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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Gilchrist angestellt, der erste durchschlagende Erfolg hiermit wurde
aber in Westdeutschland zu Hörde und den rheinischen Stahl-
werken bei Ruhrort-Meiderich, wo am 22. September die ersten
Chargen erblasen wurden, erzielt. Es geschah dies unter Anwendung
eines Dolomitfutters und phosphorreichen Roheisens aus Luxemburg
und von Ilsede. Direktor Massenez und Oberingenieur Pink zu
Hörde und Gustav Pasteur zu Ruhrort gebührt das Verdienst für
die gelungene Durchführung. Beide Werke hatten gemeinschaftlich
die Patente von Thomas und Gilchrist für Deutschland erworben
in der Weise, dass sie gewissermassen die Generalagenten der Erfinder
für Deutschland wurden.

Wir wollen nun kurz die Entwickelung des Prozesses nach den
drei Hauptmerkmalen, dem basischen Futter, den Zuschlägen und dem
Nachblasen, betrachten, um dann die Fortschritte der Theorie des
Prozesses und seine technische Ausgestaltung weiter zu verfolgen.

Die Thomasbirne war dieselbe wie die Bessemerbirne und darin
lag ein grosser Vorteil, weil man die in den Bessemerstahlwerken vor-
handenen Einrichtungen unverändert für den neuen Prozess verwenden
konnte. Es zeigte sich allerdings bald als zweckmässig, grosse Konverter
zu benutzen, weil die grössere Schlackenmenge viel Raum erforderte,
so dass ein 10-Tonnen-Konverter für das Bessemerverfahren kaum
7 Tonnen Einsatz beim Thomasverfahren gestattete. Aus demselben
Grunde erwies es sich (in Eston) als vorteilhaft, die Birnen hoch
und symmetrisch zu machen, so dass die obere Öffnung in der Mittel-
achse lag. Hierdurch verminderte sich der Verlust durch Heraus-
schleudern, indem die flüssige Masse grösstenteils wieder in die Birne
zurückfiel.

Eigenartig und von grösster Wichtigkeit war die Auskleidung der
Birnen, das basische Futter.

Zunächst kam dabei das Material in Betracht. Hierfür hatte
Thomas, wie (S. 636) erwähnt, zuerst Kalk und Wasserglas vor-
geschlagen, dann aber, durch die Erfahrung belehrt, einem Gemenge
von magnesiahaltigem Kalk mit Thon den Vorzug gegeben. Er erhob
in seinem zweiten Patent vom 5. Oktober 1878 Patentanspruch auf:

1. die Herstellung basischer, feuerfester Ziegel aus magnesiahaltigem
Kalkstein -- mit variabelem Kalk- und Magnesiagehalt -- und
3 bis 41/2 Prozent Thonerde, 5 bis 9 Prozent Kieselsäure und mit
Eisenoxyd bis zu 2 Prozent oder ohne solches; ferner die An-
wendung eines künstlichen Gemenges von Kalk und Magnesia
mit diesen Zusätzen in den angegebenen Verhältnissen;

Beck, Geschichte des Eisens. 41

Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Gilchrist angestellt, der erste durchschlagende Erfolg hiermit wurde
aber in Westdeutschland zu Hörde und den rheinischen Stahl-
werken bei Ruhrort-Meiderich, wo am 22. September die ersten
Chargen erblasen wurden, erzielt. Es geschah dies unter Anwendung
eines Dolomitfutters und phosphorreichen Roheisens aus Luxemburg
und von Ilsede. Direktor Massenez und Oberingenieur Pink zu
Hörde und Gustav Pasteur zu Ruhrort gebührt das Verdienst für
die gelungene Durchführung. Beide Werke hatten gemeinschaftlich
die Patente von Thomas und Gilchrist für Deutschland erworben
in der Weise, daſs sie gewissermaſsen die Generalagenten der Erfinder
für Deutschland wurden.

Wir wollen nun kurz die Entwickelung des Prozesses nach den
drei Hauptmerkmalen, dem basischen Futter, den Zuschlägen und dem
Nachblasen, betrachten, um dann die Fortschritte der Theorie des
Prozesses und seine technische Ausgestaltung weiter zu verfolgen.

