Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Eisengiesserei seit 1870.
Grenze angiebt, ausser bei abnorm hohem Silicium- und Schwefel-
gehalt.

Von Wichtigkeit waren auch A. Ledeburs Arbeiten über
Seigerung bei Roheisen 1884. Indem er die Graphitbildung beim
Erstarren des grauen Roheisens als eine Seigerung auffasst, kommt
er zu dem Schluss, dass das graue Roheisen seine Entstehung einem
Seigerungsprozess verdanke und dass sich manche Seigerungserschei-
nungen aus der Fähigkeit des Roheisens, in Legierungen von ver-
schiedenen Schmelzpunkten zu zerfallen, erklären 1).

Von praktischer Bedeutung war A. Ledeburs Untersuchung der
Roheisensorten auf Säurebeständigkeit (1877), wobei er zu dem allge-
meinen Schluss kam, säurefestes Roheisen muss so viel gebundenen
Kohlenstoff wie möglich enthalten.

Erwähnung verdient noch der Vorschlag von Pet. Benj. Talbot
(1893), das Giessereieisen durch geschmolzene basische Schlacke zu
reinigen 2).

Obgleich die chemische Prüfung von grösster Wichtigkeit ist, so
hat doch auch die mechanische Untersuchung des Gusseisens eine
grössere Bedeutung und Anwendung erlangt. Festigkeitsprüfungen
sind allgemein geworden. In der Regel wird in der Praxis nur die
Biegungsfähigkeit, d. h. die vor dem Bruch eintretende Einbiegung,
ermittelt. Die Probestäbe macht man nach Th. D. Wests Vorschlag 3)
in neuester Zeit (1894) cylindrisch. Sie werden stehend, von unten
gegossen. Gleiche Querschnittsform und gleiche Art des Giessens sind
von Wichtigkeit, wenn man verschiedene Gusseisensorten miteinander
vergleichen will. Bearbeitete Stäbe zeigen eine höhere Biegungs-
festigkeit als unbearbeitete.

Martens empfahl die Schlagprobe neben der Biegungsprobe für
die Ermittelung der Güte des Gusseisens 4).

Anstatt des Zerschlagens der Roheisenmasseln mit dem Hand-
hammer wendet man jetzt vielfach Masselbrecher, die meist hydraulisch
betrieben werden, an. Eine grosse Zahl ist patentiert worden. Fig. 211
(a. f. S.) zeigt eine einfache Konstruktion der Badischen Maschinen-
fabrik in Durlach 5).


1) Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 244, und Ledebur, Handbuch der Eisen-
giesserei, S. 31.
2) Amerik. Pat. Nr. 476091/2; Stahl und Eisen 1893, S. 39.
3) Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 909.
4) Siehe Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1898, S. 1326 und 1348.
5) Eine andere Konstruktion von Bopp & Reuther in Mannheim ist in
Stahl und Eisen 1895, S. 1002, beschrieben und abgebildet.
34*

Die Eisengieſserei seit 1870.
Grenze angiebt, auſser bei abnorm hohem Silicium- und Schwefel-
gehalt.

Von Wichtigkeit waren auch A. Ledeburs Arbeiten über
Seigerung bei Roheisen 1884. Indem er die Graphitbildung beim
Erstarren des grauen Roheisens als eine Seigerung auffaſst, kommt
er zu dem Schluſs, daſs das graue Roheisen seine Entstehung einem
Seigerungsprozeſs verdanke und daſs sich manche Seigerungserschei-
nungen aus der Fähigkeit des Roheisens, in Legierungen von ver-
schiedenen Schmelzpunkten zu zerfallen, erklären 1).

Von praktischer Bedeutung war A. Ledeburs Untersuchung der
Roheisensorten auf Säurebeständigkeit (1877), wobei er zu dem allge-
meinen Schluſs kam, säurefestes Roheisen muſs so viel gebundenen
Kohlenstoff wie möglich enthalten.

Erwähnung verdient noch der Vorschlag von Pet. Benj. Talbot
(1893), das Gieſsereieisen durch geschmolzene basische Schlacke zu
reinigen 2).

