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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
unvollkommenen Apparaten, im Jahre 1876 an. Der 1877 erschienene
zweite Band von Gruners Metallurgie, worin der nachteilige Einfluss
der kieselsauren Schlacke auf die Abscheidung der Phosphorsäure
besonders hervorgehoben ist, bestärkte ihn in seiner Arbeit. Im Herbst
1877 stellte er mit einem kleinen, von ihm konstruierten Konverter,
der 6 Pfund fasste, mit einem Futter aus Ätzkalk und Wasser-
glas
Versuche an. Nachdem diese befriedigend ausgefallen waren,
strebte er danach, seine Versuche in grösserem Massstabe zu wieder-
holen. Zu diesem Zwecke wendete er sich an seinen Vetter Percy
C. Gilchrist
, Chemiker auf dem Bleanavon-Eisenhüttenwerk in Süd-
wales. Dieser erwirkte von dem Leiter des Werkes Martin, der die
Bedeutung der Versuche der jungen Hüttenleute erkannte, die Er-
laubnis, einen vorhandenen kleinen Konverter, der 3 bis 4 Centner
fasste, für ihre Versuche benutzen zu dürfen. Diese bestätigten den
günstigen Erfolg der Laboratoriumsversuche 1), und nun meldete
Thomas sein erstes Patent an, welches ihm zu Anfang 1878 erteilt
wurde. Am 26. März 1878 erhielt er sein erstes deutsches Reichs-
patent (Nr. 6080). Der Grundgedanke dieser Patente ist die An-
wendung von Wasserglas von 1,5 specifischem Gewicht zur Her-
stellung eines haltbaren, basischen Konverterfutters. Hierzu soll 2) ge-
wöhnlicher gemahlener Kalk, möglichst frei von Phosphorsäure, mit 5 bis
15 Gewichtsteilen einer Lösung von Wasserglas (Natrium- oder Kalium-
silikat) -- oder mit ungefähr derselben Menge Thon oder Thonschiefer
-- oder mit 10 bis 12 Prozent gemahlener Hochofen- oder Erzschlacke
gemengt werden. Portlandcement oder jeder andere hydraulische
Kalk oder irgend ein natürliches Magnesiasilikat kann ebenfalls als
Bindemittel benutzt werden. Eine Mischung von 3 Tln. Kalk und
2 Tln. Portlandcement sei für sehr zweckentsprechend gefunden
worden. Magnesiakalkstein, Magnesia, kohlensaure Magnesia, Kalk
oder kohlensaures Baryt können in diesen Mischungen an Stelle des
Kalksteins eingeführt werden, wenn auch Kalkstein für gewöhnlich
vorzuziehen ist. Als besonders zweckmässig wird eine Mischung von
80 bis 88 Tln. Kalk mit 5 Tln. einer Natronsilikatlösung und 10 Tln.
Thon oder Hochofenschlacke empfohlen. "Kalkarten, welche von
Natur aus genügende Mengen Kieselsäure und Thonerde enthalten,
um als Bindemittel zu wirken, können manchmal allein oder, falls sie

1) Siehe Iron 1878, Nr. 331, vom 11. Mai; von Ehrenwerth in Österreich.
Zeitsch. für Berg- und Hüttenwesen 1879, S. 277 etc.
2) Siehe Wedding, Die Darstellung des schmiedbaren Eisens, I. Ergänzungs-
band 1884, S. 32.

Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
unvollkommenen Apparaten, im Jahre 1876 an. Der 1877 erschienene
zweite Band von Gruners Metallurgie, worin der nachteilige Einfluſs
der kieselsauren Schlacke auf die Abscheidung der Phosphorsäure
besonders hervorgehoben ist, bestärkte ihn in seiner Arbeit. Im Herbst
1877 stellte er mit einem kleinen, von ihm konstruierten Konverter,
der 6 Pfund faſste, mit einem Futter aus Ätzkalk und Wasser-
glas
Versuche an. Nachdem diese befriedigend ausgefallen waren,
strebte er danach, seine Versuche in gröſserem Maſsstabe zu wieder-
holen. Zu diesem Zwecke wendete er sich an seinen Vetter Percy
C. Gilchrist
, Chemiker auf dem Bleanavon-Eisenhüttenwerk in Süd-
wales. Dieser erwirkte von dem Leiter des Werkes Martin, der die
Bedeutung der Versuche der jungen Hüttenleute erkannte, die Er-
laubnis, einen vorhandenen kleinen Konverter, der 3 bis 4 Centner
faſste, für ihre Versuche benutzen zu dürfen. Diese bestätigten den
günstigen Erfolg der Laboratoriumsversuche 1), und nun meldete
Thomas sein erstes Patent an, welches ihm zu Anfang 1878 erteilt
wurde. Am 26. März 1878 erhielt er sein erstes deutsches Reichs-
patent (Nr. 6080). Der Grundgedanke dieser Patente ist die An-
wendung von Wasserglas von 1,5 specifischem Gewicht zur Her-
stellung eines haltbaren, basischen Konverterfutters. Hierzu soll 2) ge-
wöhnlicher gemahlener Kalk, möglichst frei von Phosphorsäure, mit 5 bis
15 Gewichtsteilen einer Lösung von Wasserglas (Natrium- oder Kalium-
silikat) — oder mit ungefähr derselben Menge Thon oder Thonschiefer
— oder mit 10 bis 12 Prozent gemahlener Hochofen- oder Erzschlacke
gemengt werden. Portlandcement oder jeder andere hydraulische
Kalk oder irgend ein natürliches Magnesiasilikat kann ebenfalls als
Bindemittel benutzt werden. Eine Mischung von 3 Tln. Kalk und
2 Tln. Portlandcement sei für sehr zweckentsprechend gefunden
worden. Magnesiakalkstein, Magnesia, kohlensaure Magnesia, Kalk
oder kohlensaures Baryt können in diesen Mischungen an Stelle des
Kalksteins eingeführt werden, wenn auch Kalkstein für gewöhnlich
vorzuziehen ist. Als besonders zweckmäſsig wird eine Mischung von
80 bis 88 Tln. Kalk mit 5 Tln. einer Natronsilikatlösung und 10 Tln.
Thon oder Hochofenschlacke empfohlen. „Kalkarten, welche von
Natur aus genügende Mengen Kieselsäure und Thonerde enthalten,
um als Bindemittel zu wirken, können manchmal allein oder, falls sie

