Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
wurden, haben aber zu keinem Erfolg geführt. Helmholtz in Bochum
gelang zwar die Entphosphorung auf diesem Wege, doch gingen die
Chargen dann so kalt, dass sie oft nicht zu giessen waren.

Thomas fährt in seiner Patentbeschreibung also fort: "Um sich
zu vergewissern, ob beim Eintreten des erwähnten braunen Rauches
der Phosphor nahezu entfernt ist, kann, namentlich wenn die Arbeiter
noch nicht geübt sind, eine Probe Metall aus der Birne genommen
und gehämmert werden. Wenn die Metallprobe hart ist, wird das
Blasen fortgesetzt, so lange, bis später genommene Proben den
richtigen Zeitpunkt angeben. Die Birne wird dann niedergelassen
und das Spiegeleisen zugefügt.

Nach dem bisher üblichen Verfahren der Leitung des Bessemer-
prozesses findet, wenn die Birne nicht niedergelassen und das Blasen,
sobald die Flamme sinkt und die Kohlenstofflinien verschwinden,
nicht eingestellt wird, ein beträchtlicher Metallverlust statt, ohne dass
der Phosphor entfernt wird. Es musste deshalb bisher die Birne
sofort beim Sinken der Flamme niedergelegt werden. Ich (Thomas)
fand dagegen, dass zur vollkommenen Entphosphorung eines phosphor-
haltigen Roheisens das beschriebene Nachblasen von grösstem Vorteile
ist, wenn das Roheisen verblasen wird unter Anwendung einer basisch
ausgekleideten Birne und stark basischer Zuschläge, welche geeignet
sind, eine stark erdbasische Schlacke in der beschriebenen Art und
Weise zu erzeugen. Bei diesem Verfahren findet kein beachtens-
werter Eisenverlust statt, da das Eisen unter den beschriebenen Um-
ständen durch den Phosphor geschützt wird.

Diese Erfindung ist besonders bei Verarbeitung von sehr phosphor-
haltigem Roheisen anzuwenden, namentlich von solchem, welches über
0,7 Prozent Phosphor enthält."

Ist das Nachblasen beendet, so findet, wie beim Bessemerprozess,
die Reduktion des überblasenen Eisens und die Rückkohlung durch
Zusatz von Spiegeleisen statt. Ehe aber dieser Zusatz erfolgt, giesst
man die phosphorsäurereiche Schlacke ab, weil sonst durch den Kohlen-
stoffgehalt des Spiegeleisens ein Teil der Phosphorsäure der Schlacke
wieder reduziert werden würde.

Wenn man das Spiegeleisen in flüssigem Zustande zusetzte, wie es
beim Bessemerprozess damals allgemein üblich war, und wie es in Hörde
anfangs ausgeführt wurde, so war die Reaktion eine ausserordentlich
heftige, so dass öfters Teile der Charge herausgeschleudert wurden.
Zweckmässiger war es deshalb, das Spiegeleisen in festem, aber
glühendem Zustande einzuwerfen, worauf Thomas in seiner Patent-

Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
wurden, haben aber zu keinem Erfolg geführt. Helmholtz in Bochum
gelang zwar die Entphosphorung auf diesem Wege, doch gingen die
Chargen dann so kalt, daſs sie oft nicht zu gieſsen waren.

Thomas fährt in seiner Patentbeschreibung also fort: „Um sich
zu vergewissern, ob beim Eintreten des erwähnten braunen Rauches
der Phosphor nahezu entfernt ist, kann, namentlich wenn die Arbeiter
noch nicht geübt sind, eine Probe Metall aus der Birne genommen
und gehämmert werden. Wenn die Metallprobe hart ist, wird das
Blasen fortgesetzt, so lange, bis später genommene Proben den
richtigen Zeitpunkt angeben. Die Birne wird dann niedergelassen
und das Spiegeleisen zugefügt.

