Phosphorgehalt macht den Stahl kalt und kurzbrüchig. War Phosphor nicht zu vermeiden, so musste der Kohlenstoffgehalt möglichst er- niedrigt werden, damit die Sprödigkeit durch den Phosphor nicht noch durch Kohlenstoff vermehrt wurde. Ein Siliciumgehalt bis 0,5 Prozent galt dagegen für den Bessemerstahl nicht als nachteilig, in Neuberg liess man sogar bis 1 Prozent Silicium zu.
Als ein Beispiel des Bessemerbetriebes im Jahre 1875 führen wir Seraing an. Hier wurde das Bessemerroheisen aus algerischen und spanischen Erzen mit 600° C. heissem Winde eingeschmolzen, aus Pfannen in den Konverter gegossen und in 18 bis 22 Minuten ver- blasen. Die Farbe der Schlacken zeigte den Kohlenstoffgehalt an: citronengelb entsprach 0,75 Prozent Kohle, orangegelb 0,60, hellbraun 0,45, dunkelbraun 0,30, und blauschwarz 0,15 Prozent Kohlenstoff im Stahl. Die Ingots wurden glühend aus der Giessgrube unter den Hammer gebracht.
Der hydraulische Betrieb mit Akkumulatoren hatte bereits auf den meisten Bessemerwerken Eingang gefunden. Die Seele des Betriebes bildete der Steuertisch, von dem aus die hydraulischen Be- wegungen der Konverter und der Kräne durch einfache Handhebel geleitet wurden. Es waren dies (nach Alfred Musil) 1. die Bewegung des Ingotkrans, der das Aus- und Einheben der Coquillen und das Ausheben und Fortschaffen der Stahlblöcke besorgte; 2. die des Guss- pfannen- oder Stehkrans, der das flüssige Eisen vom Konverter zu den Coquillen brachte; 3. die der Konverterwendemaschine mit horizontaler oder vertikaler Bewegung; 4. die des Roheisenkrans da, wo das Eisen vom Hochofen oder Kupolofen zum Konverter gehoben werden musste.
Am besten wurden nur die wichtigsten Steuerungen auf dem Steuertisch, der erhöht, geschützt und übersichtlich angelegt werden musste, vereinigt.
Verbesserte Ingotformen wurden 1875 von Morewood und 1876 von Hackney angegeben.
1877 eröffneten die Herrn Bolkow, Vaughan & Co. zu Eston in Cleveland ein neues Bessemerwerk, damals eine der schönsten und grössten Anlagen der Welt. Um diese Zeit bediente man sich auf den West-Cumberland-Werken bereits einer fahrbaren Giesspfanne mit Dampfbetrieb von Snelus, um das Roheisen der Hochöfen unmittelbar nach den Konvertern zu fahren1).
Eigentümlich war zu jener Zeit der Betrieb zu Creuzot. Man
1) Siehe Jeans, Steel, S. 434, Fig. 104.
Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Phosphorgehalt macht den Stahl kalt und kurzbrüchig. War Phosphor nicht zu vermeiden, so muſste der Kohlenstoffgehalt möglichst er- niedrigt werden, damit die Sprödigkeit durch den Phosphor nicht noch durch Kohlenstoff vermehrt wurde. Ein Siliciumgehalt bis 0,5 Prozent galt dagegen für den Bessemerstahl nicht als nachteilig, in Neuberg lieſs man sogar bis 1 Prozent Silicium zu.
Als ein Beispiel des Bessemerbetriebes im Jahre 1875 führen wir Seraing an. Hier wurde das Bessemerroheisen aus algerischen und spanischen Erzen mit 600° C. heiſsem Winde eingeschmolzen, aus Pfannen in den Konverter gegossen und in 18 bis 22 Minuten ver- blasen. Die Farbe der Schlacken zeigte den Kohlenstoffgehalt an: citronengelb entsprach 0,75 Prozent Kohle, orangegelb 0,60, hellbraun 0,45, dunkelbraun 0,30, und blauschwarz 0,15 Prozent Kohlenstoff im Stahl. Die Ingots wurden glühend aus der Gieſsgrube unter den Hammer gebracht.