1) Siehe Iron 1878, Nr. 331, vom 11. Mai; von Ehrenwerth in Österreich.
Zeitsch. für Berg- und Hüttenwesen 1879, S. 277 etc.
2) Siehe Wedding, Die Darstellung des schmiedbaren Eisens, I. Ergänzungs-
band 1884, S. 32.
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[636/0652] Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. unvollkommenen Apparaten, im Jahre 1876 an. Der 1877 erschienene zweite Band von Gruners Metallurgie, worin der nachteilige Einfluſs der kieselsauren Schlacke auf die Abscheidung der Phosphorsäure besonders hervorgehoben ist, bestärkte ihn in seiner Arbeit. Im Herbst 1877 stellte er mit einem kleinen, von ihm konstruierten Konverter, der 6 Pfund faſste, mit einem Futter aus Ätzkalk und Wasser- glas Versuche an. Nachdem diese befriedigend ausgefallen waren, strebte er danach, seine Versuche in gröſserem Maſsstabe zu wieder- holen. Zu diesem Zwecke wendete er sich an seinen Vetter Percy C. Gilchrist, Chemiker auf dem Bleanavon-Eisenhüttenwerk in Süd- wales. Dieser erwirkte von dem Leiter des Werkes Martin, der die Bedeutung der Versuche der jungen Hüttenleute erkannte, die Er- laubnis, einen vorhandenen kleinen Konverter, der 3 bis 4 Centner faſste, für ihre Versuche benutzen zu dürfen. Diese bestätigten den günstigen Erfolg der Laboratoriumsversuche 1), und nun meldete Thomas sein erstes Patent an, welches ihm zu Anfang 1878 erteilt wurde. Am 26. März 1878 erhielt er sein erstes deutsches Reichs- patent (Nr. 6080). Der Grundgedanke dieser Patente ist die An- wendung von Wasserglas von 1,5 specifischem Gewicht zur Her- stellung eines haltbaren, basischen Konverterfutters. Hierzu soll 2) ge- wöhnlicher gemahlener Kalk, möglichst frei von Phosphorsäure, mit 5 bis 15 Gewichtsteilen einer Lösung von Wasserglas (Natrium- oder Kalium- silikat) — oder mit ungefähr derselben Menge Thon oder Thonschiefer — oder mit 10 bis 12 Prozent gemahlener Hochofen- oder Erzschlacke gemengt werden. Portlandcement oder jeder andere hydraulische Kalk oder irgend ein natürliches Magnesiasilikat kann ebenfalls als Bindemittel benutzt werden. Eine Mischung von 3 Tln. Kalk und 2 Tln. Portlandcement sei für sehr zweckentsprechend gefunden worden. Magnesiakalkstein, Magnesia, kohlensaure Magnesia, Kalk oder kohlensaures Baryt können in diesen Mischungen an Stelle des Kalksteins eingeführt werden, wenn auch Kalkstein für gewöhnlich vorzuziehen ist. Als besonders zweckmäſsig wird eine Mischung von 80 bis 88 Tln. Kalk mit 5 Tln. einer Natronsilikatlösung und 10 Tln. Thon oder Hochofenschlacke empfohlen. „Kalkarten, welche von Natur aus genügende Mengen Kieselsäure und Thonerde enthalten, um als Bindemittel zu wirken, können manchmal allein oder, falls sie 1) Siehe Iron 1878, Nr. 331, vom 11. Mai; von Ehrenwerth in Österreich. Zeitsch. für Berg- und Hüttenwesen 1879, S. 277 etc. 2) Siehe Wedding, Die Darstellung des schmiedbaren Eisens, I. Ergänzungs- band 1884, S. 32.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/652>, abgerufen am 22.11.2024.