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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Einleitung 1870 bis 1900.
sächlich veranlasst durch die hoffnungsvolle Stimmung, welche durch
die wichtige Erfindung der Entphosphorung von Thomas und
Gilchrist erweckt worden war. Die Einführung des Thomasver-
fahrens bedingte eine Zunahme des Eisenbedarfs, die bis 1883 anhielt.
1884 trat wieder ein Rückschlag ein, der bis 1886 dauerte. 1887
begann eine wachsende Zunahme der Eisenerzeugung, besonders in den
Vereinigten Staaten von Nordamerika, welche im Jahre 1890 Gross-
britannien, das über hundert Jahre die erste Stelle unter den Eisen
erzeugenden Ländern eingenommen hatte, überflügelte und dauernd
aus seiner leitenden Stellung verdrängte. Auf das glänzende Jahr 1890
folgte aber eine Zeit des Niederganges, die bis 1895 dauerte. Seit
dieser Zeit nahm die Eisenerzeugung von Jahr zu Jahr zu und schloss
mit dem Jahrhundert glänzend ab.

Noch stärker schwankt die Eisenerzeugung der einzelnen Länder,
wie aus der graphischen Darstellung, Fig. 127, ersichtlich ist.

1870 bis 1885 schwebt die Produktionslinie Grossbritanniens hoch
über denen der übrigen Länder mit einer in Wellenlinien aufsteigenden
Tendenz bis zu dem Maximum 1883. Von 1885 nimmt plötzlich die
amerikanische Produktionslinie, welche bis dahin der englischen Linie
ziemlich parallel mit einer nur langsamen Annäherung verlaufen war,
eine steile Richtung nach aufwärts an, durchscheidet 1889 die englische
Linie, indem sie sich mit der gewaltigen Produktion von 9333 kt
im Jahre 1890 über dieselbe und über das Maximum von 1882
(8582 kt) erhebt. Wie erschöpft sinkt die amerikanische Linie
1891 wieder herab, um sich aber 1892 im scharfen Zickzack wieder
zu fast gleicher Höhe zu erheben. Dann erst tritt 1892/93 eine
starke Ermattung ein, so dass die amerikanische Linie 1894 wieder
bis zur britischen herabsinkt; sie schnellt dann 1895 wieder empor,
fällt 1896 wieder fast bis zur englischen Kurve zurück, um von da an
bis 1899 in raschem Aufsteigen die englische Linie weit unter sich
zu lassen. Die beiden Linien geben ein deutliches Bild des intensiven
Wettkampfes der beiden grössten Eisenländer. Die fast leidenschaft-
liche Energie des amerikanischen Wettbewerbes drückt sich in steilen
Auf- und Abwärtsbewegungen, die scharfe Winkel bilden, aus, während
Englands Anstrengungen mehr in wellenförmigen Linien zum Aus-
druck kommen, die von 1883 bis 1886 und von 1889 bis 1892 ein
starkes Fallen zeigen. Von viel grösserer Stetigkeit in steigender
Richtung stellt sich die deutsche Produktionslinie dar. Sie erreicht
nächst der amerikanischen den grössten Höhenunterschied. Bei
der französischen Produktionslinie macht sich zunächst die Wirkung

Einleitung 1870 bis 1900.
sächlich veranlaſst durch die hoffnungsvolle Stimmung, welche durch
die wichtige Erfindung der Entphosphorung von Thomas und
Gilchrist erweckt worden war. Die Einführung des Thomasver-
fahrens bedingte eine Zunahme des Eisenbedarfs, die bis 1883 anhielt.
1884 trat wieder ein Rückschlag ein, der bis 1886 dauerte. 1887
begann eine wachsende Zunahme der Eisenerzeugung, besonders in den
Vereinigten Staaten von Nordamerika, welche im Jahre 1890 Groſs-
britannien, das über hundert Jahre die erste Stelle unter den Eisen
erzeugenden Ländern eingenommen hatte, überflügelte und dauernd
aus seiner leitenden Stellung verdrängte. Auf das glänzende Jahr 1890
folgte aber eine Zeit des Niederganges, die bis 1895 dauerte. Seit
dieser Zeit nahm die Eisenerzeugung von Jahr zu Jahr zu und schloſs
mit dem Jahrhundert glänzend ab.

Noch stärker schwankt die Eisenerzeugung der einzelnen Länder,
wie aus der graphischen Darstellung, Fig. 127, ersichtlich ist.

