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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.
Erfolg angegriffen wurden. Kelly, der in Pittsburg geboren war,
erwarb 1846 eine Eisenhütte in Eddysville, Kentucky, die aus einem
Hochofen, zwei Feineisenfeuern und zehn Frisch- und Schweissherden
(forge fires) bestand. Er machte Versuche, flüssiges Eisen durch
Einblasen von Luft zu entkohlen. Hierfür konstruierte er einen etwa
10 Fuss hohen Schachtofen mit zwei Formen übereinander; die obere
sollte schmelzen, die untere entkohlen. Diese im Jahre 1847 aus-
geführten Versuche hatten keinen Erfolg. 1851 nahm Kelly dieselben
wieder auf und zwar im Hochofen selbst, dem er einen runden Herd
gab, an dessen tiefstem Punkt eine Düse einmündete. Bis zu einem
gewissen Grade gelang die Entkohlung rasch und gut, indem er in
5 bis 10 Minuten ein gefeintes Roheisen erhielt, wozu er im Fein-
eisenfeuer eine Stunde brauchte. Er hoffte, wie er wenigstens später
behauptet hat, auf diesem Wege schmiedbares Eisen zu erhalten, doch
gelang es ihm nur in ganz vereinzelten Fällen, ein schmiedbares
Produkt zu erzielen. Einmal war er imstande, eine Stange von 4 Fuss
Länge und 3/8 Zoll Quadrat zu schmieden, möglicherweise das erste
durch den pneumatischen Prozess erzeugte Eisen. Der Erfolg in
dieser Richtung war aber so gering, dass er ganz davon absah und
sein Verfahren nur als Feinprozess ausbildete. Zu diesem Zweck
baute er einen gemauerten Feinherd von 5 Fuss Höhe und 18 Zoll
Durchmesser vor dem Hochofen, den das abgestochene Roheisen
passieren musste. Durch zwei seitliche Düsen von 3/4 Zoll Durch-
messer wurde der Wind durch das Eisen gepresst. Später begnügte
er sich mit einer Düse von 1 Zoll Durchmesser. In diesem Gefäss
konnte er 1500 Pfund in 5 bis 10 Minuten feinen. Die alten Fein-
eisenfeuer wurden ganz entbehrlich. Die aus dem so gefeinten Eisen
erzeugten Luppen gaben gutes Kesselblech. Der Prozess war in der
ganzen Gegend als Kellys Windkochen (air boiling process) bekannt;
doch nahm er kein Patent darauf, angeblich, weil er das Verfahren
noch zu verbessern und schmiedbares Eisen zu erhalten hoffte. Erst
als Bessemer 1857 mit seiner Erfindung auftrat, suchte er um ein
Patent nach und beanspruchte die Priorität. Stahl hat er aber nach
seinem eigenen Zugeständnis nie gemacht, sondern nur gefeintes Roh-
eisen, auch war sein Apparat hierfür durchaus ungenügend. Kellys
Einsprache hatte aber die verhängnisvolle Wirkung, dass Bessemers
Patente für ungültig erklärt wurden. Infolgedessen blieb Bessemers
Prozess, trotz der Erfolge in Europa, in Amerika viele Jahre fast
unbeachtet. Konnte doch Abr. L. Hewitt in seinem Bericht über die
Pariser Weltausstellung von 1867 noch den Aufschwung des Bessemer-

Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870.
Erfolg angegriffen wurden. Kelly, der in Pittsburg geboren war,
erwarb 1846 eine Eisenhütte in Eddysville, Kentucky, die aus einem
Hochofen, zwei Feineisenfeuern und zehn Frisch- und Schweiſsherden
(forge fires) bestand. Er machte Versuche, flüssiges Eisen durch
Einblasen von Luft zu entkohlen. Hierfür konstruierte er einen etwa
10 Fuſs hohen Schachtofen mit zwei Formen übereinander; die obere
sollte schmelzen, die untere entkohlen. Diese im Jahre 1847 aus-
geführten Versuche hatten keinen Erfolg. 1851 nahm Kelly dieselben
wieder auf und zwar im Hochofen selbst, dem er einen runden Herd
gab, an dessen tiefstem Punkt eine Düse einmündete. Bis zu einem
gewissen Grade gelang die Entkohlung rasch und gut, indem er in
5 bis 10 Minuten ein gefeintes Roheisen erhielt, wozu er im Fein-
eisenfeuer eine Stunde brauchte. Er hoffte, wie er wenigstens später
behauptet hat, auf diesem Wege schmiedbares Eisen zu erhalten, doch
gelang es ihm nur in ganz vereinzelten Fällen, ein schmiedbares
Produkt zu erzielen. Einmal war er imstande, eine Stange von 4 Fuſs
Länge und ⅜ Zoll Quadrat zu schmieden, möglicherweise das erste
durch den pneumatischen Prozeſs erzeugte Eisen. Der Erfolg in
dieser Richtung war aber so gering, daſs er ganz davon absah und
sein Verfahren nur als Feinprozeſs ausbildete. Zu diesem Zweck
