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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Vorarbeiten zu den Frischprozessen.

Seit der Einführung des Thomasverfahrens wendete man der
Entschweflung des Roheisens, welche man bis dahin durch hohen
Kalkzuschlag im Hochofen oder gleichzeitig mit der Entphosphorung
erstrebt hatte, besondere Aufmerksamkeit zu, weil die Abscheidung
des Schwefels beim Thomasieren nur eine unvollkommene war. Infolge
dessen bildeten sich auch für diesen Zweck besondere vorbereitende
Reinigungsprozesse, die dem eigentlichen Frischen vorausgingen, aus.
Auch hierbei waren es wieder besonders zwei Verfahren, die eine
praktische Wichtigkeit erlangt haben, die Entschweflung von Rollet
(1881) und die des Hörder Bergwerks- und Hüttenvereins im so-
genannten "Mischer".

Antoine Rollet zu Creuzot führte 1881 sein Entschweflungs-
verfahren (D. R. P. Nr. 14647), welches auf der Einwirkung einer sehr
kalkreichen Schlacke bei hoher Temperatur begründet war, auf dem
Eisenwerk Givors in Frankreich ein. Er schmolz das Roheisen in
einem mit basischem Futter ausgekleideten Kupolofen unter Zuschlag
von Kalk oder Dolomit und Flussspat, um erstere flüssig zu machen,
ein. In der Folge 1) versah er den Kupolofen mit mehreren Reihen
Formen übereinander, von denen die unteren in den Herd geneigt
waren. Er kleidete den Ofen mit einem Magnesitfutter aus und
erhitzte den Wind auf 400° C. Hierbei erhielt er in 24 Stunden 60
bis 75 Tonnen gereinigtes Eisen von weissem Bruch und poröser,
schwammiger Textur. Die dabei fallende gelblich-weisse Schlacke
enthielt bis zu 90 Prozent des in dem Roheisen enthaltenen Phosphors
als Phosphorsäure und einen grossen Teil des Schwefels als Schwefel-
metall. Das kohlenstoffarme gereinigte Produkt wurde im sauren
Herdofen anderem Roheisen zugesetzt und zu Flusseisen oder im
Puddelofen zu Schweisseisen verarbeitet. Nach Rollet konnte man
auch die Reinigung im Flammofen unmittelbar vornehmen, musste
dann aber die phosphor- und schwefelhaltige Schlacke vor Eintritt
der Entkohlung entfernen.

Das Hörder Verfahren der Abscheidung des Schwefels, auf welches
der Hörder Bergwerks- und Hüttenverein am 20. Mai 1890 ein Patent
(D. R. P. Nr. 54976) erhielt, beruht auf der Wirkung des Mangans
auf Schwefeleisen. Mischt man schwefelhaltiges Roheisen mit mangan-
haltigem, so scheidet sich bei längerem Stehen eine schwefel- und
manganreiche Schlacke ab.


1) Vortrag von Rollet bei dem Meeting des Eisen- und Stahl-Instituts in
London, Mai 1890; siehe Stahl und Eisen 1890, S. 516.
Vorarbeiten zu den Frischprozessen.

Seit der Einführung des Thomasverfahrens wendete man der
Entschweflung des Roheisens, welche man bis dahin durch hohen
Kalkzuschlag im Hochofen oder gleichzeitig mit der Entphosphorung
erstrebt hatte, besondere Aufmerksamkeit zu, weil die Abscheidung
des Schwefels beim Thomasieren nur eine unvollkommene war. Infolge
dessen bildeten sich auch für diesen Zweck besondere vorbereitende
Reinigungsprozesse, die dem eigentlichen Frischen vorausgingen, aus.
Auch hierbei waren es wieder besonders zwei Verfahren, die eine
praktische Wichtigkeit erlangt haben, die Entschweflung von Rollet
(1881) und die des Hörder Bergwerks- und Hüttenvereins im so-
genannten „Mischer“.