1870 bis 1885 schwebt die Produktionslinie Groſsbritanniens hoch
über denen der übrigen Länder mit einer in Wellenlinien aufsteigenden
Tendenz bis zu dem Maximum 1883. Von 1885 nimmt plötzlich die
amerikanische Produktionslinie, welche bis dahin der englischen Linie
ziemlich parallel mit einer nur langsamen Annäherung verlaufen war,
eine steile Richtung nach aufwärts an, durchscheidet 1889 die englische
Linie, indem sie sich mit der gewaltigen Produktion von 9333 kt
im Jahre 1890 über dieselbe und über das Maximum von 1882
(8582 kt) erhebt. Wie erschöpft sinkt die amerikanische Linie
1891 wieder herab, um sich aber 1892 im scharfen Zickzack wieder
zu fast gleicher Höhe zu erheben. Dann erst tritt 1892/93 eine
starke Ermattung ein, so daſs die amerikanische Linie 1894 wieder
bis zur britischen herabsinkt; sie schnellt dann 1895 wieder empor,
fällt 1896 wieder fast bis zur englischen Kurve zurück, um von da an
bis 1899 in raschem Aufsteigen die englische Linie weit unter sich
zu lassen. Die beiden Linien geben ein deutliches Bild des intensiven
Wettkampfes der beiden gröſsten Eisenländer. Die fast leidenschaft-
liche Energie des amerikanischen Wettbewerbes drückt sich in steilen
Auf- und Abwärtsbewegungen, die scharfe Winkel bilden, aus, während
Englands Anstrengungen mehr in wellenförmigen Linien zum Aus-
druck kommen, die von 1883 bis 1886 und von 1889 bis 1892 ein
starkes Fallen zeigen. Von viel gröſserer Stetigkeit in steigender
Richtung stellt sich die deutsche Produktionslinie dar. Sie erreicht
nächst der amerikanischen den gröſsten Höhenunterschied. Bei
der französischen Produktionslinie macht sich zunächst die Wirkung

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[304/0320] Einleitung 1870 bis 1900. sächlich veranlaſst durch die hoffnungsvolle Stimmung, welche durch die wichtige Erfindung der Entphosphorung von Thomas und Gilchrist erweckt worden war. Die Einführung des Thomasver- fahrens bedingte eine Zunahme des Eisenbedarfs, die bis 1883 anhielt. 1884 trat wieder ein Rückschlag ein, der bis 1886 dauerte. 1887 begann eine wachsende Zunahme der Eisenerzeugung, besonders in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, welche im Jahre 1890 Groſs- britannien, das über hundert Jahre die erste Stelle unter den Eisen erzeugenden Ländern eingenommen hatte, überflügelte und dauernd aus seiner leitenden Stellung verdrängte. Auf das glänzende Jahr 1890 folgte aber eine Zeit des Niederganges, die bis 1895 dauerte. Seit dieser Zeit nahm die Eisenerzeugung von Jahr zu Jahr zu und schloſs mit dem Jahrhundert glänzend ab. Noch stärker schwankt die Eisenerzeugung der einzelnen Länder, wie aus der graphischen Darstellung, Fig. 127, ersichtlich ist. 1870 bis 1885 schwebt die Produktionslinie Groſsbritanniens hoch über denen der übrigen Länder mit einer in Wellenlinien aufsteigenden Tendenz bis zu dem Maximum 1883. Von 1885 nimmt plötzlich die amerikanische Produktionslinie, welche bis dahin der englischen Linie ziemlich parallel mit einer nur langsamen Annäherung verlaufen war, eine steile Richtung nach aufwärts an, durchscheidet 1889 die englische Linie, indem sie sich mit der gewaltigen Produktion von 9333 kt im Jahre 1890 über dieselbe und über das Maximum von 1882 (8582 kt) erhebt. Wie erschöpft sinkt die amerikanische Linie 1891 wieder herab, um sich aber 1892 im scharfen Zickzack wieder zu fast gleicher Höhe zu erheben. Dann erst tritt 1892/93 eine starke Ermattung ein, so daſs die amerikanische Linie 1894 wieder bis zur britischen herabsinkt; sie schnellt dann 1895 wieder empor, fällt 1896 wieder fast bis zur englischen Kurve zurück, um von da an bis 1899 in raschem Aufsteigen die englische Linie weit unter sich zu lassen. Die beiden Linien geben ein deutliches Bild des intensiven Wettkampfes der beiden gröſsten Eisenländer. Die fast leidenschaft- liche Energie des amerikanischen Wettbewerbes drückt sich in steilen Auf- und Abwärtsbewegungen, die scharfe Winkel bilden, aus, während Englands Anstrengungen mehr in wellenförmigen Linien zum Aus- druck kommen, die von 1883 bis 1886 und von 1889 bis 1892 ein starkes Fallen zeigen. Von viel gröſserer Stetigkeit in steigender Richtung stellt sich die deutsche Produktionslinie dar. Sie erreicht nächst der amerikanischen den gröſsten Höhenunterschied. Bei der französischen Produktionslinie macht sich zunächst die Wirkung

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/320>, abgerufen am 27.11.2024.