dreh- und Schrotmeiſsel<lb/>
von besonderer Härte verwendet, z. B. auf der französischen Westbahn<lb/>
zum Abdrehen von Stahlbandagen. Die Titanic Forrest Steel Works<lb/>
zu Coleford stellen noch <hirendition="#g">Mushets</hi> Specialstahl dar.</p><lb/><p>Ein gröſseres Interesse hat man seit 1870 dem <hirendition="#g">Chromstahl</hi><lb/>
entgegengebracht, der bekanntlich schon 1821 von <hirendition="#g">Berthier</hi> unter-<lb/>
sucht und beschrieben worden war und auf dessen Fabrikation<lb/><hirendition="#g">Mushet</hi> 1861 ein Patent genommen hatte. Eine praktische Bedeutung<lb/>
erlangte die Chromstahlfabrikation aber erst in den Vereinigten<lb/>
Staaten von Nordamerika durch <hirendition="#g">Julius Baur</hi> in New York. Dieser<lb/>
erhielt 1865 ein Patent auf die Darstellung eines „edleren, zäheren<lb/>
und härteren Stahls durch den Zusatz von Chrom“. Auf Grund dieses<lb/>
Patentes bildete sich die Chromstahl-Gesellschaft zu Brooklyn, welche<lb/>
seit 1869 Chromstahl fabrikmäſsig darstellte und mit der in Amerika<lb/>
üblichen Reklame auf den Markt brachte. Anfang der siebziger<lb/>
Jahre lieſs sich J. <hirendition="#g">Baur</hi> auch ein von ihm erfundenes verbessertes<lb/>
Verfahren der Bereitung von Eisenchrom patentieren. Der Erfolg in<lb/>
Amerika lenkte auch in Europa die Aufmerksamkeit auf Chromstahl<lb/>
und Ferrochrom. 1874 hatte Professor <hirendition="#g">Carlington</hi><noteplace="foot"n="1)">Engineering 1875, S. 178.</note> behauptet,<lb/>
Chromstahl leiste das drei- bis vierfache als gewöhnlicher Stahl, seine<lb/>
Textur sei sehr gleichmäſsig, er stehe gut in der Hitze und sei<lb/>
schweiſsbar.</p><lb/><p>1875 begann <hirendition="#g">Brustlein</hi>, Direktor der Gesellschaft Holtzer<lb/>& Co. in Unieux bei Firminy in Frankreich, versuchsweise Chrom-<lb/>
stahl darzustellen. Seit 1877 wurde die Chromstahlfabrikation zu<lb/>
Unieux im groſsen betrieben. Die Grundlage hierfür bildeten Eisen-<lb/>
chromlegierungen, die entweder im Tiegel oder im Hochofen dar-<lb/>
gestellt wurden. Ein chromhaltiges Roheisen war schon Ende der<lb/>
sechziger Jahre zu St. Stephan in Steiermark im Hochofen erblasen<lb/>
worden; seit etwa 1874 stellten die Tasmanian Iron and Steel Works,<lb/>
U. S., ein solches mit 6 bis 8 Prozent Chrom dar. Hochhaltigeres<lb/>
Chromeisen (Ferrochrom) wurde zu Eston in England, Terrenoire<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[741/0757]
Cement- und Tiegelguſsstahl.
Mushets Specialstahl, von dem eine Probe nach einer Analyse
von Riley 7,98 Prozent Wolfram, 1,40 Prozent Kohlenstoff und
0,24 Prozent Silicium eine andere auch noch 2,48 Prozent Mangan
enthielt, war sehr hart und lieſs sich nur äuſserst schwierig bei Rot-
glut bearbeiten. Er war doppelt so teuer wie bester Huntsmanstahl
und zu hart und spröde, um als Werkzeugstahl allgemein verwendbar
zu sein. Nur ausnahmsweise wurde er für Dreh- und Schrotmeiſsel
von besonderer Härte verwendet, z. B. auf der französischen Westbahn
zum Abdrehen von Stahlbandagen. Die Titanic Forrest Steel Works
zu Coleford stellen noch Mushets Specialstahl dar.
Ein gröſseres Interesse hat man seit 1870 dem Chromstahl
entgegengebracht, der bekanntlich schon 1821 von Berthier unter-
sucht und beschrieben worden war und auf dessen Fabrikation
Mushet 1861 ein Patent genommen hatte. Eine praktische Bedeutung
erlangte die Chromstahlfabrikation aber erst in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika durch Julius Baur in New York. Dieser
erhielt 1865 ein Patent auf die Darstellung eines „edleren, zäheren
und härteren Stahls durch den Zusatz von Chrom“. Auf Grund dieses
Patentes bildete sich die Chromstahl-Gesellschaft zu Brooklyn, welche
seit 1869 Chromstahl fabrikmäſsig darstellte und mit der in Amerika
üblichen Reklame auf den Markt brachte. Anfang der siebziger
Jahre lieſs sich J. Baur auch ein von ihm erfundenes verbessertes
Verfahren der Bereitung von Eisenchrom patentieren. Der Erfolg in
Amerika lenkte auch in Europa die Aufmerksamkeit auf Chromstahl
und Ferrochrom. 1874 hatte Professor Carlington 1) behauptet,
Chromstahl leiste das drei- bis vierfache als gewöhnlicher Stahl, seine
Textur sei sehr gleichmäſsig, er stehe gut in der Hitze und sei
schweiſsbar.
1875 begann Brustlein, Direktor der Gesellschaft Holtzer
& Co. in Unieux bei Firminy in Frankreich, versuchsweise Chrom-
stahl darzustellen. Seit 1877 wurde die Chromstahlfabrikation zu
Unieux im groſsen betrieben. Die Grundlage hierfür bildeten Eisen-
chromlegierungen, die entweder im Tiegel oder im Hochofen dar-
gestellt wurden. Ein chromhaltiges Roheisen war schon Ende der
sechziger Jahre zu St. Stephan in Steiermark im Hochofen erblasen
worden; seit etwa 1874 stellten die Tasmanian Iron and Steel Works,
U. S., ein solches mit 6 bis 8 Prozent Chrom dar. Hochhaltigeres
Chromeisen (Ferrochrom) wurde zu Eston in England, Terrenoire
1) Engineering 1875, S. 178.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 741. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/757>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.