Untersuchung der Gase, welche in dem Stahl aufgelöst ent- halten sind, da dieselben oft die Ursache des Steigens des Stahles in der Gussform und von blasigem und infolgedessen unbrauchbarem oder schlechtem Gusse sind. Dass Eisen Gase auflöst, hatten schon Troost und Hautefeuille nachgewiesen. Über die chemische Natur dieser Gase haben besonders die geistreichen Untersuchungen Dr. Friedr. Müllers (s. S. 352) Licht verbreitet. Er fand, dass die im Bessemerstahl von Osnabrück enthaltenen Gase aus Wasserstoff mit nur ganz wenig Stickstoff bestanden. Kohlenoxydgas war nicht darin. Das im Roheisen aufgelöste Gas zeigt dieselbe Zusammen- setzung. Diese Absorption von Wasserstoffgas tritt erst gegen Ende des Prozesses nach dem Totblasen ein, denn die während des Blasens genommenen Schöpfproben erstarren blasenfrei. Müller nimmt an, dass die reichliche Kohlenoxydentwickelung während des Prozesses die Absorption verhindere oder die gelösten Gase fortführe. Deshalb bewirkt auch die nach dem Zusatz von Spiegeleisen eintretende Reaktion, welche von heftiger Kohlenoxydentwickelung begleitet ist, blasenfreien Guss. War das Eisen nicht totgeblasen, so dass nur wenig Eisenoxydul gelöst war, so trat diese Reaktion nicht energisch genug ein. Silicium, besonders in Verbindung mit Mangan, vermindert die Gasentwickelung.
Ein anderes Mittel, blasenfreien Guss zu erhalten, ist, wie wir wissen, das Giessen unter Druck. Dies beruht aber umgekehrt nicht auf einer Entgasung, sondern darauf, dass das flüssige Metall unter Druck mehr Gas gelöst zu erhalten vermag. Zur Herstellung blasen- freier Bessemerstahlgüsse hat H. R. Jones 1879 den Druck der hydraulischen Presse durch den von Wasserdampf ersetzt. Bei seinen erfolgreichen Versuchen in Pittsburg fand er, dass für gewöhnlichen Schienenstahl ein Druck von 7 kg pro Quadratcentimeter genüge, dass aber ein Druck von 11 kg pro Quadratcentimeter den besten Erfolg zeige.
Die Hauptverwendung des Bessemerstahls war für Eisenbahn- material, namentlich für Schienen, doch kam er auch für Stahlguss mehr und mehr in Aufnahme.
Die amerikanischen Schienen zeigten (1877) ziemlich gleichmässig nachfolgende Zusammensetzung: Kohlenstoff 0,3 bis 0,4, Phosphor 0,09 bis 0,12, Silicium 0,05 bis 0,12, Schwefel 0,04 bis 0,12, Mangan 0,3 bis 0,6. Man bemühte sich, diese Grenzen festzuhalten. Für Kessel- bleche wählte man einen weichen und zähen Stahl mit 0,15 bis 0,20 Prozent Kohlenstoff. Der Kohlenstoffgehalt wurde mit der
Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Untersuchung der Gase, welche in dem Stahl aufgelöst ent- halten sind, da dieselben oft die Ursache des Steigens des Stahles in der Guſsform und von blasigem und infolgedessen unbrauchbarem oder schlechtem Gusse sind. Daſs Eisen Gase auflöst, hatten schon Troost und Hautefeuille nachgewiesen. Über die chemische Natur dieser Gase haben besonders die geistreichen Untersuchungen Dr. Friedr. Müllers (s. S. 352) Licht verbreitet. Er fand, daſs die im Bessemerstahl von Osnabrück enthaltenen Gase aus Wasserstoff mit nur ganz wenig Stickstoff bestanden. Kohlenoxydgas war nicht darin. Das im Roheisen aufgelöste Gas zeigt dieselbe Zusammen- setzung. Diese Absorption von Wasserstoffgas tritt erst gegen Ende des Prozesses nach dem Totblasen ein, denn die während des Blasens genommenen Schöpfproben erstarren blasenfrei. Müller nimmt an, daſs die reichliche Kohlenoxydentwickelung während des Prozesses die Absorption verhindere oder die gelösten Gase fortführe. Deshalb bewirkt auch die nach dem Zusatz von Spiegeleisen eintretende Reaktion, welche von heftiger Kohlenoxydentwickelung begleitet ist, blasenfreien Guſs. War das Eisen nicht totgeblasen, so daſs nur wenig Eisenoxydul gelöst war, so trat diese Reaktion nicht energisch genug ein. Silicium, besonders in Verbindung mit Mangan, vermindert die Gasentwickelung.
