betrieb abgeändert, nach ihr musste die Flusseisenfabrikation ein- gerichtet werden. Auch für den Roheisenhandel wurde die chemische Analyse unentbehrlich. Für das Fabrikat selbst blieb zunächst die mechanische Prüfung nach dem Zweck der Verwendung massgebend, da diese aber in erster Linie von der chemischen Zusammensetzung abhängig war, so bildete auch für diese die Analyse die unentbehr- liche Kontrolle.
Wenden wir uns zu den Fortschritten der Metallurgie des Eisens1), welche wir der Chemie in den letzten 25 Jahren verdanken, so müssen wir vor allem die Nebenbestandteile des Eisens einzeln betrachten.
Von diesen ist der Kohlenstoff bei weitem der wichtigste, denn er bedingt am meisten die Eigenschaften der verschiedenen Eisen- arten. Sämtliche zur Verwendung kommenden Eisenarten sind Eisen- Kohlenstoffverbindungen (Legierungen oder Lösungen), und es ist der Kohlenstoff nicht als ein fremder Bestandteil derselben anzusehen. Das Eisen vermag Kohlenstoff nur in beschränkter Menge aufzulösen. Bestimmte einfache Eisen-Kohlenstoffverbindungen sind bis jetzt nicht mit entschiedener Sicherheit nachgewiesen, wenn auch ihre Existenz wahrscheinlich ist. Das von Karsten angenommene Viertelkarburet Fe4 C, welches das Spiegeleisen bilden soll, besteht für sich nicht, indem das reine Eisen nicht so viel Kohlenstoff aufzunehmen vermag, als dieser Verbindung entsprechen würde. Es müssten dies 5,08 Prozent sein. Percy hatte durch die sorgfältigen Versuche seiner Assistenten Dick und Hochstätter im Jahre 1862 bereits gezeigt, dass reines Eisen so viel Kohlenstoff nicht aufzulösen vermag; Dick fand 4,56 Prozent, Hochstätter 4,63 Prozent als Maximum. Mannesmann erhielt im Jahre 1879 durch rasches Glühen von reinstem Schmiedeeisen in Holzkohle bei starker Weissglut eine Rinde von weissem Roheisen mit 4,76 Prozent Kohlenstoff. Saniter erhielt beim Schmelzen von reinem Eisendraht mit Lampenruss und gebranntem Kalk in einem Tiegel einen Metallkönig mit 4,81 Prozent Kohlenstoff 2).
Bei sehr hoher Temperatur nimmt die Lösungsfähigkeit allerdings zu. Nach Moissan löst Eisen bei 3500° C. 40 Prozent Kohlenstoff.
Ganz anders verhält sich diese Lösungsfähigkeit bei gleichzeitiger Anwesenheit anderer Substanzen. Die Gegenwart gewisser Metalloide,
1) Ausführliche Mitteilungen hierüber findet man in Dr. H. Weddings Hand- buch der Eisenhüttenkunde, 2. Aufl., Bd. I, 1891.
2) Journal of the Iron and Steel Institute 1886, II, p. 770; Stahl und Eisen 1897, S. 957.
Beck, Geschichte des Eisens. 22
Chemie.
betrieb abgeändert, nach ihr muſste die Fluſseisenfabrikation ein- gerichtet werden. Auch für den Roheisenhandel wurde die chemische Analyse unentbehrlich. Für das Fabrikat selbst blieb zunächst die mechanische Prüfung nach dem Zweck der Verwendung maſsgebend, da diese aber in erster Linie von der chemischen Zusammensetzung abhängig war, so bildete auch für diese die Analyse die unentbehr- liche Kontrolle.
Wenden wir uns zu den Fortschritten der Metallurgie des Eisens1), welche wir der Chemie in den letzten 25 Jahren verdanken, so müssen wir vor allem die Nebenbestandteile des Eisens einzeln betrachten.
Von diesen ist der Kohlenstoff bei weitem der wichtigste, denn er bedingt am meisten die Eigenschaften der verschiedenen Eisen- arten. Sämtliche zur Verwendung kommenden Eisenarten sind Eisen- Kohlenstoffverbindungen (Legierungen oder Lösungen), und es ist der Kohlenstoff nicht als ein fremder Bestandteil derselben anzusehen. Das Eisen vermag Kohlenstoff nur in beschränkter Menge aufzulösen. Bestimmte einfache Eisen-Kohlenstoffverbindungen sind bis jetzt nicht mit entschiedener Sicherheit nachgewiesen, wenn auch ihre Existenz wahrscheinlich ist. Das von Karsten angenommene Viertelkarburet Fe4 C, welches das Spiegeleisen bilden soll, besteht für sich nicht, indem das reine Eisen nicht so viel Kohlenstoff aufzunehmen vermag, als dieser Verbindung entsprechen würde. Es müſsten dies 5,08 Prozent sein. Percy hatte durch die sorgfältigen Versuche seiner Assistenten Dick und Hochstätter im Jahre 1862 bereits gezeigt, daſs reines Eisen so viel Kohlenstoff nicht aufzulösen vermag; Dick fand 4,56 Prozent, Hochstätter 4,63 Prozent als Maximum. Mannesmann erhielt im Jahre 1879 durch rasches Glühen von reinstem Schmiedeeisen in Holzkohle bei starker Weiſsglut eine Rinde von weiſsem Roheisen mit 4,76 Prozent Kohlenstoff. Saniter erhielt beim Schmelzen von reinem Eisendraht mit Lampenruſs und gebranntem Kalk in einem Tiegel einen Metallkönig mit 4,81 Prozent Kohlenstoff 2).
