erkennbaren Einfluss auf die Eigenschaften des Eisens auszuüben. Dass die Gegenwart von Stickstoff zur Kohlung des Eisens nicht not- wendig ist, hat Marguerite 1864 dadurch bewiesen, dass es ihm gelang, reines Schmiedeeisen durch Glühen mit reinem Kohlenoxydgas, welches er aus Oxalsäure mittelst Schwefelsäure bereitet hatte, in Stahl zu verwandeln. Ebenso gelang es Marguerite, Eisendraht in Diamantpulver zu cementieren.
Graham Stuart und W. Baker machten 1865 sehr sorgfältige Untersuchungen über den Stickstoffgehalt des Stahls, konnten aber in den meisten Fällen keinen nachweisen.
Auch über die Rolle, welche der Kohlenstoff in den Eisenarten spielt, gingen die Ansichten in den ersten Jahren dieses Zeit- abschnittes weit auseinander. Gurlt und seine Anhänger hielten an der Existenz des Achtelcarburetes (Fe8C) fest und nahmen sogar noch niedrigere bestimmte Carburete an. P. Tunner1) verwarf die Existenz des Achtelcarburets als eine theoretische Fiction, hielt aber an der Existenz des Viertelcarburets (Fe4C) als Spiegeleisen fest. Rammelsberg bestritt, dass die chemischen Analysen zu dieser Annahme berechtigten. Die zuverlässigsten ergäben einen geringeren Kohlenstoffgehalt, als Fe4C entspräche. Er glaubte aber überhaupt nicht an das Bestehen fester Carburete im Eisen, wies vielmehr auf den Isomorphismus von Eisen, Kohlenstoff, Silicium und Phosphor hin als die wahrscheinliche Ursache der Zusammensetzung und des Verhaltens. Jullien hielt die Eisensorten für Auflösungen verschiedener Mengen von Kohlenstoff, Silicium, Phosphor, Schwefel u. s. w. in reinem Eisen (1865). Dürre neigte sich Rammelsbergs Auffassung zu und sah in den Roheisen- sorten Gemenge von Legierungen, deren Haupttypen das rheinische Spiegeleisen, das schwedische Kanoneneisen und das schottische Giessereiroheisen seien. Caron gelangte (1863) zu denselben Resul- taten wie vordem Karsten. De Cigancourt führte 1865 die früher einmal von Berzelius aufgestellte Ansicht, dass es zwei verschiedene allotropische Zustände des Eisens gebe, die er als Ferricum und Ferrosum bezeichnete, weiter aus. Das Ferrosum, das Metall der Oxydule, ist nach Cigancourt weiss und hart und geht leicht in Ferricum über; das Ferricum, das Metall der wasserfreien Oxyde, ist grau und weich. Im grauen Roheisen herrscht das Ferricum vor, im halbierten sind beide in ihrer Eigenart enthalten; Schmiedeeisen ist aus variabelen Gemengen beider Eisensorten, die in Ferricum über-
1) Siehe Jahrbuch der österr. Bergakademien etc. für 1861.
Chemie 1861 bis 1870.
erkennbaren Einfluſs auf die Eigenschaften des Eisens auszuüben. Daſs die Gegenwart von Stickstoff zur Kohlung des Eisens nicht not- wendig ist, hat Marguerite 1864 dadurch bewiesen, daſs es ihm gelang, reines Schmiedeeisen durch Glühen mit reinem Kohlenoxydgas, welches er aus Oxalsäure mittelst Schwefelsäure bereitet hatte, in Stahl zu verwandeln. Ebenso gelang es Marguerite, Eisendraht in Diamantpulver zu cementieren.
Graham Stuart und W. Baker machten 1865 sehr sorgfältige Untersuchungen über den Stickstoffgehalt des Stahls, konnten aber in den meisten Fällen keinen nachweisen.