Antoine Rollet zu Creuzot führte 1881 sein Entschweflungs-
verfahren (D. R. P. Nr. 14647), welches auf der Einwirkung einer sehr
kalkreichen Schlacke bei hoher Temperatur begründet war, auf dem
Eisenwerk Givors in Frankreich ein. Er schmolz das Roheisen in
einem mit basischem Futter ausgekleideten Kupolofen unter Zuschlag
von Kalk oder Dolomit und Fluſsspat, um erstere flüssig zu machen,
ein. In der Folge 1) versah er den Kupolofen mit mehreren Reihen
Formen übereinander, von denen die unteren in den Herd geneigt
waren. Er kleidete den Ofen mit einem Magnesitfutter aus und
erhitzte den Wind auf 400° C. Hierbei erhielt er in 24 Stunden 60
bis 75 Tonnen gereinigtes Eisen von weiſsem Bruch und poröser,
schwammiger Textur. Die dabei fallende gelblich-weiſse Schlacke
enthielt bis zu 90 Prozent des in dem Roheisen enthaltenen Phosphors
als Phosphorsäure und einen groſsen Teil des Schwefels als Schwefel-
metall. Das kohlenstoffarme gereinigte Produkt wurde im sauren
Herdofen anderem Roheisen zugesetzt und zu Fluſseisen oder im
Puddelofen zu Schweiſseisen verarbeitet. Nach Rollet konnte man
auch die Reinigung im Flammofen unmittelbar vornehmen, muſste
dann aber die phosphor- und schwefelhaltige Schlacke vor Eintritt
der Entkohlung entfernen.

Das Hörder Verfahren der Abscheidung des Schwefels, auf welches
der Hörder Bergwerks- und Hüttenverein am 20. Mai 1890 ein Patent
(D. R. P. Nr. 54976) erhielt, beruht auf der Wirkung des Mangans
auf Schwefeleisen. Mischt man schwefelhaltiges Roheisen mit mangan-
haltigem, so scheidet sich bei längerem Stehen eine schwefel- und
manganreiche Schlacke ab.


1) Vortrag von Rollet bei dem Meeting des Eisen- und Stahl-Instituts in
London, Mai 1890; siehe Stahl und Eisen 1890, S. 516.
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[583/0599] Vorarbeiten zu den Frischprozessen. Seit der Einführung des Thomasverfahrens wendete man der Entschweflung des Roheisens, welche man bis dahin durch hohen Kalkzuschlag im Hochofen oder gleichzeitig mit der Entphosphorung erstrebt hatte, besondere Aufmerksamkeit zu, weil die Abscheidung des Schwefels beim Thomasieren nur eine unvollkommene war. Infolge dessen bildeten sich auch für diesen Zweck besondere vorbereitende Reinigungsprozesse, die dem eigentlichen Frischen vorausgingen, aus. Auch hierbei waren es wieder besonders zwei Verfahren, die eine praktische Wichtigkeit erlangt haben, die Entschweflung von Rollet (1881) und die des Hörder Bergwerks- und Hüttenvereins im so- genannten „Mischer“. Antoine Rollet zu Creuzot führte 1881 sein Entschweflungs- verfahren (D. R. P. Nr. 14647), welches auf der Einwirkung einer sehr kalkreichen Schlacke bei hoher Temperatur begründet war, auf dem Eisenwerk Givors in Frankreich ein. Er schmolz das Roheisen in einem mit basischem Futter ausgekleideten Kupolofen unter Zuschlag von Kalk oder Dolomit und Fluſsspat, um erstere flüssig zu machen, ein. In der Folge 1) versah er den Kupolofen mit mehreren Reihen Formen übereinander, von denen die unteren in den Herd geneigt waren. Er kleidete den Ofen mit einem Magnesitfutter aus und erhitzte den Wind auf 400° C. Hierbei erhielt er in 24 Stunden 60 bis 75 Tonnen gereinigtes Eisen von weiſsem Bruch und poröser, schwammiger Textur. Die dabei fallende gelblich-weiſse Schlacke enthielt bis zu 90 Prozent des in dem Roheisen enthaltenen Phosphors als Phosphorsäure und einen groſsen Teil des Schwefels als Schwefel- metall. Das kohlenstoffarme gereinigte Produkt wurde im sauren Herdofen anderem Roheisen zugesetzt und zu Fluſseisen oder im Puddelofen zu Schweiſseisen verarbeitet. Nach Rollet konnte man auch die Reinigung im Flammofen unmittelbar vornehmen, muſste dann aber die phosphor- und schwefelhaltige Schlacke vor Eintritt der Entkohlung entfernen. Das Hörder Verfahren der Abscheidung des Schwefels, auf welches der Hörder Bergwerks- und Hüttenverein am 20. Mai 1890 ein Patent (D. R. P. Nr. 54976) erhielt, beruht auf der Wirkung des Mangans auf Schwefeleisen. Mischt man schwefelhaltiges Roheisen mit mangan- haltigem, so scheidet sich bei längerem Stehen eine schwefel- und manganreiche Schlacke ab. 1) Vortrag von Rollet bei dem Meeting des Eisen- und Stahl-Instituts in London, Mai 1890; siehe Stahl und Eisen 1890, S. 516.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/599>, abgerufen am 16.07.2024.