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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870.
öfen 1). Er empfahl die Gaszuführung durch einen horizontalen,
mässig geneigten Schlitz am Kopfende des Flammofens, die Luft-
zuführung durch einen runden Fuchs im Gewölbe vor dem Gasfuchs.

Die Schönwalderschen Flammöfen hatten sich auf der Friedens-
hütte weiter bewährt. Am 17. Februar 1894 wurde Ofen Nr. 1 nach
der tausendsten Charge zur Reparatur kaltgestellt. Öfen nach Schön-
walders
Patent waren im Betriebe zu Riesa in Sachsen, zu Dillingen
im Saargebiet, zu Trzinietz in Österr.-Schlesien, zu Milowice und
Kamenskoje in Russland und im Bau auf der Burbacher Hütte, zu
Altsohl in Ungarn und zu Luzern in der Schweiz.

In Frankreich baute Lencauchez 1893 in Anzin einen ver-
besserten Herdflammofen, bei dem der Luftgenerator den Gasgenerator
an Grösse sehr übertraf und die Luft unter Druck durch ein Gebläse
zugeführt wurde. Die kippbaren Öfen zu Steelton, Pa., waren cylin-
drisch ummantelt, ähnlich den Danksöfen.

Auf der Alexandrowskihütte in Südrussland führte Gorjainow
1894 ein neues Schmelzverfahren ein, das darin bestand, dass er
zuerst Erz im Flammofen einschmolz und dann das flüssige Roheisen
in das geschmolzene Erz laufen liess. Die Vorteile des Verfahrens
bestanden darin, dass man mit wenig Schrott arbeiten konnte und
der Prozess rascher verlief, so dass eine Charge nur 6 statt früher
12 Stunden erforderte.

Über den Flammofenherdprozess mit besonderer Berücksichtigung
amerikanischer Verhältnisse hielt H. H. Campbell am 24. August
1893 in der hüttenmännischen Sektion des internationalen Ingenieur-
Kongresses in Chicago einen bemerkenswerten Vortrag 2).

In den Vereinigten Staaten von Amerika, wo auf allen Gebieten
das Streben, die Handarbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen, vor-
herrschte, hatte man schon seit längerer Zeit das beschwerliche Be-
schicken der Martinöfen durch mechanische Vorrichtungen bewirkt.
Diese Chargiermaschinen waren allmählich vervollkommnet worden;
sie wurden durch Dampf, hydraulisch oder pneumatisch bewegt,
namentlich hatte aber Wellman einen durch Elektricität betriebenen
Apparat für diesen Zweck konstruiert, welcher zuerst in dem Well-
mans
chen Stahlwerk zu Thurlow bei Philadelphia angewendet und
der 1895 auch in Deutschland auf dem Hüttenwerk Lauchhammer 3)
nachgebaut und in Betrieb genommen wurde. Der Apparat, Fig. 288,

1) Stahl und Eisen 1894, S. 751.
2) Siehe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1894, S. 37 u. 49.
3) Stahl und Eisen 1895, S. 669 und 940.

Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
öfen 1). Er empfahl die Gaszuführung durch einen horizontalen,
mäſsig geneigten Schlitz am Kopfende des Flammofens, die Luft-
zuführung durch einen runden Fuchs im Gewölbe vor dem Gasfuchs.

Die Schönwalderschen Flammöfen hatten sich auf der Friedens-
hütte weiter bewährt. Am 17. Februar 1894 wurde Ofen Nr. 1 nach
der tausendsten Charge zur Reparatur kaltgestellt. Öfen nach Schön-
walders
Patent waren im Betriebe zu Riesa in Sachsen, zu Dillingen
im Saargebiet, zu Trzinietz in Österr.-Schlesien, zu Milowice und
Kamenskoje in Ruſsland und im Bau auf der Burbacher Hütte, zu
Altsohl in Ungarn und zu Luzern in der Schweiz.

In Frankreich baute Lencauchez 1893 in Anzin einen ver-
besserten Herdflammofen, bei dem der Luftgenerator den Gasgenerator
an Gröſse sehr übertraf und die Luft unter Druck durch ein Gebläse
zugeführt wurde. Die kippbaren Öfen zu Steelton, Pa., waren cylin-
drisch ummantelt, ähnlich den Danksöfen.

Auf der Alexandrowskihütte in Südruſsland führte Gorjainow
1894 ein neues Schmelzverfahren ein, das darin bestand, daſs er
zuerst Erz im Flammofen einschmolz und dann das flüssige Roheisen
in das geschmolzene Erz laufen lieſs. Die Vorteile des Verfahrens
bestanden darin, daſs man mit wenig Schrott arbeiten konnte und
der Prozeſs rascher verlief, so daſs eine Charge nur 6 statt früher
12 Stunden erforderte.