Obgleich die chemische Prüfung von gröſster Wichtigkeit ist, so
hat doch auch die mechanische Untersuchung des Guſseisens eine
gröſsere Bedeutung und Anwendung erlangt. Festigkeitsprüfungen
sind allgemein geworden. In der Regel wird in der Praxis nur die
Biegungsfähigkeit, d. h. die vor dem Bruch eintretende Einbiegung,
ermittelt. Die Probestäbe macht man nach Th. D. Wests Vorschlag 3)
in neuester Zeit (1894) cylindrisch. Sie werden stehend, von unten
gegossen. Gleiche Querschnittsform und gleiche Art des Gieſsens sind
von Wichtigkeit, wenn man verschiedene Guſseisensorten miteinander
vergleichen will. Bearbeitete Stäbe zeigen eine höhere Biegungs-
festigkeit als unbearbeitete.

Martens empfahl die Schlagprobe neben der Biegungsprobe für
die Ermittelung der Güte des Guſseisens 4).

Anstatt des Zerschlagens der Roheisenmasseln mit dem Hand-
hammer wendet man jetzt vielfach Masselbrecher, die meist hydraulisch
betrieben werden, an. Eine groſse Zahl ist patentiert worden. Fig. 211
(a. f. S.) zeigt eine einfache Konstruktion der Badischen Maschinen-
fabrik in Durlach 5).


1) Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 244, und Ledebur, Handbuch der Eisen-
gieſserei, S. 31.
2) Amerik. Pat. Nr. 476091/2; Stahl und Eisen 1893, S. 39.
3) Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 909.
4) Siehe Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1898, S. 1326 und 1348.
5) Eine andere Konstruktion von Bopp & Reuther in Mannheim ist in
Stahl und Eisen 1895, S. 1002, beschrieben und abgebildet.
34*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0547" n="531"/><fw place="top" type="header">Die Eisengie&#x017F;serei seit 1870.</fw><lb/>
Grenze angiebt, au&#x017F;ser bei abnorm hohem Silicium- und Schwefel-<lb/>
gehalt.</p><lb/>
          <p>Von Wichtigkeit waren auch A. <hi rendition="#g">Ledeburs</hi> Arbeiten über<lb/><hi rendition="#g">Seigerung</hi> bei Roheisen 1884. Indem er die Graphitbildung beim<lb/>
Erstarren des grauen Roheisens als eine Seigerung auffa&#x017F;st, kommt<lb/>
er zu dem Schlu&#x017F;s, da&#x017F;s das graue Roheisen seine Entstehung einem<lb/>
Seigerungsproze&#x017F;s verdanke und da&#x017F;s sich manche Seigerungserschei-<lb/>
nungen aus der Fähigkeit des Roheisens, in Legierungen von ver-<lb/>
schiedenen Schmelzpunkten zu zerfallen, erklären <note place="foot" n="1)">Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 244, und <hi rendition="#g">Ledebur</hi>, Handbuch der Eisen-<lb/>
gie&#x017F;serei, S. 31.</note>.</p><lb/>
          <p>Von praktischer Bedeutung war A. <hi rendition="#g">Ledeburs</hi> Untersuchung der<lb/>
Roheisensorten auf Säurebeständigkeit (1877), wobei er zu dem allge-<lb/>
meinen Schlu&#x017F;s kam, säurefestes Roheisen mu&#x017F;s so viel gebundenen<lb/>
Kohlenstoff wie möglich enthalten.</p><lb/>
          <p>Erwähnung verdient noch der Vorschlag von <hi rendition="#g">Pet. Benj. Talbot</hi><lb/>
(1893), das Gie&#x017F;sereieisen durch geschmolzene basische Schlacke zu<lb/>
reinigen <note place="foot" n="2)">Amerik. Pat. Nr. 476091/2; Stahl und Eisen 1893, S. 39.</note>.</p><lb/>
          <p>Obgleich die chemische Prüfung von grö&#x017F;ster Wichtigkeit ist, so<lb/>
hat doch auch die mechanische Untersuchung des Gu&#x017F;seisens eine<lb/>
grö&#x017F;sere Bedeutung und Anwendung erlangt. Festigkeitsprüfungen<lb/>
sind allgemein geworden. In der Regel wird in der Praxis nur die<lb/>
Biegungsfähigkeit, d. h. die vor dem Bruch eintretende Einbiegung,<lb/>
ermittelt. Die Probestäbe macht man nach <hi rendition="#g">Th. D. Wests</hi> Vorschlag <note place="foot" n="3)">Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 909.</note><lb/>
in neuester Zeit (1894) cylindrisch. Sie werden stehend, von unten<lb/>
gegossen. Gleiche Querschnittsform und gleiche Art des Gie&#x017F;sens sind<lb/>
von Wichtigkeit, wenn man verschiedene Gu&#x017F;seisensorten miteinander<lb/>
vergleichen will. Bearbeitete Stäbe zeigen eine höhere Biegungs-<lb/>
festigkeit als unbearbeitete.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Martens</hi> empfahl die Schlagprobe neben der Biegungsprobe für<lb/>
die Ermittelung der Güte des Gu&#x017F;seisens <note place="foot" n="4)">Siehe Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1898, S. 1326 und 1348.</note>.</p><lb/>
          <p>Anstatt des Zerschlagens der Roheisenmasseln mit dem Hand-<lb/>
hammer wendet man jetzt vielfach Masselbrecher, die meist hydraulisch<lb/>
betrieben werden, an. Eine gro&#x017F;se Zahl ist patentiert worden. Fig. 211<lb/>
(a. f. S.) zeigt eine einfache Konstruktion der Badischen Maschinen-<lb/>
fabrik in Durlach <note place="foot" n="5)">Eine andere Konstruktion von <hi rendition="#g">Bopp &amp; Reuther</hi> in Mannheim ist in<lb/>
Stahl und Eisen 1895, S. 1002, beschrieben und abgebildet.</note>.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">34*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[531/0547] Die Eisengieſserei seit 1870. Grenze angiebt, auſser bei abnorm hohem Silicium- und Schwefel- gehalt. Von Wichtigkeit waren auch A. Ledeburs Arbeiten über Seigerung bei Roheisen 1884. Indem er die Graphitbildung beim Erstarren des grauen Roheisens als eine Seigerung auffaſst, kommt er zu dem Schluſs, daſs das graue Roheisen seine Entstehung einem Seigerungsprozeſs verdanke und daſs sich manche Seigerungserschei- nungen aus der Fähigkeit des Roheisens, in Legierungen von ver- schiedenen Schmelzpunkten zu zerfallen, erklären 1). Von praktischer Bedeutung war A. Ledeburs Untersuchung der Roheisensorten auf Säurebeständigkeit (1877), wobei er zu dem allge- meinen Schluſs kam, säurefestes Roheisen muſs so viel gebundenen Kohlenstoff wie möglich enthalten. Erwähnung verdient noch der Vorschlag von Pet. Benj. Talbot (1893), das Gieſsereieisen durch geschmolzene basische Schlacke zu reinigen 2). Obgleich die chemische Prüfung von gröſster Wichtigkeit ist, so hat doch auch die mechanische Untersuchung des Guſseisens eine gröſsere Bedeutung und Anwendung erlangt. Festigkeitsprüfungen sind allgemein geworden. In der Regel wird in der Praxis nur die Biegungsfähigkeit, d. h. die vor dem Bruch eintretende Einbiegung, ermittelt. Die Probestäbe macht man nach Th. D. Wests Vorschlag 3) in neuester Zeit (1894) cylindrisch. Sie werden stehend, von unten gegossen. Gleiche Querschnittsform und gleiche Art des Gieſsens sind von Wichtigkeit, wenn man verschiedene Guſseisensorten miteinander vergleichen will. Bearbeitete Stäbe zeigen eine höhere Biegungs- festigkeit als unbearbeitete. Martens empfahl die Schlagprobe neben der Biegungsprobe für die Ermittelung der Güte des Guſseisens 4). Anstatt des Zerschlagens der Roheisenmasseln mit dem Hand- hammer wendet man jetzt vielfach Masselbrecher, die meist hydraulisch betrieben werden, an. Eine groſse Zahl ist patentiert worden. Fig. 211 (a. f. S.) zeigt eine einfache Konstruktion der Badischen Maschinen- fabrik in Durlach 5). 1) Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 244, und Ledebur, Handbuch der Eisen- gieſserei, S. 31. 2) Amerik. Pat. Nr. 476091/2; Stahl und Eisen 1893, S. 39. 3) Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 909. 4) Siehe Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1898, S. 1326 und 1348. 5) Eine andere Konstruktion von Bopp & Reuther in Mannheim ist in Stahl und Eisen 1895, S. 1002, beschrieben und abgebildet. 34*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/547
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/547>, abgerufen am 25.11.2024.