Die Härte des Gussstahls hängt unmittelbar von dem Kohlenstoff- gehalt ab. Die in Sheffield üblichen sieben Härtegrade entsprechen folgenden Kohlenstoffgehalten:
1. Rasiermesserstahl (razor temper) 11/2 Prozent Kohlenstoff
2. Sägefeilenstahl (saw-file temper) 13/8 " "
3. Drehstahl (tool temper) 11/4 " "
4. Spindelstahl (spindle temper) 11/8 " "
5. Meisselstahl (chisel temper) 1 " "
6. Setzmeisselstahl (set temper) 7/8 " "
7. Matrizenstahl (die temper) 3/4 " "
In Remscheid bezeichnet man deshalb jetzt die Härtegrade ein- fach nach Nummern, die mit Zehntel-Kohlenstoffgehalt überein- stimmen, so dass Nr. 8 ein Stahl von 0,8 Prozent, Nr. 10 ein Stahl von 1,0 Prozent, Nr. 15 ein Stahl von 1,5 Prozent Kohlenstoffgehalt ist. Zwischen diesen Grenzen liegen die guten Werkzeug-Tiegelstahl- sorten. Wolframstahl bezeichnet man seiner grossen Härte wegen mit Nr. 20.
Auf der oben angeführten Wirkung des Mangans beruht der Vorschlag von C. Y. Hermelin1), dem Cementstahl nach dem Schmelzen im Tiegel einen Zusatz von Spiegeleisen zu geben. Wenn auch die wichtigste Bedeutung der Tiegelstahlfabrikation im Qualitäts- stahl besonders für Werkzeuge liegt, so verwendete man dieselbe doch auch in dieser Periode noch zur Herstellung grober Waren, wofür man dann selbstverständlich billigeres Material einschmolz. Dieser Verwendung des Tiegelstahls hat allerdings die Erfindung des Kon- verter- und des Flammofenstahls Abbruch gethan, dennoch ist sie noch in Gebrauch, wo es sich um eine besondere Qualität, die man am sichersten im Tiegel erhalten kann, handelt, oder bei besonderen Güssen, wo man jetzt auch oft den Tiegelguss in Verbindung mit dem Flamm- ofenguss anwendet. Wie bekannt, war es zuerst Alfred Krupp in Essen, dem es gelang, erstaunlich grosse Stahlstücke aus Tiegelstahl herzustellen, was er durch die Grossartigkeit seiner Schmelzanlagen und das fast militärisch organisierte Zusammenwirken der Schmelz- arbeiter erreichte. Dieses System, das sich bei Krupp so glänzend bewährt hatte, wurde in den siebziger Jahren auch in anderen Stahlwerken eingeführt, so in Russland in dem Obuchowskischen Stahlwerke bei Alexandrowsky, wo namentlich für die schweren Kanonen der kaiserlichen Marine grosse Gussblöcke verlangt wurden.
1) Siehe Jern kontor. Ann. 1887, S. 338.
Beck, Geschichte des Eisens. 47
Cement- und Tiegelguſsstahl.
Die Härte des Guſsstahls hängt unmittelbar von dem Kohlenstoff- gehalt ab. Die in Sheffield üblichen sieben Härtegrade entsprechen folgenden Kohlenstoffgehalten:
1. Rasiermesserstahl (razor temper) 1½ Prozent Kohlenstoff
2. Sägefeilenstahl (saw-file temper) 13/8 „ „
3. Drehstahl (tool temper) 1¼ „ „
4. Spindelstahl (spindle temper) 11/8 „ „
5. Meiſselstahl (chisel temper) 1 „ „
6. Setzmeiſselstahl (set temper) 7/8 „ „
7. Matrizenstahl (die temper) ¾ „ „
In Remscheid bezeichnet man deshalb jetzt die Härtegrade ein- fach nach Nummern, die mit Zehntel-Kohlenstoffgehalt überein- stimmen, so daſs Nr. 8 ein Stahl von 0,8 Prozent, Nr. 10 ein Stahl von 1,0 Prozent, Nr. 15 ein Stahl von 1,5 Prozent Kohlenstoffgehalt ist. Zwischen diesen Grenzen liegen die guten Werkzeug-Tiegelstahl- sorten. Wolframstahl bezeichnet man seiner groſsen Härte wegen mit Nr. 20.
