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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
findung und Thomas gestand dies als nicht ganz unberechtigt zu
und fand sich mit Snelus auf gütlichem Wege ab. Das hütten-
männische Publikum bekam aber eigentlich erst durch Snelus'
Reklamation Kenntnis von seinen Versuchen.

Knowles schlug am 26. November 1873 eine basische Ausklei-
dung von Bauxit mit Eisen- oder Manganoxyd zur Entphosphorung vor.

Dass der berühmte französische Metallurg Gruner in seinem
Lehrbuch um die Mitte der siebziger Jahre auf die basische Aus-
kleidung der Konverter hingewiesen hatte, haben wir bereits erwähnt.
Er empfahl gebrannten Dolomit mit Thon oder gebranntem Bauxit,
"welcher", wie er sagt, "durch grosse Hitze ein basisches Eisen-
aluminat von Kalk- und Talkerde bildet, das den Vorteil hätte, die
Phosphorsäure aufzunehmen". Im zweiten Bande wies er beim Feinen
wiederholt auf eine basische Auskleidung der Konverter- und Siemens-
öfen zur Entphosphorung hin, indem er hinzufügte: "Hier sowie in der
Anwendung fester Reagentien hat man noch ein weites Feld für die
Untersuchung der Hüttenleute." Trotz alledem gebührt Sidney
Gilchrist Thomas
das unbestrittene Verdienst, zuerst ein brauch-
bares basisches Konverterfutter erfunden und eingeführt zu
haben.

Das basische Futter bildete die Grundlage, war aber doch nur
ein Teil der Erfindung von Thomas, als deren zweites Glied der
reichliche Kalkzuschlag während des Prozesses, um die bei dem
Oxydationsprozess gebildeten verschlackbaren Säuren, Kieselsäure und
Phosphorsäure, zu binden, und als deren drittes das "Nachblasen"
zu bezeichnen ist. Die Wichtigkeit des reichlichen Kalkzuschlages
und des Nachblasens trat erst bei den Versuchen im grossen, welche
Thomas auf dem Estonwerk in einem 10-Tonnen-Konverter im
Winter 1878/79 ausführen durfte, deutlich hervor, und aus diesen
Erfahrungen ist das dritte grundlegende Patent vom 10. April 1879
(D. R. P. Nr. 12700) hervorgegangen. In diesem wird als Patent-
anspruch aufgeführt: "Das Nachblasen nach vollendeter Entkohlung
in Verbindung mit dem Zusatz basischer Substanzen, durch welche
eine erdbasische Schlacke erzeugt wird, bei der Entphosphorung des
Eisens in einer mit basischem Futter versehenen Bessemerbirne."
Dieses Nachblasen nach der Verbrennung des Kohlenstoffs bewirkt erst
die Entphosphorung des Eisens, die nicht früher eintritt, weil vorher
der Kohlenstoff reduzierend auf sich bildende Phosphorsäure wirkt.

Als hierauf S. G. Thomas am 8. Mai 1879 in der Frühjahrs-
versammlung des Iron and Steel Institute seinen Vortrag über die

Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
findung und Thomas gestand dies als nicht ganz unberechtigt zu
und fand sich mit Snelus auf gütlichem Wege ab. Das hütten-
männische Publikum bekam aber eigentlich erst durch Snelus
Reklamation Kenntnis von seinen Versuchen.

Knowles schlug am 26. November 1873 eine basische Ausklei-
dung von Bauxit mit Eisen- oder Manganoxyd zur Entphosphorung vor.

Daſs der berühmte französische Metallurg Gruner in seinem
Lehrbuch um die Mitte der siebziger Jahre auf die basische Aus-
kleidung der Konverter hingewiesen hatte, haben wir bereits erwähnt.
Er empfahl gebrannten Dolomit mit Thon oder gebranntem Bauxit,
„welcher“, wie er sagt, „durch groſse Hitze ein basisches Eisen-
aluminat von Kalk- und Talkerde bildet, das den Vorteil hätte, die
Phosphorsäure aufzunehmen“. Im zweiten Bande wies er beim Feinen
wiederholt auf eine basische Auskleidung der Konverter- und Siemens-
öfen zur Entphosphorung hin, indem er hinzufügte: „Hier sowie in der
Anwendung fester Reagentien hat man noch ein weites Feld für die
Untersuchung der Hüttenleute.“ Trotz alledem gebührt Sidney
Gilchrist Thomas
das unbestrittene Verdienst, zuerst ein brauch-
bares basisches Konverterfutter erfunden und eingeführt zu
haben.

