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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Physik des Eisens seit 1871.
II. Proben mit abgetrennten Stücken.
a) Kaltproben: 1. Bieg-, 2. Loch-, 3. Bruch-, 4. Zerreissprobe.
b) Warmproben: 1. Bieg-, 2. Loch-, 3. Ausbreite-, 4. Schweiss-
probe.

Für die Zerreissproben sollten Stäbe von 200 mm Länge und
20 mm Durchmesser genommen werden.

Der Kampf zwischen den Eisenproduzenten und Konsumenten
spann sich noch jahrelang fort. Doch kam man allmählich, besonders
auch nachdem das Thomasflusseisen mit in den Wettbewerb trat, davon ab,
der Zerreissfestigkeit und Härte einen so hohen Werth beizulegen im
Verhältnis zu der Zähigkeit. Namentlich verschafften die fleissigen
Untersuchungen von Dudley die Überzeugung, dass weiches, zähes
Material für viele Verwendungen dem harten vorzuziehen sei 1). In
diesem Sinne erfolgte nach und nach eine Verständigung auch in
Deutschland, wobei man sich dahin einigte, neben dem Zerreissgewichte
die prozentuale Kontraktion und Verlängerung anzugeben.

1886 vereinbarten der Verband deutscher Architekten- und In-
genieurvereine in Verbindung mit dem Verein deutscher Ingenieure
und dem Verein deutscher Eisenhüttenleute Normalbedingungen für
die Lieferung von Eisen für Brücken- und Hochbauten 2).

Die Schlagprobe wurde für alle Eisensorten, die auch auf Stoss
in Anspruch genommen wurden, ebenfalls vorgeschrieben und Bau-
schinger
konstruierte hierfür ein Normalschlagwerk.

Bauschinger3) gebührt ausserdem das grosse Verdienst, die Ein-
führung einheitlicher Prüfungsverfahren angeregt und zu diesem
Zwecke 1884 die erste Konferenz zu deren Vereinbarung für Bau-
und Konstruktionsmaterialien in München zusammenberufen zu haben.
Diese Konferenzen nahmen allmählich einen internationalen Charakter
an und wurden von Vertretern aus Österreich, Ungarn, der Schweiz,
Russland und seit 1892 auch von Frankreich und Schweden besucht.
Die vierte internationale Konferenz zur Vereinbarung einheitlicher
Prüfungsmethoden fand am 24. und 25. Mai 1893 in Wien statt.

In Frankreich wurde 1892 eine ständige Prüfungskommission als
eine Abteilung im Ministerium ins Leben gerufen. Diese nahm die
Tetmayersche Güteziffer gleich dem Produkt aus Zugfestigkeit und
Dehnung unter dem Namen capacite de travail (deutsch: Arbeitsziffer,

1) Vergl. Snelus, Über die chemische Zusammensetzung und Prüfung von
Stahlschienen. Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1882, S. 399.
2) Stahl und Eisen 1881, S. 330.
3) Bauschinger + am 25. November 1893. Nekrolog siehe Stahl und Eisen
1893, S. 1105.
Physik des Eisens seit 1871.
II. Proben mit abgetrennten Stücken.
a) Kaltproben: 1. Bieg-, 2. Loch-, 3. Bruch-, 4. Zerreiſsprobe.
b) Warmproben: 1. Bieg-, 2. Loch-, 3. Ausbreite-, 4. Schweiſs-
probe.

Für die Zerreiſsproben sollten Stäbe von 200 mm Länge und
20 mm Durchmesser genommen werden.

Der Kampf zwischen den Eisenproduzenten und Konsumenten
spann sich noch jahrelang fort. Doch kam man allmählich, besonders
auch nachdem das Thomasfluſseisen mit in den Wettbewerb trat, davon ab,
der Zerreiſsfestigkeit und Härte einen so hohen Werth beizulegen im
Verhältnis zu der Zähigkeit. Namentlich verschafften die fleiſsigen
Untersuchungen von Dudley die Überzeugung, daſs weiches, zähes
Material für viele Verwendungen dem harten vorzuziehen sei 1). In
diesem Sinne erfolgte nach und nach eine Verständigung auch in
Deutschland, wobei man sich dahin einigte, neben dem Zerreiſsgewichte
die prozentuale Kontraktion und Verlängerung anzugeben.

1886 vereinbarten der Verband deutscher Architekten- und In-
genieurvereine in Verbindung mit dem Verein deutscher Ingenieure
und dem Verein deutscher Eisenhüttenleute Normalbedingungen für
die Lieferung von Eisen für Brücken- und Hochbauten 2).