Nach dem bisher üblichen Verfahren der Leitung des Bessemer-
prozesses findet, wenn die Birne nicht niedergelassen und das Blasen,
sobald die Flamme sinkt und die Kohlenstofflinien verschwinden,
nicht eingestellt wird, ein beträchtlicher Metallverlust statt, ohne daſs
der Phosphor entfernt wird. Es muſste deshalb bisher die Birne
sofort beim Sinken der Flamme niedergelegt werden. Ich (Thomas)
fand dagegen, daſs zur vollkommenen Entphosphorung eines phosphor-
haltigen Roheisens das beschriebene Nachblasen von gröſstem Vorteile
ist, wenn das Roheisen verblasen wird unter Anwendung einer basisch
ausgekleideten Birne und stark basischer Zuschläge, welche geeignet
sind, eine stark erdbasische Schlacke in der beschriebenen Art und
Weise zu erzeugen. Bei diesem Verfahren findet kein beachtens-
werter Eisenverlust statt, da das Eisen unter den beschriebenen Um-
ständen durch den Phosphor geschützt wird.

Diese Erfindung ist besonders bei Verarbeitung von sehr phosphor-
haltigem Roheisen anzuwenden, namentlich von solchem, welches über
0,7 Prozent Phosphor enthält.“

Ist das Nachblasen beendet, so findet, wie beim Bessemerprozeſs,
die Reduktion des überblasenen Eisens und die Rückkohlung durch
Zusatz von Spiegeleisen statt. Ehe aber dieser Zusatz erfolgt, gieſst
man die phosphorsäurereiche Schlacke ab, weil sonst durch den Kohlen-
stoffgehalt des Spiegeleisens ein Teil der Phosphorsäure der Schlacke
wieder reduziert werden würde.

