Dies gilt für reines Eisen. Fremde Beimengungen ändern die Lösungsfähigkeit; Mangan und Chrom erhöhen sie, Silicium und Schwefel vermindern sie. Man bereitet die reinen Eisenkohlenstoff- verbindungen aus elektrolytisch gefälltem Eisen.
Die Temperaturen, die über dem Schmelzpunkte des Eisens liegen, kommen für die Praxis vorläufig nicht in Betracht. Roheisen, dessen Erzeugungstemperatur beträchtlich höher liegt als seine Erstarrungs- temperatur, scheidet in der Nähe dieser sowohl schon etwas oberhalb als noch etwas unterhalb derselben Kohle in Form von Graphit aus, wodurch graues Roheisen entsteht. Da dieser Erstarrungspunkt nur etwa 100° C. über 1050° C. liegt, bei welcher Temperatur das Maximum der im Eisen gelösten Kohlenstoffmenge 1,5 Prozent beträgt, so kann man annehmen, dass von dem Kohlenstoffgehalt des völlig gesättigten Roheisens (4,63 Prozent) die Differenz (also 3,13 Prozent) als Graphit ausgeschieden wird. Bei dem Roheisen kommt ein weiterer Haltepunkt bei der Abkühlung nicht in Betracht. Anders ist es bei dem Stahl. Hier treten bei den Abkühlungen verschiedene Erscheinungen ein, je nach dem Kohlenstoffgehalt und dem raschen oder langsamen Kühlen. Auch bei dem Stahl nimmt man an, dass in ihm in flüssigem Zustande der ganze Kohlenstoff gelöst ist.
Bei raschem Abkühlen, dem Ablöschen oder Härten des Stahls bleibt dieser Zustand mehr oder weniger fixiert.
Man nahm früher an, dass die ganze Masse des gehärteten Stahls aus Martensit bestehe, Osmond fand aber neuerdings neben diesem harten Körper, der mikroskopisch deutlich erkennbar ist, dessen Kohlenstoffgehalt aber in ziemlich weiten Grenzen schwankt, noch eine zweite, dunkle, weiche Substanz von hohem Kohlenstoffgehalt, der er den Namen Austensit gab. Den harten Martensit bezeichnet Osmond nach seiner allotropischen Theorie als g-Eisen, während Arnold darin eine chemische Verbindung Fe24 C sieht.
Ganz anders verhalten sich Stahl und Eisen bei langsamer Ab- kühlung. Die Wärmeabnahme ist keine gleichmässige, sondern es treten gewisse Haltepunkte (kritische Punkte Osmonds) ein, indem durch Wärmeentwickelung infolge eines inneren Vorganges Ver- zögerungen der Abkühlung eintreten. Diese werden hervorgerufen durch eigenartige Vorgänge, wie sie bei Lösungen und Legierungen vorkommen.
Es giebt gewisse Gleichgewichtszustände zwischen dem lösenden und dem gelösten Körper, sowie zwischen den Bestandteilen einer Legierung, die in bestimmten Temperaturgrenzen eine grössere Stabi-
Physik des Eisens seit 1871.
Dies gilt für reines Eisen. Fremde Beimengungen ändern die Lösungsfähigkeit; Mangan und Chrom erhöhen sie, Silicium und Schwefel vermindern sie. Man bereitet die reinen Eisenkohlenstoff- verbindungen aus elektrolytisch gefälltem Eisen.
Die Temperaturen, die über dem Schmelzpunkte des Eisens liegen, kommen für die Praxis vorläufig nicht in Betracht. Roheisen, dessen Erzeugungstemperatur beträchtlich höher liegt als seine Erstarrungs- temperatur, scheidet in der Nähe dieser sowohl schon etwas oberhalb als noch etwas unterhalb derselben Kohle in Form von Graphit aus, wodurch graues Roheisen entsteht. Da dieser Erstarrungspunkt nur etwa 100° C. über 1050° C. liegt, bei welcher Temperatur das Maximum der im Eisen gelösten Kohlenstoffmenge 1,5 Prozent beträgt, so kann man annehmen, daſs von dem Kohlenstoffgehalt des völlig gesättigten Roheisens (4,63 Prozent) die Differenz (also 3,13 Prozent) als Graphit ausgeschieden wird. Bei dem Roheisen kommt ein weiterer Haltepunkt bei der Abkühlung nicht in Betracht. Anders ist es bei dem Stahl. Hier treten bei den Abkühlungen verschiedene Erscheinungen ein, je nach dem Kohlenstoffgehalt und dem raschen oder langsamen Kühlen. Auch bei dem Stahl nimmt man an, daſs in ihm in flüssigem Zustande der ganze Kohlenstoff gelöst ist.
