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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
beschreibung bereits hinwies. Auch empfahl es sich, mehr das Mangan
als den Kohlenstoff als Reduktionsmittel zu verwenden und deshalb
nur sehr manganreiches Spiegeleisen von mindestens 12 Prozent oder
Ferromangan, das bis zu 70 Prozent Mangan enthielt, anzuwenden.
Die Anwendung des Ferromangans war besonders dann vorzuziehen,
wenn man, wie das bald vorherrschend wurde, auf ein möglichst
weiches Produkt hinarbeitete, weil die Rückkohlung durch Ferro-
mangan eine viel schwächere war. Auch konnte man die verhältnis-
mässig geringe Menge Ferromangan ohne Schaden in kaltem Zustande
einwerfen. Häufig wendete man Spiegeleisen und Ferromangan an
und kombinierte die beiden Körper je nach der Härte bezw. Weichheit
des zu erzielenden Produktes. Wenn man das Spiegeleisen in festem
Zustande anwendete, so geschah der Zusatz gewöhnlich nicht in der
Birne, sondern in der Giesspfanne, indem man es auf deren Boden
legte und das Birnenmetall darüber goss. Ferromangan trug man
dagegen meist, wie das flüssige Spiegeleisen stets, in die Birne ein.

Ein noch geringeres Aufschäumen der Metallmasse erzielt man
durch den Zusatz von Ferro- oder Manganosilicium an Stelle des Ferro-
mangans, und dieses fand in Frankreich (zu Terre-Noire) Anwendung.
Statt Ferrosilicium lässt sich auch siliciumreiches Roheisen, welches
in Hochöfen dargestellt wird, verwenden.

Abfalleisen wird vielfach während des Blasens in die Birne ein-
geworfen, um dasselbe auf billige Weise zu verwerten. Natürlich darf
dadurch die Charge nicht zu sehr abgekühlt werden. In Teplitz
konnte man bei einem Einsatz von 6,5 Tonnen 400 bis 800 kg ein-
werfen.

Was den Gebläsewind anbetrifft, so empfahl Thomas in seinem
Patent grosse Düsen von ungefähr 25 mm Durchmesser. In den
meisten deutschen Werken machte man aber die Düsen nur halb so
weit und vermehrte dafür ihre Anzahl. Dagegen erhöhte man all-
gemein die Pressung des Windes, um den basischen Prozess ebenso
rasch wie den sauren durchzuführen. Bei letzterem hatte die Pressung
meist 11/2 Atmosphären Überdruck, bei dem Thomasieren steigerte
man denselben auf 2 Atmosphären. Dementsprechend richtete man
die Gebläsemaschinen für stärkeren Druck ein 1). Die Windmenge
bestimmte man aus der Hubzahl der Gebläsemaschinen und richtete
sich besonders beim Nachblasen danach. Man rechnete auf 100 kg
Einsatzeisen 17 cbm Wind. Über die Bessemergebläse haben besonders

1) Vergl. A. Riedler, Das Bessemergebläse in Heft, in der Zeitschr. des
Vereins deutscher Ingenieure 1884, Nr. 1 u. 2.

Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
beschreibung bereits hinwies. Auch empfahl es sich, mehr das Mangan
als den Kohlenstoff als Reduktionsmittel zu verwenden und deshalb
nur sehr manganreiches Spiegeleisen von mindestens 12 Prozent oder
Ferromangan, das bis zu 70 Prozent Mangan enthielt, anzuwenden.
Die Anwendung des Ferromangans war besonders dann vorzuziehen,
wenn man, wie das bald vorherrschend wurde, auf ein möglichst
weiches Produkt hinarbeitete, weil die Rückkohlung durch Ferro-
mangan eine viel schwächere war. Auch konnte man die verhältnis-
mäſsig geringe Menge Ferromangan ohne Schaden in kaltem Zustande
einwerfen. Häufig wendete man Spiegeleisen und Ferromangan an
und kombinierte die beiden Körper je nach der Härte bezw. Weichheit
des zu erzielenden Produktes. Wenn man das Spiegeleisen in festem
Zustande anwendete, so geschah der Zusatz gewöhnlich nicht in der
Birne, sondern in der Gieſspfanne, indem man es auf deren Boden
legte und das Birnenmetall darüber goſs. Ferromangan trug man
dagegen meist, wie das flüssige Spiegeleisen stets, in die Birne ein.

Ein noch geringeres Aufschäumen der Metallmasse erzielt man
durch den Zusatz von Ferro- oder Manganosilicium an Stelle des Ferro-
mangans, und dieses fand in Frankreich (zu Terre-Noire) Anwendung.
Statt Ferrosilicium läſst sich auch siliciumreiches Roheisen, welches
in Hochöfen dargestellt wird, verwenden.