Der hydraulische Betrieb mit Akkumulatoren hatte bereits auf den meisten Bessemerwerken Eingang gefunden. Die Seele des Betriebes bildete der Steuertisch, von dem aus die hydraulischen Be- wegungen der Konverter und der Kräne durch einfache Handhebel geleitet wurden. Es waren dies (nach Alfred Musil) 1. die Bewegung des Ingotkrans, der das Aus- und Einheben der Coquillen und das Ausheben und Fortschaffen der Stahlblöcke besorgte; 2. die des Guſs- pfannen- oder Stehkrans, der das flüssige Eisen vom Konverter zu den Coquillen brachte; 3. die der Konverterwendemaschine mit horizontaler oder vertikaler Bewegung; 4. die des Roheisenkrans da, wo das Eisen vom Hochofen oder Kupolofen zum Konverter gehoben werden muſste.
Am besten wurden nur die wichtigsten Steuerungen auf dem Steuertisch, der erhöht, geschützt und übersichtlich angelegt werden muſste, vereinigt.
Verbesserte Ingotformen wurden 1875 von Morewood und 1876 von Hackney angegeben.
1877 eröffneten die Herrn Bolkow, Vaughan & Co. zu Eston in Cleveland ein neues Bessemerwerk, damals eine der schönsten und gröſsten Anlagen der Welt. Um diese Zeit bediente man sich auf den West-Cumberland-Werken bereits einer fahrbaren Gieſspfanne mit Dampfbetrieb von Snelus, um das Roheisen der Hochöfen unmittelbar nach den Konvertern zu fahren1).
Eigentümlich war zu jener Zeit der Betrieb zu Creuzot. Man
1) Siehe Jeans, Steel, S. 434, Fig. 104.
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Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
Phosphorgehalt macht den Stahl kalt und kurzbrüchig. War Phosphor
nicht zu vermeiden, so muſste der Kohlenstoffgehalt möglichst er-
niedrigt werden, damit die Sprödigkeit durch den Phosphor nicht
noch durch Kohlenstoff vermehrt wurde. Ein Siliciumgehalt bis
0,5 Prozent galt dagegen für den Bessemerstahl nicht als nachteilig,
in Neuberg lieſs man sogar bis 1 Prozent Silicium zu.
Als ein Beispiel des Bessemerbetriebes im Jahre 1875 führen wir
Seraing an. Hier wurde das Bessemerroheisen aus algerischen und
spanischen Erzen mit 600° C. heiſsem Winde eingeschmolzen, aus
Pfannen in den Konverter gegossen und in 18 bis 22 Minuten ver-
blasen. Die Farbe der Schlacken zeigte den Kohlenstoffgehalt an:
citronengelb entsprach 0,75 Prozent Kohle, orangegelb 0,60, hellbraun
0,45, dunkelbraun 0,30, und blauschwarz 0,15 Prozent Kohlenstoff im
Stahl. Die Ingots wurden glühend aus der Gieſsgrube unter den
Hammer gebracht.
Der hydraulische Betrieb mit Akkumulatoren hatte bereits auf
den meisten Bessemerwerken Eingang gefunden. Die Seele des
Betriebes bildete der Steuertisch, von dem aus die hydraulischen Be-
wegungen der Konverter und der Kräne durch einfache Handhebel
geleitet wurden. Es waren dies (nach Alfred Musil) 1. die Bewegung
des Ingotkrans, der das Aus- und Einheben der Coquillen und das
Ausheben und Fortschaffen der Stahlblöcke besorgte; 2. die des Guſs-
pfannen- oder Stehkrans, der das flüssige Eisen vom Konverter zu den
Coquillen brachte; 3. die der Konverterwendemaschine mit horizontaler
oder vertikaler Bewegung; 4. die des Roheisenkrans da, wo das Eisen
vom Hochofen oder Kupolofen zum Konverter gehoben werden muſste.
Am besten wurden nur die wichtigsten Steuerungen auf dem
Steuertisch, der erhöht, geschützt und übersichtlich angelegt werden
muſste, vereinigt.
Verbesserte Ingotformen wurden 1875 von Morewood und 1876
von Hackney angegeben.
1877 eröffneten die Herrn Bolkow, Vaughan & Co. zu Eston
in Cleveland ein neues Bessemerwerk, damals eine der schönsten und
gröſsten Anlagen der Welt. Um diese Zeit bediente man sich auf
den West-Cumberland-Werken bereits einer fahrbaren Gieſspfanne
mit Dampfbetrieb von Snelus, um das Roheisen der Hochöfen
unmittelbar nach den Konvertern zu fahren 1).
Eigentümlich war zu jener Zeit der Betrieb zu Creuzot. Man
1) Siehe Jeans, Steel, S. 434, Fig. 104.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/642>, abgerufen am 22.11.2024.
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