Bei sehr hoher Temperatur nimmt die Lösungsfähigkeit allerdings zu. Nach Moissan löst Eisen bei 3500° C. 40 Prozent Kohlenstoff.
Ganz anders verhält sich diese Lösungsfähigkeit bei gleichzeitiger Anwesenheit anderer Substanzen. Die Gegenwart gewisser Metalloide,
1) Ausführliche Mitteilungen hierüber findet man in Dr. H. Weddings Hand- buch der Eisenhüttenkunde, 2. Aufl., Bd. I, 1891.
2) Journal of the Iron and Steel Institute 1886, II, p. 770; Stahl und Eisen 1897, S. 957.
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Chemie.
betrieb abgeändert, nach ihr muſste die Fluſseisenfabrikation ein-
gerichtet werden. Auch für den Roheisenhandel wurde die chemische
Analyse unentbehrlich. Für das Fabrikat selbst blieb zunächst die
mechanische Prüfung nach dem Zweck der Verwendung maſsgebend,
da diese aber in erster Linie von der chemischen Zusammensetzung
abhängig war, so bildete auch für diese die Analyse die unentbehr-
liche Kontrolle.
Wenden wir uns zu den Fortschritten der Metallurgie des
Eisens 1), welche wir der Chemie in den letzten 25 Jahren verdanken,
so müssen wir vor allem die Nebenbestandteile des Eisens einzeln
betrachten.
Von diesen ist der Kohlenstoff bei weitem der wichtigste, denn
er bedingt am meisten die Eigenschaften der verschiedenen Eisen-
arten. Sämtliche zur Verwendung kommenden Eisenarten sind Eisen-
Kohlenstoffverbindungen (Legierungen oder Lösungen), und es ist der
Kohlenstoff nicht als ein fremder Bestandteil derselben anzusehen.
Das Eisen vermag Kohlenstoff nur in beschränkter Menge aufzulösen.
Bestimmte einfache Eisen-Kohlenstoffverbindungen sind bis jetzt nicht
mit entschiedener Sicherheit nachgewiesen, wenn auch ihre Existenz
wahrscheinlich ist. Das von Karsten angenommene Viertelkarburet
Fe4 C, welches das Spiegeleisen bilden soll, besteht für sich nicht, indem
das reine Eisen nicht so viel Kohlenstoff aufzunehmen vermag, als dieser
Verbindung entsprechen würde. Es müſsten dies 5,08 Prozent sein.
Percy hatte durch die sorgfältigen Versuche seiner Assistenten Dick
und Hochstätter im Jahre 1862 bereits gezeigt, daſs reines Eisen
so viel Kohlenstoff nicht aufzulösen vermag; Dick fand 4,56 Prozent,
Hochstätter 4,63 Prozent als Maximum. Mannesmann erhielt im
Jahre 1879 durch rasches Glühen von reinstem Schmiedeeisen in
Holzkohle bei starker Weiſsglut eine Rinde von weiſsem Roheisen mit
4,76 Prozent Kohlenstoff. Saniter erhielt beim Schmelzen von
reinem Eisendraht mit Lampenruſs und gebranntem Kalk in einem
Tiegel einen Metallkönig mit 4,81 Prozent Kohlenstoff 2).
Bei sehr hoher Temperatur nimmt die Lösungsfähigkeit allerdings
zu. Nach Moissan löst Eisen bei 3500° C. 40 Prozent Kohlenstoff.
Ganz anders verhält sich diese Lösungsfähigkeit bei gleichzeitiger
Anwesenheit anderer Substanzen. Die Gegenwart gewisser Metalloide,
1) Ausführliche Mitteilungen hierüber findet man in Dr. H. Weddings Hand-
buch der Eisenhüttenkunde, 2. Aufl., Bd. I, 1891.
2) Journal of the Iron and Steel Institute 1886, II, p. 770; Stahl und Eisen
1897, S. 957.
Beck, Geschichte des Eisens. 22
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/353>, abgerufen am 24.11.2024.
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