Die Thomasbirne war dieselbe wie die Bessemerbirne und darin
lag ein groſser Vorteil, weil man die in den Bessemerstahlwerken vor-
handenen Einrichtungen unverändert für den neuen Prozeſs verwenden
konnte. Es zeigte sich allerdings bald als zweckmäſsig, groſse Konverter
zu benutzen, weil die gröſsere Schlackenmenge viel Raum erforderte,
so daſs ein 10-Tonnen-Konverter für das Bessemerverfahren kaum
7 Tonnen Einsatz beim Thomasverfahren gestattete. Aus demselben
Grunde erwies es sich (in Eston) als vorteilhaft, die Birnen hoch
und symmetrisch zu machen, so daſs die obere Öffnung in der Mittel-
achse lag. Hierdurch verminderte sich der Verlust durch Heraus-
schleudern, indem die flüssige Masse gröſstenteils wieder in die Birne
zurückfiel.

Eigenartig und von gröſster Wichtigkeit war die Auskleidung der
Birnen, das basische Futter.

Zunächst kam dabei das Material in Betracht. Hierfür hatte
Thomas, wie (S. 636) erwähnt, zuerst Kalk und Wasserglas vor-
geschlagen, dann aber, durch die Erfahrung belehrt, einem Gemenge
von magnesiahaltigem Kalk mit Thon den Vorzug gegeben. Er erhob
in seinem zweiten Patent vom 5. Oktober 1878 Patentanspruch auf:

1. die Herstellung basischer, feuerfester Ziegel aus magnesiahaltigem
Kalkstein — mit variabelem Kalk- und Magnesiagehalt — und
3 bis 4½ Prozent Thonerde, 5 bis 9 Prozent Kieselsäure und mit
Eisenoxyd bis zu 2 Prozent oder ohne solches; ferner die An-
wendung eines künstlichen Gemenges von Kalk und Magnesia
mit diesen Zusätzen in den angegebenen Verhältnissen;

Beck, Geschichte des Eisens. 41
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[641/0657] Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Gilchrist angestellt, der erste durchschlagende Erfolg hiermit wurde aber in Westdeutschland zu Hörde und den rheinischen Stahl- werken bei Ruhrort-Meiderich, wo am 22. September die ersten Chargen erblasen wurden, erzielt. Es geschah dies unter Anwendung eines Dolomitfutters und phosphorreichen Roheisens aus Luxemburg und von Ilsede. Direktor Massenez und Oberingenieur Pink zu Hörde und Gustav Pasteur zu Ruhrort gebührt das Verdienst für die gelungene Durchführung. Beide Werke hatten gemeinschaftlich die Patente von Thomas und Gilchrist für Deutschland erworben in der Weise, daſs sie gewissermaſsen die Generalagenten der Erfinder für Deutschland wurden. Wir wollen nun kurz die Entwickelung des Prozesses nach den drei Hauptmerkmalen, dem basischen Futter, den Zuschlägen und dem Nachblasen, betrachten, um dann die Fortschritte der Theorie des Prozesses und seine technische Ausgestaltung weiter zu verfolgen. Die Thomasbirne war dieselbe wie die Bessemerbirne und darin lag ein groſser Vorteil, weil man die in den Bessemerstahlwerken vor- handenen Einrichtungen unverändert für den neuen Prozeſs verwenden konnte. Es zeigte sich allerdings bald als zweckmäſsig, groſse Konverter zu benutzen, weil die gröſsere Schlackenmenge viel Raum erforderte, so daſs ein 10-Tonnen-Konverter für das Bessemerverfahren kaum 7 Tonnen Einsatz beim Thomasverfahren gestattete. Aus demselben Grunde erwies es sich (in Eston) als vorteilhaft, die Birnen hoch und symmetrisch zu machen, so daſs die obere Öffnung in der Mittel- achse lag. Hierdurch verminderte sich der Verlust durch Heraus- schleudern, indem die flüssige Masse gröſstenteils wieder in die Birne zurückfiel. Eigenartig und von gröſster Wichtigkeit war die Auskleidung der Birnen, das basische Futter. Zunächst kam dabei das Material in Betracht. Hierfür hatte Thomas, wie (S. 636) erwähnt, zuerst Kalk und Wasserglas vor- geschlagen, dann aber, durch die Erfahrung belehrt, einem Gemenge von magnesiahaltigem Kalk mit Thon den Vorzug gegeben. Er erhob in seinem zweiten Patent vom 5. Oktober 1878 Patentanspruch auf: 1. die Herstellung basischer, feuerfester Ziegel aus magnesiahaltigem Kalkstein — mit variabelem Kalk- und Magnesiagehalt — und 3 bis 4½ Prozent Thonerde, 5 bis 9 Prozent Kieselsäure und mit Eisenoxyd bis zu 2 Prozent oder ohne solches; ferner die An- wendung eines künstlichen Gemenges von Kalk und Magnesia mit diesen Zusätzen in den angegebenen Verhältnissen; Beck, Geschichte des Eisens. 41

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/657>, abgerufen am 22.11.2024.