baute er einen gemauerten Feinherd von 5 Fuſs Höhe und 18 Zoll
Durchmesser vor dem Hochofen, den das abgestochene Roheisen
passieren muſste. Durch zwei seitliche Düsen von ¾ Zoll Durch-
messer wurde der Wind durch das Eisen gepreſst. Später begnügte
er sich mit einer Düse von 1 Zoll Durchmesser. In diesem Gefäſs
konnte er 1500 Pfund in 5 bis 10 Minuten feinen. Die alten Fein-
eisenfeuer wurden ganz entbehrlich. Die aus dem so gefeinten Eisen
erzeugten Luppen gaben gutes Kesselblech. Der Prozeſs war in der
ganzen Gegend als Kellys Windkochen (air boiling process) bekannt;
doch nahm er kein Patent darauf, angeblich, weil er das Verfahren
noch zu verbessern und schmiedbares Eisen zu erhalten hoffte. Erst
als Bessemer 1857 mit seiner Erfindung auftrat, suchte er um ein
Patent nach und beanspruchte die Priorität. Stahl hat er aber nach
seinem eigenen Zugeständnis nie gemacht, sondern nur gefeintes Roh-
eisen, auch war sein Apparat hierfür durchaus ungenügend. Kellys
Einsprache hatte aber die verhängnisvolle Wirkung, daſs Bessemers
Patente für ungültig erklärt wurden. Infolgedessen blieb Bessemers
Prozeſs, trotz der Erfolge in Europa, in Amerika viele Jahre fast
unbeachtet. Konnte doch Abr. L. Hewitt in seinem Bericht über die
Pariser Weltausstellung von 1867 noch den Aufschwung des Bessemer-

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[294/0310] Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. Erfolg angegriffen wurden. Kelly, der in Pittsburg geboren war, erwarb 1846 eine Eisenhütte in Eddysville, Kentucky, die aus einem Hochofen, zwei Feineisenfeuern und zehn Frisch- und Schweiſsherden (forge fires) bestand. Er machte Versuche, flüssiges Eisen durch Einblasen von Luft zu entkohlen. Hierfür konstruierte er einen etwa 10 Fuſs hohen Schachtofen mit zwei Formen übereinander; die obere sollte schmelzen, die untere entkohlen. Diese im Jahre 1847 aus- geführten Versuche hatten keinen Erfolg. 1851 nahm Kelly dieselben wieder auf und zwar im Hochofen selbst, dem er einen runden Herd gab, an dessen tiefstem Punkt eine Düse einmündete. Bis zu einem gewissen Grade gelang die Entkohlung rasch und gut, indem er in 5 bis 10 Minuten ein gefeintes Roheisen erhielt, wozu er im Fein- eisenfeuer eine Stunde brauchte. Er hoffte, wie er wenigstens später behauptet hat, auf diesem Wege schmiedbares Eisen zu erhalten, doch gelang es ihm nur in ganz vereinzelten Fällen, ein schmiedbares Produkt zu erzielen. Einmal war er imstande, eine Stange von 4 Fuſs Länge und ⅜ Zoll Quadrat zu schmieden, möglicherweise das erste durch den pneumatischen Prozeſs erzeugte Eisen. Der Erfolg in dieser Richtung war aber so gering, daſs er ganz davon absah und sein Verfahren nur als Feinprozeſs ausbildete. Zu diesem Zweck baute er einen gemauerten Feinherd von 5 Fuſs Höhe und 18 Zoll Durchmesser vor dem Hochofen, den das abgestochene Roheisen passieren muſste. Durch zwei seitliche Düsen von ¾ Zoll Durch- messer wurde der Wind durch das Eisen gepreſst. Später begnügte er sich mit einer Düse von 1 Zoll Durchmesser. In diesem Gefäſs konnte er 1500 Pfund in 5 bis 10 Minuten feinen. Die alten Fein- eisenfeuer wurden ganz entbehrlich. Die aus dem so gefeinten Eisen erzeugten Luppen gaben gutes Kesselblech. Der Prozeſs war in der ganzen Gegend als Kellys Windkochen (air boiling process) bekannt; doch nahm er kein Patent darauf, angeblich, weil er das Verfahren noch zu verbessern und schmiedbares Eisen zu erhalten hoffte. Erst als Bessemer 1857 mit seiner Erfindung auftrat, suchte er um ein Patent nach und beanspruchte die Priorität. Stahl hat er aber nach seinem eigenen Zugeständnis nie gemacht, sondern nur gefeintes Roh- eisen, auch war sein Apparat hierfür durchaus ungenügend. Kellys Einsprache hatte aber die verhängnisvolle Wirkung, daſs Bessemers Patente für ungültig erklärt wurden. Infolgedessen blieb Bessemers Prozeſs, trotz der Erfolge in Europa, in Amerika viele Jahre fast unbeachtet. Konnte doch Abr. L. Hewitt in seinem Bericht über die Pariser Weltausstellung von 1867 noch den Aufschwung des Bessemer-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/310>, abgerufen am 28.11.2024.