Wenn man das Spiegeleisen in flüssigem Zustande zusetzte, wie es
beim Bessemerprozeſs damals allgemein üblich war, und wie es in Hörde
anfangs ausgeführt wurde, so war die Reaktion eine auſserordentlich
heftige, so daſs öfters Teile der Charge herausgeschleudert wurden.
Zweckmäſsiger war es deshalb, das Spiegeleisen in festem, aber
glühendem Zustande einzuwerfen, worauf Thomas in seiner Patent-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0669" n="653"/><fw place="top" type="header">Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.</fw><lb/>
wurden, haben aber zu keinem Erfolg geführt. <hi rendition="#g">Helmholtz</hi> in Bochum<lb/>
gelang zwar die Entphosphorung auf diesem Wege, doch gingen die<lb/>
Chargen dann so kalt, da&#x017F;s sie oft nicht zu gie&#x017F;sen waren.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Thomas</hi> fährt in seiner Patentbeschreibung also fort: &#x201E;Um sich<lb/>
zu vergewissern, ob beim Eintreten des erwähnten braunen Rauches<lb/>
der Phosphor nahezu entfernt ist, kann, namentlich wenn die Arbeiter<lb/>
noch nicht geübt sind, eine <hi rendition="#g">Probe</hi> Metall aus der Birne genommen<lb/>
und gehämmert werden. Wenn die Metallprobe hart ist, wird das<lb/>
Blasen fortgesetzt, so lange, bis später genommene Proben den<lb/>
richtigen Zeitpunkt angeben. Die Birne wird dann niedergelassen<lb/>
und das Spiegeleisen zugefügt.</p><lb/>
            <p>Nach dem bisher üblichen Verfahren der Leitung des Bessemer-<lb/>
prozesses findet, wenn die Birne nicht niedergelassen und das Blasen,<lb/>
sobald die Flamme sinkt und die Kohlenstofflinien verschwinden,<lb/>
nicht eingestellt wird, ein beträchtlicher Metallverlust statt, ohne da&#x017F;s<lb/>
der Phosphor entfernt wird. Es mu&#x017F;ste deshalb bisher die Birne<lb/>
sofort beim Sinken der Flamme niedergelegt werden. Ich <hi rendition="#g">(Thomas)</hi><lb/>
fand dagegen, da&#x017F;s zur vollkommenen Entphosphorung eines phosphor-<lb/>
haltigen Roheisens das beschriebene Nachblasen von grö&#x017F;stem Vorteile<lb/>
ist, wenn das Roheisen verblasen wird unter Anwendung einer basisch<lb/>
ausgekleideten Birne und stark basischer Zuschläge, welche geeignet<lb/>
sind, eine stark erdbasische Schlacke in der beschriebenen Art und<lb/>
Weise zu erzeugen. Bei diesem Verfahren findet kein beachtens-<lb/>
werter Eisenverlust statt, da das Eisen unter den beschriebenen Um-<lb/>
ständen durch den Phosphor geschützt wird.</p><lb/>
            <p>Diese Erfindung ist besonders bei Verarbeitung von sehr phosphor-<lb/>
haltigem Roheisen anzuwenden, namentlich von solchem, welches über<lb/>
0,7 Prozent Phosphor enthält.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Ist das Nachblasen beendet, so findet, wie beim Bessemerproze&#x017F;s,<lb/>
die Reduktion des überblasenen Eisens und die Rückkohlung durch<lb/>
Zusatz von Spiegeleisen statt. Ehe aber dieser Zusatz erfolgt, gie&#x017F;st<lb/>
man die phosphorsäurereiche Schlacke ab, weil sonst durch den Kohlen-<lb/>
stoffgehalt des Spiegeleisens ein Teil der Phosphorsäure der Schlacke<lb/>
wieder reduziert werden würde.</p><lb/>
            <p>Wenn man das Spiegeleisen in flüssigem Zustande zusetzte, wie es<lb/>
beim Bessemerproze&#x017F;s damals allgemein üblich war, und wie es in Hörde<lb/>
anfangs ausgeführt wurde, so war die Reaktion eine au&#x017F;serordentlich<lb/>
heftige, so da&#x017F;s öfters Teile der Charge herausgeschleudert wurden.<lb/>
Zweckmä&#x017F;siger war es deshalb, das Spiegeleisen in festem, aber<lb/>
glühendem Zustande einzuwerfen, worauf <hi rendition="#g">Thomas</hi> in seiner Patent-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[653/0669] Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. wurden, haben aber zu keinem Erfolg geführt. Helmholtz in Bochum gelang zwar die Entphosphorung auf diesem Wege, doch gingen die Chargen dann so kalt, daſs sie oft nicht zu gieſsen waren. Thomas fährt in seiner Patentbeschreibung also fort: „Um sich zu vergewissern, ob beim Eintreten des erwähnten braunen Rauches der Phosphor nahezu entfernt ist, kann, namentlich wenn die Arbeiter noch nicht geübt sind, eine Probe Metall aus der Birne genommen und gehämmert werden. Wenn die Metallprobe hart ist, wird das Blasen fortgesetzt, so lange, bis später genommene Proben den richtigen Zeitpunkt angeben. Die Birne wird dann niedergelassen und das Spiegeleisen zugefügt. Nach dem bisher üblichen Verfahren der Leitung des Bessemer- prozesses findet, wenn die Birne nicht niedergelassen und das Blasen, sobald die Flamme sinkt und die Kohlenstofflinien verschwinden, nicht eingestellt wird, ein beträchtlicher Metallverlust statt, ohne daſs der Phosphor entfernt wird. Es muſste deshalb bisher die Birne sofort beim Sinken der Flamme niedergelegt werden. Ich (Thomas) fand dagegen, daſs zur vollkommenen Entphosphorung eines phosphor- haltigen Roheisens das beschriebene Nachblasen von gröſstem Vorteile ist, wenn das Roheisen verblasen wird unter Anwendung einer basisch ausgekleideten Birne und stark basischer Zuschläge, welche geeignet sind, eine stark erdbasische Schlacke in der beschriebenen Art und Weise zu erzeugen. Bei diesem Verfahren findet kein beachtens- werter Eisenverlust statt, da das Eisen unter den beschriebenen Um- ständen durch den Phosphor geschützt wird. Diese Erfindung ist besonders bei Verarbeitung von sehr phosphor- haltigem Roheisen anzuwenden, namentlich von solchem, welches über 0,7 Prozent Phosphor enthält.“ Ist das Nachblasen beendet, so findet, wie beim Bessemerprozeſs, die Reduktion des überblasenen Eisens und die Rückkohlung durch Zusatz von Spiegeleisen statt. Ehe aber dieser Zusatz erfolgt, gieſst man die phosphorsäurereiche Schlacke ab, weil sonst durch den Kohlen- stoffgehalt des Spiegeleisens ein Teil der Phosphorsäure der Schlacke wieder reduziert werden würde. Wenn man das Spiegeleisen in flüssigem Zustande zusetzte, wie es beim Bessemerprozeſs damals allgemein üblich war, und wie es in Hörde anfangs ausgeführt wurde, so war die Reaktion eine auſserordentlich heftige, so daſs öfters Teile der Charge herausgeschleudert wurden. Zweckmäſsiger war es deshalb, das Spiegeleisen in festem, aber glühendem Zustande einzuwerfen, worauf Thomas in seiner Patent-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/669
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/669>, abgerufen am 16.07.2024.