Bei raschem Abkühlen, dem Ablöschen oder Härten des Stahls bleibt dieser Zustand mehr oder weniger fixiert.
Man nahm früher an, daſs die ganze Masse des gehärteten Stahls aus Martensit bestehe, Osmond fand aber neuerdings neben diesem harten Körper, der mikroskopisch deutlich erkennbar ist, dessen Kohlenstoffgehalt aber in ziemlich weiten Grenzen schwankt, noch eine zweite, dunkle, weiche Substanz von hohem Kohlenstoffgehalt, der er den Namen Austensit gab. Den harten Martensit bezeichnet Osmond nach seiner allotropischen Theorie als γ-Eisen, während Arnold darin eine chemische Verbindung Fe24 C sieht.
Ganz anders verhalten sich Stahl und Eisen bei langsamer Ab- kühlung. Die Wärmeabnahme ist keine gleichmäſsige, sondern es treten gewisse Haltepunkte (kritische Punkte Osmonds) ein, indem durch Wärmeentwickelung infolge eines inneren Vorganges Ver- zögerungen der Abkühlung eintreten. Diese werden hervorgerufen durch eigenartige Vorgänge, wie sie bei Lösungen und Legierungen vorkommen.
Es giebt gewisse Gleichgewichtszustände zwischen dem lösenden und dem gelösten Körper, sowie zwischen den Bestandteilen einer Legierung, die in bestimmten Temperaturgrenzen eine gröſsere Stabi-
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Physik des Eisens seit 1871.
Dies gilt für reines Eisen. Fremde Beimengungen ändern die
Lösungsfähigkeit; Mangan und Chrom erhöhen sie, Silicium und
Schwefel vermindern sie. Man bereitet die reinen Eisenkohlenstoff-
verbindungen aus elektrolytisch gefälltem Eisen.
Die Temperaturen, die über dem Schmelzpunkte des Eisens liegen,
kommen für die Praxis vorläufig nicht in Betracht. Roheisen, dessen
Erzeugungstemperatur beträchtlich höher liegt als seine Erstarrungs-
temperatur, scheidet in der Nähe dieser sowohl schon etwas oberhalb
als noch etwas unterhalb derselben Kohle in Form von Graphit aus,
wodurch graues Roheisen entsteht. Da dieser Erstarrungspunkt nur
etwa 100° C. über 1050° C. liegt, bei welcher Temperatur das Maximum
der im Eisen gelösten Kohlenstoffmenge 1,5 Prozent beträgt, so kann
man annehmen, daſs von dem Kohlenstoffgehalt des völlig gesättigten
Roheisens (4,63 Prozent) die Differenz (also 3,13 Prozent) als Graphit
ausgeschieden wird. Bei dem Roheisen kommt ein weiterer Haltepunkt
bei der Abkühlung nicht in Betracht. Anders ist es bei dem Stahl.
Hier treten bei den Abkühlungen verschiedene Erscheinungen ein, je
nach dem Kohlenstoffgehalt und dem raschen oder langsamen Kühlen.
Auch bei dem Stahl nimmt man an, daſs in ihm in flüssigem Zustande
der ganze Kohlenstoff gelöst ist.
Bei raschem Abkühlen, dem Ablöschen oder Härten des Stahls
bleibt dieser Zustand mehr oder weniger fixiert.
Man nahm früher an, daſs die ganze Masse des gehärteten Stahls
aus Martensit bestehe, Osmond fand aber neuerdings neben diesem
harten Körper, der mikroskopisch deutlich erkennbar ist, dessen
Kohlenstoffgehalt aber in ziemlich weiten Grenzen schwankt, noch
eine zweite, dunkle, weiche Substanz von hohem Kohlenstoffgehalt, der
er den Namen Austensit gab. Den harten Martensit bezeichnet
Osmond nach seiner allotropischen Theorie als γ-Eisen, während
Arnold darin eine chemische Verbindung Fe24 C sieht.
Ganz anders verhalten sich Stahl und Eisen bei langsamer Ab-
kühlung. Die Wärmeabnahme ist keine gleichmäſsige, sondern es
treten gewisse Haltepunkte (kritische Punkte Osmonds) ein, indem
durch Wärmeentwickelung infolge eines inneren Vorganges Ver-
zögerungen der Abkühlung eintreten. Diese werden hervorgerufen
durch eigenartige Vorgänge, wie sie bei Lösungen und Legierungen
vorkommen.
Es giebt gewisse Gleichgewichtszustände zwischen dem lösenden
und dem gelösten Körper, sowie zwischen den Bestandteilen einer
Legierung, die in bestimmten Temperaturgrenzen eine gröſsere Stabi-
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/402>, abgerufen am 22.11.2024.
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