Auf der oben angeführten Wirkung des Mangans beruht der Vorschlag von C. Y. Hermelin1), dem Cementstahl nach dem Schmelzen im Tiegel einen Zusatz von Spiegeleisen zu geben. Wenn auch die wichtigste Bedeutung der Tiegelstahlfabrikation im Qualitäts- stahl besonders für Werkzeuge liegt, so verwendete man dieselbe doch auch in dieser Periode noch zur Herstellung grober Waren, wofür man dann selbstverständlich billigeres Material einschmolz. Dieser Verwendung des Tiegelstahls hat allerdings die Erfindung des Kon- verter- und des Flammofenstahls Abbruch gethan, dennoch ist sie noch in Gebrauch, wo es sich um eine besondere Qualität, die man am sichersten im Tiegel erhalten kann, handelt, oder bei besonderen Güssen, wo man jetzt auch oft den Tiegelguſs in Verbindung mit dem Flamm- ofenguſs anwendet. Wie bekannt, war es zuerst Alfred Krupp in Essen, dem es gelang, erstaunlich groſse Stahlstücke aus Tiegelstahl herzustellen, was er durch die Groſsartigkeit seiner Schmelzanlagen und das fast militärisch organisierte Zusammenwirken der Schmelz- arbeiter erreichte. Dieses System, das sich bei Krupp so glänzend bewährt hatte, wurde in den siebziger Jahren auch in anderen Stahlwerken eingeführt, so in Ruſsland in dem Obuchowskischen Stahlwerke bei Alexandrowsky, wo namentlich für die schweren Kanonen der kaiserlichen Marine groſse Guſsblöcke verlangt wurden.
1) Siehe Jern kontor. Ann. 1887, S. 338.
Beck, Geschichte des Eisens. 47
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Cement- und Tiegelguſsstahl.
Die Härte des Guſsstahls hängt unmittelbar von dem Kohlenstoff-
gehalt ab. Die in Sheffield üblichen sieben Härtegrade entsprechen
folgenden Kohlenstoffgehalten:
1. Rasiermesserstahl (razor temper) 1½ Prozent Kohlenstoff
2. Sägefeilenstahl (saw-file temper) 13/8 „ „
3. Drehstahl (tool temper) 1¼ „ „
4. Spindelstahl (spindle temper) 11/8 „ „
5. Meiſselstahl (chisel temper) 1 „ „
6. Setzmeiſselstahl (set temper) 7/8 „ „
7. Matrizenstahl (die temper) ¾ „ „
In Remscheid bezeichnet man deshalb jetzt die Härtegrade ein-
fach nach Nummern, die mit Zehntel-Kohlenstoffgehalt überein-
stimmen, so daſs Nr. 8 ein Stahl von 0,8 Prozent, Nr. 10 ein Stahl
von 1,0 Prozent, Nr. 15 ein Stahl von 1,5 Prozent Kohlenstoffgehalt
ist. Zwischen diesen Grenzen liegen die guten Werkzeug-Tiegelstahl-
sorten. Wolframstahl bezeichnet man seiner groſsen Härte wegen mit
Nr. 20.
Auf der oben angeführten Wirkung des Mangans beruht der
Vorschlag von C. Y. Hermelin 1), dem Cementstahl nach dem
Schmelzen im Tiegel einen Zusatz von Spiegeleisen zu geben. Wenn
auch die wichtigste Bedeutung der Tiegelstahlfabrikation im Qualitäts-
stahl besonders für Werkzeuge liegt, so verwendete man dieselbe doch
auch in dieser Periode noch zur Herstellung grober Waren, wofür
man dann selbstverständlich billigeres Material einschmolz. Dieser
Verwendung des Tiegelstahls hat allerdings die Erfindung des Kon-
verter- und des Flammofenstahls Abbruch gethan, dennoch ist sie
noch in Gebrauch, wo es sich um eine besondere Qualität, die man am
sichersten im Tiegel erhalten kann, handelt, oder bei besonderen Güssen,
wo man jetzt auch oft den Tiegelguſs in Verbindung mit dem Flamm-
ofenguſs anwendet. Wie bekannt, war es zuerst Alfred Krupp in
Essen, dem es gelang, erstaunlich groſse Stahlstücke aus Tiegelstahl
herzustellen, was er durch die Groſsartigkeit seiner Schmelzanlagen
und das fast militärisch organisierte Zusammenwirken der Schmelz-
arbeiter erreichte. Dieses System, das sich bei Krupp so glänzend
bewährt hatte, wurde in den siebziger Jahren auch in anderen
Stahlwerken eingeführt, so in Ruſsland in dem Obuchowskischen
Stahlwerke bei Alexandrowsky, wo namentlich für die schweren
Kanonen der kaiserlichen Marine groſse Guſsblöcke verlangt wurden.
1) Siehe Jern kontor. Ann. 1887, S. 338.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/753>, abgerufen am 22.11.2024.
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