Über den Flammofenherdprozeſs mit besonderer Berücksichtigung
amerikanischer Verhältnisse hielt H. H. Campbell am 24. August
1893 in der hüttenmännischen Sektion des internationalen Ingenieur-
Kongresses in Chicago einen bemerkenswerten Vortrag 2).

In den Vereinigten Staaten von Amerika, wo auf allen Gebieten
das Streben, die Handarbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen, vor-
herrschte, hatte man schon seit längerer Zeit das beschwerliche Be-
schicken der Martinöfen durch mechanische Vorrichtungen bewirkt.
Diese Chargiermaschinen waren allmählich vervollkommnet worden;
sie wurden durch Dampf, hydraulisch oder pneumatisch bewegt,
namentlich hatte aber Wellman einen durch Elektricität betriebenen
Apparat für diesen Zweck konstruiert, welcher zuerst in dem Well-
mans
chen Stahlwerk zu Thurlow bei Philadelphia angewendet und
der 1895 auch in Deutschland auf dem Hüttenwerk Lauchhammer 3)
nachgebaut und in Betrieb genommen wurde. Der Apparat, Fig. 288,

1) Stahl und Eisen 1894, S. 751.
2) Siehe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1894, S. 37 u. 49.
3) Stahl und Eisen 1895, S. 669 und 940.
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[724/0740] Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870. öfen 1). Er empfahl die Gaszuführung durch einen horizontalen, mäſsig geneigten Schlitz am Kopfende des Flammofens, die Luft- zuführung durch einen runden Fuchs im Gewölbe vor dem Gasfuchs. Die Schönwalderschen Flammöfen hatten sich auf der Friedens- hütte weiter bewährt. Am 17. Februar 1894 wurde Ofen Nr. 1 nach der tausendsten Charge zur Reparatur kaltgestellt. Öfen nach Schön- walders Patent waren im Betriebe zu Riesa in Sachsen, zu Dillingen im Saargebiet, zu Trzinietz in Österr.-Schlesien, zu Milowice und Kamenskoje in Ruſsland und im Bau auf der Burbacher Hütte, zu Altsohl in Ungarn und zu Luzern in der Schweiz. In Frankreich baute Lencauchez 1893 in Anzin einen ver- besserten Herdflammofen, bei dem der Luftgenerator den Gasgenerator an Gröſse sehr übertraf und die Luft unter Druck durch ein Gebläse zugeführt wurde. Die kippbaren Öfen zu Steelton, Pa., waren cylin- drisch ummantelt, ähnlich den Danksöfen. Auf der Alexandrowskihütte in Südruſsland führte Gorjainow 1894 ein neues Schmelzverfahren ein, das darin bestand, daſs er zuerst Erz im Flammofen einschmolz und dann das flüssige Roheisen in das geschmolzene Erz laufen lieſs. Die Vorteile des Verfahrens bestanden darin, daſs man mit wenig Schrott arbeiten konnte und der Prozeſs rascher verlief, so daſs eine Charge nur 6 statt früher 12 Stunden erforderte. Über den Flammofenherdprozeſs mit besonderer Berücksichtigung amerikanischer Verhältnisse hielt H. H. Campbell am 24. August 1893 in der hüttenmännischen Sektion des internationalen Ingenieur- Kongresses in Chicago einen bemerkenswerten Vortrag 2). In den Vereinigten Staaten von Amerika, wo auf allen Gebieten das Streben, die Handarbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen, vor- herrschte, hatte man schon seit längerer Zeit das beschwerliche Be- schicken der Martinöfen durch mechanische Vorrichtungen bewirkt. Diese Chargiermaschinen waren allmählich vervollkommnet worden; sie wurden durch Dampf, hydraulisch oder pneumatisch bewegt, namentlich hatte aber Wellman einen durch Elektricität betriebenen Apparat für diesen Zweck konstruiert, welcher zuerst in dem Well- manschen Stahlwerk zu Thurlow bei Philadelphia angewendet und der 1895 auch in Deutschland auf dem Hüttenwerk Lauchhammer 3) nachgebaut und in Betrieb genommen wurde. Der Apparat, Fig. 288, 1) Stahl und Eisen 1894, S. 751. 2) Siehe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1894, S. 37 u. 49. 3) Stahl und Eisen 1895, S. 669 und 940.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 724. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/740>, abgerufen am 24.11.2024.