Das basische Futter bildete die Grundlage, war aber doch nur
ein Teil der Erfindung von Thomas, als deren zweites Glied der
reichliche Kalkzuschlag während des Prozesses, um die bei dem
Oxydationsprozeſs gebildeten verschlackbaren Säuren, Kieselsäure und
Phosphorsäure, zu binden, und als deren drittes das „Nachblasen
zu bezeichnen ist. Die Wichtigkeit des reichlichen Kalkzuschlages
und des Nachblasens trat erst bei den Versuchen im groſsen, welche
Thomas auf dem Estonwerk in einem 10-Tonnen-Konverter im
Winter 1878/79 ausführen durfte, deutlich hervor, und aus diesen
Erfahrungen ist das dritte grundlegende Patent vom 10. April 1879
(D. R. P. Nr. 12700) hervorgegangen. In diesem wird als Patent-
anspruch aufgeführt: „Das Nachblasen nach vollendeter Entkohlung
in Verbindung mit dem Zusatz basischer Substanzen, durch welche
eine erdbasische Schlacke erzeugt wird, bei der Entphosphorung des
Eisens in einer mit basischem Futter versehenen Bessemerbirne.“
Dieses Nachblasen nach der Verbrennung des Kohlenstoffs bewirkt erst
die Entphosphorung des Eisens, die nicht früher eintritt, weil vorher
der Kohlenstoff reduzierend auf sich bildende Phosphorsäure wirkt.

Als hierauf S. G. Thomas am 8. Mai 1879 in der Frühjahrs-
versammlung des Iron and Steel Institute seinen Vortrag über die

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[639/0655] Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. findung und Thomas gestand dies als nicht ganz unberechtigt zu und fand sich mit Snelus auf gütlichem Wege ab. Das hütten- männische Publikum bekam aber eigentlich erst durch Snelus’ Reklamation Kenntnis von seinen Versuchen. Knowles schlug am 26. November 1873 eine basische Ausklei- dung von Bauxit mit Eisen- oder Manganoxyd zur Entphosphorung vor. Daſs der berühmte französische Metallurg Gruner in seinem Lehrbuch um die Mitte der siebziger Jahre auf die basische Aus- kleidung der Konverter hingewiesen hatte, haben wir bereits erwähnt. Er empfahl gebrannten Dolomit mit Thon oder gebranntem Bauxit, „welcher“, wie er sagt, „durch groſse Hitze ein basisches Eisen- aluminat von Kalk- und Talkerde bildet, das den Vorteil hätte, die Phosphorsäure aufzunehmen“. Im zweiten Bande wies er beim Feinen wiederholt auf eine basische Auskleidung der Konverter- und Siemens- öfen zur Entphosphorung hin, indem er hinzufügte: „Hier sowie in der Anwendung fester Reagentien hat man noch ein weites Feld für die Untersuchung der Hüttenleute.“ Trotz alledem gebührt Sidney Gilchrist Thomas das unbestrittene Verdienst, zuerst ein brauch- bares basisches Konverterfutter erfunden und eingeführt zu haben. Das basische Futter bildete die Grundlage, war aber doch nur ein Teil der Erfindung von Thomas, als deren zweites Glied der reichliche Kalkzuschlag während des Prozesses, um die bei dem Oxydationsprozeſs gebildeten verschlackbaren Säuren, Kieselsäure und Phosphorsäure, zu binden, und als deren drittes das „Nachblasen“ zu bezeichnen ist. Die Wichtigkeit des reichlichen Kalkzuschlages und des Nachblasens trat erst bei den Versuchen im groſsen, welche Thomas auf dem Estonwerk in einem 10-Tonnen-Konverter im Winter 1878/79 ausführen durfte, deutlich hervor, und aus diesen Erfahrungen ist das dritte grundlegende Patent vom 10. April 1879 (D. R. P. Nr. 12700) hervorgegangen. In diesem wird als Patent- anspruch aufgeführt: „Das Nachblasen nach vollendeter Entkohlung in Verbindung mit dem Zusatz basischer Substanzen, durch welche eine erdbasische Schlacke erzeugt wird, bei der Entphosphorung des Eisens in einer mit basischem Futter versehenen Bessemerbirne.“ Dieses Nachblasen nach der Verbrennung des Kohlenstoffs bewirkt erst die Entphosphorung des Eisens, die nicht früher eintritt, weil vorher der Kohlenstoff reduzierend auf sich bildende Phosphorsäure wirkt. Als hierauf S. G. Thomas am 8. Mai 1879 in der Frühjahrs- versammlung des Iron and Steel Institute seinen Vortrag über die

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/655>, abgerufen am 22.11.2024.