keiten des Hochofenbetriebes unabhängig zu sein, mischte er graues und weisses Roheisen und schmolz dasselbe in Kupolöfen um. Für den Guss der Panzerplatten benutzte er Sammelbassins, aus denen er es in die in grossen Dammgruben eingebauten Formen abstach. Die chemische Zusammensetzung von gutem Hartguss schwankt in engen Grenzen und zwar beträgt nach Ledebur1):
der Kohlenstoffgehalt 2,5 bis 3,8 Prozent
" Siliciumgehalt 0,7 " 0,8 "
" Mangangehalt 0,2 " 0,5 "
Unter Stahlguss wird zwar in Preussen nach einem Erlass des Arbeitsministers vom 29. Januar 1889 der Guss verstanden, der aus Roheisen unter Zusatz von Stahlabfällen erzeugt ist, dessen Substanz also kein Stahl, sondern ein durch geringen Kohlenstoffgehalt hartes Eisen ist; in der Praxis versteht man aber darunter alle aus Stahl gegossenen Waren, sowohl Tiegelstahl- als Flussstahlwaren. Über diese wie über den Mitisguss werden wir später berichten.
Hier wollen wir dagegen noch über die Fortschritte des schmied- baren Gusses sprechen, da dieser in der Regel aus Roheisen ge- gossen wird und erst durch eine Nachbehandlung in seinem Stoff verändert wird. Die Herstellung desselben hatte auch auf dem europäischen Kontinent eine grosse Ausdehnung gewonnen und be- deutende Verbesserungen erfahren. Von dem Aberglauben, dass sich nur das Cumberlander Hämatitroheisen für schmiedbares Eisen eigne, war man schon vor den siebziger Jahren abgekommen. Doch verlangte Brüll noch von dem zu verwendenden Roheisen eine Nei- gung, Stahl zu bilden (propension aciereuse). Mallet behauptete, jedes weisse Roheisen, auch das gefeinte, sei dafür geeignet. Letzteres ist aber doch nicht der Fall, weil es dickflüssig ist und sich schlecht ver- giessen lässt. Die erstere Behauptung geht aber ebenfalls zu weit, indem nur weisse Roheisensorten von einer gewissen chemischen Mischung verwendbar sind; vor allem dürfen dieselben nur eine geringe Bei- mengung von Mangan -- nach Ledebur nicht über 0,40 Prozent -- enthalten, weil dieses die Entkohlung durch Glühen sehr erschwert. Über den chemischen Vorgang beim Aducieren ist durch die Unter- suchungen des Amerikaners Davenport2) im Jahre 1871 Licht ver- breitet worden. Er fand folgende Veränderungen:
1) Siehe Ledebur, Handbuch etc., S. 356; Stahl und Eisen 1891, S. 733.
2) Siehe Mechanics Magazine 1872, S. 392.
Die Eisengieſserei seit 1870.
keiten des Hochofenbetriebes unabhängig zu sein, mischte er graues und weiſses Roheisen und schmolz dasselbe in Kupolöfen um. Für den Guſs der Panzerplatten benutzte er Sammelbassins, aus denen er es in die in groſsen Dammgruben eingebauten Formen abstach. Die chemische Zusammensetzung von gutem Hartguſs schwankt in engen Grenzen und zwar beträgt nach Ledebur1):
der Kohlenstoffgehalt 2,5 bis 3,8 Prozent
„ Siliciumgehalt 0,7 „ 0,8 „
„ Mangangehalt 0,2 „ 0,5 „
Unter Stahlguſs wird zwar in Preuſsen nach einem Erlaſs des Arbeitsministers vom 29. Januar 1889 der Guſs verstanden, der aus Roheisen unter Zusatz von Stahlabfällen erzeugt ist, dessen Substanz also kein Stahl, sondern ein durch geringen Kohlenstoffgehalt hartes Eisen ist; in der Praxis versteht man aber darunter alle aus Stahl gegossenen Waren, sowohl Tiegelstahl- als Fluſsstahlwaren. Über diese wie über den Mitisguſs werden wir später berichten.