Ein anderes Mittel, blasenfreien Guſs zu erhalten, ist, wie wir wissen, das Gieſsen unter Druck. Dies beruht aber umgekehrt nicht auf einer Entgasung, sondern darauf, daſs das flüssige Metall unter Druck mehr Gas gelöst zu erhalten vermag. Zur Herstellung blasen- freier Bessemerstahlgüsse hat H. R. Jones 1879 den Druck der hydraulischen Presse durch den von Wasserdampf ersetzt. Bei seinen erfolgreichen Versuchen in Pittsburg fand er, daſs für gewöhnlichen Schienenstahl ein Druck von 7 kg pro Quadratcentimeter genüge, daſs aber ein Druck von 11 kg pro Quadratcentimeter den besten Erfolg zeige.
Die Hauptverwendung des Bessemerstahls war für Eisenbahn- material, namentlich für Schienen, doch kam er auch für Stahlguſs mehr und mehr in Aufnahme.
Die amerikanischen Schienen zeigten (1877) ziemlich gleichmäſsig nachfolgende Zusammensetzung: Kohlenstoff 0,3 bis 0,4, Phosphor 0,09 bis 0,12, Silicium 0,05 bis 0,12, Schwefel 0,04 bis 0,12, Mangan 0,3 bis 0,6. Man bemühte sich, diese Grenzen festzuhalten. Für Kessel- bleche wählte man einen weichen und zähen Stahl mit 0,15 bis 0,20 Prozent Kohlenstoff. Der Kohlenstoffgehalt wurde mit der
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Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Untersuchung der Gase, welche in dem Stahl aufgelöst ent-
halten sind, da dieselben oft die Ursache des Steigens des Stahles in
der Guſsform und von blasigem und infolgedessen unbrauchbarem
oder schlechtem Gusse sind. Daſs Eisen Gase auflöst, hatten schon
Troost und Hautefeuille nachgewiesen. Über die chemische
Natur dieser Gase haben besonders die geistreichen Untersuchungen
Dr. Friedr. Müllers (s. S. 352) Licht verbreitet. Er fand, daſs die
im Bessemerstahl von Osnabrück enthaltenen Gase aus Wasserstoff
mit nur ganz wenig Stickstoff bestanden. Kohlenoxydgas war nicht
darin. Das im Roheisen aufgelöste Gas zeigt dieselbe Zusammen-
setzung. Diese Absorption von Wasserstoffgas tritt erst gegen Ende
des Prozesses nach dem Totblasen ein, denn die während des Blasens
genommenen Schöpfproben erstarren blasenfrei. Müller nimmt an,
daſs die reichliche Kohlenoxydentwickelung während des Prozesses die
Absorption verhindere oder die gelösten Gase fortführe. Deshalb
bewirkt auch die nach dem Zusatz von Spiegeleisen eintretende
Reaktion, welche von heftiger Kohlenoxydentwickelung begleitet ist,
blasenfreien Guſs. War das Eisen nicht totgeblasen, so daſs nur
wenig Eisenoxydul gelöst war, so trat diese Reaktion nicht energisch
genug ein. Silicium, besonders in Verbindung mit Mangan, vermindert
die Gasentwickelung.
Ein anderes Mittel, blasenfreien Guſs zu erhalten, ist, wie wir
wissen, das Gieſsen unter Druck. Dies beruht aber umgekehrt nicht
auf einer Entgasung, sondern darauf, daſs das flüssige Metall unter
Druck mehr Gas gelöst zu erhalten vermag. Zur Herstellung blasen-
freier Bessemerstahlgüsse hat H. R. Jones 1879 den Druck der
hydraulischen Presse durch den von Wasserdampf ersetzt. Bei seinen
erfolgreichen Versuchen in Pittsburg fand er, daſs für gewöhnlichen
Schienenstahl ein Druck von 7 kg pro Quadratcentimeter genüge,
daſs aber ein Druck von 11 kg pro Quadratcentimeter den besten
Erfolg zeige.
Die Hauptverwendung des Bessemerstahls war für Eisenbahn-
material, namentlich für Schienen, doch kam er auch für Stahlguſs
mehr und mehr in Aufnahme.
Die amerikanischen Schienen zeigten (1877) ziemlich gleichmäſsig
nachfolgende Zusammensetzung: Kohlenstoff 0,3 bis 0,4, Phosphor 0,09
bis 0,12, Silicium 0,05 bis 0,12, Schwefel 0,04 bis 0,12, Mangan 0,3
bis 0,6. Man bemühte sich, diese Grenzen festzuhalten. Für Kessel-
bleche wählte man einen weichen und zähen Stahl mit 0,15 bis
0,20 Prozent Kohlenstoff. Der Kohlenstoffgehalt wurde mit der
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/648>, abgerufen am 22.11.2024.
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