Auch über die Rolle, welche der Kohlenstoff in den Eisenarten spielt, gingen die Ansichten in den ersten Jahren dieses Zeit- abschnittes weit auseinander. Gurlt und seine Anhänger hielten an der Existenz des Achtelcarburetes (Fe8C) fest und nahmen sogar noch niedrigere bestimmte Carburete an. P. Tunner1) verwarf die Existenz des Achtelcarburets als eine theoretische Fiction, hielt aber an der Existenz des Viertelcarburets (Fe4C) als Spiegeleisen fest. Rammelsberg bestritt, daſs die chemischen Analysen zu dieser Annahme berechtigten. Die zuverlässigsten ergäben einen geringeren Kohlenstoffgehalt, als Fe4C entspräche. Er glaubte aber überhaupt nicht an das Bestehen fester Carburete im Eisen, wies vielmehr auf den Isomorphismus von Eisen, Kohlenstoff, Silicium und Phosphor hin als die wahrscheinliche Ursache der Zusammensetzung und des Verhaltens. Jullien hielt die Eisensorten für Auflösungen verschiedener Mengen von Kohlenstoff, Silicium, Phosphor, Schwefel u. s. w. in reinem Eisen (1865). Dürre neigte sich Rammelsbergs Auffassung zu und sah in den Roheisen- sorten Gemenge von Legierungen, deren Haupttypen das rheinische Spiegeleisen, das schwedische Kanoneneisen und das schottische Gieſsereiroheisen seien. Caron gelangte (1863) zu denselben Resul- taten wie vordem Karsten. De Cigancourt führte 1865 die früher einmal von Berzelius aufgestellte Ansicht, daſs es zwei verschiedene allotropische Zustände des Eisens gebe, die er als Ferricum und Ferrosum bezeichnete, weiter aus. Das Ferrosum, das Metall der Oxydule, ist nach Cigancourt weiſs und hart und geht leicht in Ferricum über; das Ferricum, das Metall der wasserfreien Oxyde, ist grau und weich. Im grauen Roheisen herrscht das Ferricum vor, im halbierten sind beide in ihrer Eigenart enthalten; Schmiedeeisen ist aus variabelen Gemengen beider Eisensorten, die in Ferricum über-
1) Siehe Jahrbuch der österr. Bergakademien etc. für 1861.
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Chemie 1861 bis 1870.
erkennbaren Einfluſs auf die Eigenschaften des Eisens auszuüben.
Daſs die Gegenwart von Stickstoff zur Kohlung des Eisens nicht not-
wendig ist, hat Marguerite 1864 dadurch bewiesen, daſs es ihm
gelang, reines Schmiedeeisen durch Glühen mit reinem Kohlenoxydgas,
welches er aus Oxalsäure mittelst Schwefelsäure bereitet hatte, in
Stahl zu verwandeln. Ebenso gelang es Marguerite, Eisendraht in
Diamantpulver zu cementieren.
Graham Stuart und W. Baker machten 1865 sehr sorgfältige
Untersuchungen über den Stickstoffgehalt des Stahls, konnten aber in
den meisten Fällen keinen nachweisen.
Auch über die Rolle, welche der Kohlenstoff in den Eisenarten
spielt, gingen die Ansichten in den ersten Jahren dieses Zeit-
abschnittes weit auseinander. Gurlt und seine Anhänger hielten an
der Existenz des Achtelcarburetes (Fe8C) fest und nahmen sogar noch
niedrigere bestimmte Carburete an. P. Tunner 1) verwarf die Existenz
des Achtelcarburets als eine theoretische Fiction, hielt aber an der
Existenz des Viertelcarburets (Fe4C) als Spiegeleisen fest. Rammelsberg
bestritt, daſs die chemischen Analysen zu dieser Annahme berechtigten.
Die zuverlässigsten ergäben einen geringeren Kohlenstoffgehalt, als Fe4C
entspräche. Er glaubte aber überhaupt nicht an das Bestehen fester
Carburete im Eisen, wies vielmehr auf den Isomorphismus von Eisen,
Kohlenstoff, Silicium und Phosphor hin als die wahrscheinliche
Ursache der Zusammensetzung und des Verhaltens. Jullien hielt die
Eisensorten für Auflösungen verschiedener Mengen von Kohlenstoff,
Silicium, Phosphor, Schwefel u. s. w. in reinem Eisen (1865). Dürre
neigte sich Rammelsbergs Auffassung zu und sah in den Roheisen-
sorten Gemenge von Legierungen, deren Haupttypen das rheinische
Spiegeleisen, das schwedische Kanoneneisen und das schottische
Gieſsereiroheisen seien. Caron gelangte (1863) zu denselben Resul-
taten wie vordem Karsten. De Cigancourt führte 1865 die früher
einmal von Berzelius aufgestellte Ansicht, daſs es zwei verschiedene
allotropische Zustände des Eisens gebe, die er als Ferricum und
Ferrosum bezeichnete, weiter aus. Das Ferrosum, das Metall der
Oxydule, ist nach Cigancourt weiſs und hart und geht leicht in
Ferricum über; das Ferricum, das Metall der wasserfreien Oxyde, ist
grau und weich. Im grauen Roheisen herrscht das Ferricum vor, im
halbierten sind beide in ihrer Eigenart enthalten; Schmiedeeisen ist
aus variabelen Gemengen beider Eisensorten, die in Ferricum über-
1) Siehe Jahrbuch der österr. Bergakademien etc. für 1861.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/29>, abgerufen am 21.11.2024.
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