Hier wollen wir dagegen noch über die Fortschritte des schmied- baren Gusses sprechen, da dieser in der Regel aus Roheisen ge- gossen wird und erst durch eine Nachbehandlung in seinem Stoff verändert wird. Die Herstellung desselben hatte auch auf dem europäischen Kontinent eine groſse Ausdehnung gewonnen und be- deutende Verbesserungen erfahren. Von dem Aberglauben, daſs sich nur das Cumberlander Hämatitroheisen für schmiedbares Eisen eigne, war man schon vor den siebziger Jahren abgekommen. Doch verlangte Brüll noch von dem zu verwendenden Roheisen eine Nei- gung, Stahl zu bilden (propension aciéreuse). Mallet behauptete, jedes weiſse Roheisen, auch das gefeinte, sei dafür geeignet. Letzteres ist aber doch nicht der Fall, weil es dickflüssig ist und sich schlecht ver- gieſsen läſst. Die erstere Behauptung geht aber ebenfalls zu weit, indem nur weiſse Roheisensorten von einer gewissen chemischen Mischung verwendbar sind; vor allem dürfen dieselben nur eine geringe Bei- mengung von Mangan — nach Ledebur nicht über 0,40 Prozent — enthalten, weil dieses die Entkohlung durch Glühen sehr erschwert. Über den chemischen Vorgang beim Aducieren ist durch die Unter- suchungen des Amerikaners Davenport2) im Jahre 1871 Licht ver- breitet worden. Er fand folgende Veränderungen:
1) Siehe Ledebur, Handbuch etc., S. 356; Stahl und Eisen 1891, S. 733.
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Die Eisengieſserei seit 1870.
keiten des Hochofenbetriebes unabhängig zu sein, mischte er graues
und weiſses Roheisen und schmolz dasselbe in Kupolöfen um. Für
den Guſs der Panzerplatten benutzte er Sammelbassins, aus denen er
es in die in groſsen Dammgruben eingebauten Formen abstach. Die
chemische Zusammensetzung von gutem Hartguſs schwankt in engen
Grenzen und zwar beträgt nach Ledebur 1):
der Kohlenstoffgehalt 2,5 bis 3,8 Prozent
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Arbeitsministers vom 29. Januar 1889 der Guſs verstanden, der aus
Roheisen unter Zusatz von Stahlabfällen erzeugt ist, dessen Substanz
also kein Stahl, sondern ein durch geringen Kohlenstoffgehalt hartes
Eisen ist; in der Praxis versteht man aber darunter alle aus Stahl
gegossenen Waren, sowohl Tiegelstahl- als Fluſsstahlwaren. Über
diese wie über den Mitisguſs werden wir später berichten.
Hier wollen wir dagegen noch über die Fortschritte des schmied-
baren Gusses sprechen, da dieser in der Regel aus Roheisen ge-
gossen wird und erst durch eine Nachbehandlung in seinem Stoff
verändert wird. Die Herstellung desselben hatte auch auf dem
europäischen Kontinent eine groſse Ausdehnung gewonnen und be-
deutende Verbesserungen erfahren. Von dem Aberglauben, daſs
sich nur das Cumberlander Hämatitroheisen für schmiedbares Eisen
eigne, war man schon vor den siebziger Jahren abgekommen. Doch
verlangte Brüll noch von dem zu verwendenden Roheisen eine Nei-
gung, Stahl zu bilden (propension aciéreuse). Mallet behauptete,
jedes weiſse Roheisen, auch das gefeinte, sei dafür geeignet. Letzteres
ist aber doch nicht der Fall, weil es dickflüssig ist und sich schlecht ver-
gieſsen läſst. Die erstere Behauptung geht aber ebenfalls zu weit, indem
nur weiſse Roheisensorten von einer gewissen chemischen Mischung
verwendbar sind; vor allem dürfen dieselben nur eine geringe Bei-
mengung von Mangan — nach Ledebur nicht über 0,40 Prozent —
enthalten, weil dieses die Entkohlung durch Glühen sehr erschwert.
Über den chemischen Vorgang beim Aducieren ist durch die Unter-
suchungen des Amerikaners Davenport 2) im Jahre 1871 Licht ver-
breitet worden. Er fand folgende Veränderungen:
1) Siehe Ledebur, Handbuch etc., S. 356; Stahl und Eisen 1891, S. 733.
2) Siehe Mechanics Magazine 1872, S. 392.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/574>, abgerufen am 25.11.2024.
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