Abfalleisen wird vielfach während des Blasens in die Birne ein-
geworfen, um dasselbe auf billige Weise zu verwerten. Natürlich darf
dadurch die Charge nicht zu sehr abgekühlt werden. In Teplitz
konnte man bei einem Einsatz von 6,5 Tonnen 400 bis 800 kg ein-
werfen.

Was den Gebläsewind anbetrifft, so empfahl Thomas in seinem
Patent groſse Düsen von ungefähr 25 mm Durchmesser. In den
meisten deutschen Werken machte man aber die Düsen nur halb so
weit und vermehrte dafür ihre Anzahl. Dagegen erhöhte man all-
gemein die Pressung des Windes, um den basischen Prozeſs ebenso
rasch wie den sauren durchzuführen. Bei letzterem hatte die Pressung
meist 1½ Atmosphären Überdruck, bei dem Thomasieren steigerte
man denselben auf 2 Atmosphären. Dementsprechend richtete man
die Gebläsemaschinen für stärkeren Druck ein 1). Die Windmenge
bestimmte man aus der Hubzahl der Gebläsemaschinen und richtete
sich besonders beim Nachblasen danach. Man rechnete auf 100 kg
Einsatzeisen 17 cbm Wind. Über die Bessemergebläse haben besonders

1) Vergl. A. Riedler, Das Bessemergebläse in Heft, in der Zeitschr. des
Vereins deutscher Ingenieure 1884, Nr. 1 u. 2.
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[654/0670] Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. beschreibung bereits hinwies. Auch empfahl es sich, mehr das Mangan als den Kohlenstoff als Reduktionsmittel zu verwenden und deshalb nur sehr manganreiches Spiegeleisen von mindestens 12 Prozent oder Ferromangan, das bis zu 70 Prozent Mangan enthielt, anzuwenden. Die Anwendung des Ferromangans war besonders dann vorzuziehen, wenn man, wie das bald vorherrschend wurde, auf ein möglichst weiches Produkt hinarbeitete, weil die Rückkohlung durch Ferro- mangan eine viel schwächere war. Auch konnte man die verhältnis- mäſsig geringe Menge Ferromangan ohne Schaden in kaltem Zustande einwerfen. Häufig wendete man Spiegeleisen und Ferromangan an und kombinierte die beiden Körper je nach der Härte bezw. Weichheit des zu erzielenden Produktes. Wenn man das Spiegeleisen in festem Zustande anwendete, so geschah der Zusatz gewöhnlich nicht in der Birne, sondern in der Gieſspfanne, indem man es auf deren Boden legte und das Birnenmetall darüber goſs. Ferromangan trug man dagegen meist, wie das flüssige Spiegeleisen stets, in die Birne ein. Ein noch geringeres Aufschäumen der Metallmasse erzielt man durch den Zusatz von Ferro- oder Manganosilicium an Stelle des Ferro- mangans, und dieses fand in Frankreich (zu Terre-Noire) Anwendung. Statt Ferrosilicium läſst sich auch siliciumreiches Roheisen, welches in Hochöfen dargestellt wird, verwenden. Abfalleisen wird vielfach während des Blasens in die Birne ein- geworfen, um dasselbe auf billige Weise zu verwerten. Natürlich darf dadurch die Charge nicht zu sehr abgekühlt werden. In Teplitz konnte man bei einem Einsatz von 6,5 Tonnen 400 bis 800 kg ein- werfen. Was den Gebläsewind anbetrifft, so empfahl Thomas in seinem Patent groſse Düsen von ungefähr 25 mm Durchmesser. In den meisten deutschen Werken machte man aber die Düsen nur halb so weit und vermehrte dafür ihre Anzahl. Dagegen erhöhte man all- gemein die Pressung des Windes, um den basischen Prozeſs ebenso rasch wie den sauren durchzuführen. Bei letzterem hatte die Pressung meist 1½ Atmosphären Überdruck, bei dem Thomasieren steigerte man denselben auf 2 Atmosphären. Dementsprechend richtete man die Gebläsemaschinen für stärkeren Druck ein 1). Die Windmenge bestimmte man aus der Hubzahl der Gebläsemaschinen und richtete sich besonders beim Nachblasen danach. Man rechnete auf 100 kg Einsatzeisen 17 cbm Wind. Über die Bessemergebläse haben besonders 1) Vergl. A. Riedler, Das Bessemergebläse in Heft, in der Zeitschr. des Vereins deutscher Ingenieure 1884, Nr. 1 u. 2.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/670>, abgerufen am 16.07.2024.