Die Schlagprobe wurde für alle Eisensorten, die auch auf Stoſs
in Anspruch genommen wurden, ebenfalls vorgeschrieben und Bau-
schinger
konstruierte hierfür ein Normalschlagwerk.

Bauschinger3) gebührt auſserdem das groſse Verdienst, die Ein-
führung einheitlicher Prüfungsverfahren angeregt und zu diesem
Zwecke 1884 die erste Konferenz zu deren Vereinbarung für Bau-
und Konstruktionsmaterialien in München zusammenberufen zu haben.
Diese Konferenzen nahmen allmählich einen internationalen Charakter
an und wurden von Vertretern aus Österreich, Ungarn, der Schweiz,
Ruſsland und seit 1892 auch von Frankreich und Schweden besucht.
Die vierte internationale Konferenz zur Vereinbarung einheitlicher
Prüfungsmethoden fand am 24. und 25. Mai 1893 in Wien statt.

In Frankreich wurde 1892 eine ständige Prüfungskommission als
eine Abteilung im Ministerium ins Leben gerufen. Diese nahm die
Tetmayersche Güteziffer gleich dem Produkt aus Zugfestigkeit und
Dehnung unter dem Namen capacité de travail (deutsch: Arbeitsziffer,

1) Vergl. Snelus, Über die chemische Zusammensetzung und Prüfung von
Stahlschienen. Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1882, S. 399.
2) Stahl und Eisen 1881, S. 330.
3) Bauschinger † am 25. November 1893. Nekrolog siehe Stahl und Eisen
1893, S. 1105.
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[395/0411] Physik des Eisens seit 1871. II. Proben mit abgetrennten Stücken. a) Kaltproben: 1. Bieg-, 2. Loch-, 3. Bruch-, 4. Zerreiſsprobe. b) Warmproben: 1. Bieg-, 2. Loch-, 3. Ausbreite-, 4. Schweiſs- probe. Für die Zerreiſsproben sollten Stäbe von 200 mm Länge und 20 mm Durchmesser genommen werden. Der Kampf zwischen den Eisenproduzenten und Konsumenten spann sich noch jahrelang fort. Doch kam man allmählich, besonders auch nachdem das Thomasfluſseisen mit in den Wettbewerb trat, davon ab, der Zerreiſsfestigkeit und Härte einen so hohen Werth beizulegen im Verhältnis zu der Zähigkeit. Namentlich verschafften die fleiſsigen Untersuchungen von Dudley die Überzeugung, daſs weiches, zähes Material für viele Verwendungen dem harten vorzuziehen sei 1). In diesem Sinne erfolgte nach und nach eine Verständigung auch in Deutschland, wobei man sich dahin einigte, neben dem Zerreiſsgewichte die prozentuale Kontraktion und Verlängerung anzugeben. 1886 vereinbarten der Verband deutscher Architekten- und In- genieurvereine in Verbindung mit dem Verein deutscher Ingenieure und dem Verein deutscher Eisenhüttenleute Normalbedingungen für die Lieferung von Eisen für Brücken- und Hochbauten 2). Die Schlagprobe wurde für alle Eisensorten, die auch auf Stoſs in Anspruch genommen wurden, ebenfalls vorgeschrieben und Bau- schinger konstruierte hierfür ein Normalschlagwerk. Bauschinger 3) gebührt auſserdem das groſse Verdienst, die Ein- führung einheitlicher Prüfungsverfahren angeregt und zu diesem Zwecke 1884 die erste Konferenz zu deren Vereinbarung für Bau- und Konstruktionsmaterialien in München zusammenberufen zu haben. Diese Konferenzen nahmen allmählich einen internationalen Charakter an und wurden von Vertretern aus Österreich, Ungarn, der Schweiz, Ruſsland und seit 1892 auch von Frankreich und Schweden besucht. Die vierte internationale Konferenz zur Vereinbarung einheitlicher Prüfungsmethoden fand am 24. und 25. Mai 1893 in Wien statt. In Frankreich wurde 1892 eine ständige Prüfungskommission als eine Abteilung im Ministerium ins Leben gerufen. Diese nahm die Tetmayersche Güteziffer gleich dem Produkt aus Zugfestigkeit und Dehnung unter dem Namen capacité de travail (deutsch: Arbeitsziffer, 1) Vergl. Snelus, Über die chemische Zusammensetzung und Prüfung von Stahlschienen. Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1882, S. 399. 2) Stahl und Eisen 1881, S. 330. 3) Bauschinger † am 25. November 1893. Nekrolog siehe Stahl und Eisen 1893, S. 1105.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/411>, abgerufen am 22.11.2024.