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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Vereinigte Staaten von Nordamerika.
109 Centner in 52 Minuten. Als die best eingerichteten Werke galten
die zu Joliet und Bethlehem. Die Leistungen der amerikanischen
Bessemerwerke hatten die der europäischen überflügelt. Englischer
Gussstahl war dagegen noch unentbehrlich.

Versuche auf dem Joliet-Bessemerwerk, mit nach dem System
Berard gewaschenen Steinkohlen Bessemerroheisen zu erblasen,
hatten keinen Erfolg, weil auch die gewaschene Illinoiskohle immer noch
zu reich an Schwefel war. Man musste also wieder zu grauem Holz-
kohlenroheisen vom Oberensee zurückkehren. Chargierapparate für
Hochöfen von Weimer und Birkenbine wurden zu Lebanon, Pa.,
eingeführt. 1875 führte man auf demselben Werke das Puddeln mit
natürlichem Gas ein, nachdem Eames schon 1873 zu Jersey City mit
dem von ihm erfundenen Petroleum-Generator Schweissöfen betrieben
hatte. Strong bereitete zuerst Wassergas. John Fritz erfand
sein Trio-Blockwalzwerk. Die rasch gehenden Dampfmaschinen
("Schnellläufer") kamen immer mehr in Aufnahme.

1876 fand die erste Weltausstellung in den Vereinigten Staaten zu
Philadelphia statt, welche die Fortschritte auf dem Gebiete der Eisen-
industrie zur Darstellung brachte und wesentlich dazu beitrug, die Auf-
merksamkeit der Industriellen Europas zu erwecken. Dies wurde ge-
fördert durch die anerkennenden Berichte von P. von Tunner, Wedding,
Akerman
und anderen. Am meisten erregten die Leistungen der
Bessemerwerke Bewunderung, doch bot auch die Hochofenindustrie viel
Bemerkenswertes dar. Ward erzeugte zu Carterville in Georgia in
einem kleinen Holzkohlenofen täglich 3 Tonnen Ferromangan. Es
gab Holzkohlenöfen von 62 bis 69 Fuss Höhe und 14 bis 16 Fuss
Kohlensackweite, welche die grossen Öfen im Ural und in Österreich
übertrafen. Dabei war ihre Erzeugung infolge der reichen Erze und
der kräftigen Gebläse viel höher als in Europa. Die Erze waren viel-
fach so reich an Eisen und so arm an Thonerde, dass man wegen der
notwendigen Schlackenbildung den Dolomit dem Kalkstein vorzog. --
Das Bessemerroheisen wurde bereits grossenteils im Lande erblasen
und zwar aus Erzen vom Oberen und vom Champlain-See. Es fiel
meistens sehr grau. Das auf den Edgar-Thomsonwerken erblasene
hatte 3,8 Prozent Graphit, 0,6 gebundenen Kohlenstoff, 2 Silicium,
0,2 bis 0,3 Mangan, 0,07 bis 1,11 Phosphor und 0,002 bis 0,020
Schwefel. Für den Bessemerprozess wurde das Roheisen in Kupolöfen,
unter denen sich die McKenzie-Öfen gut bewährten, umgeschmolzen.
Das Roheisen wurde in eine Pfanne, die auf einer Wage stand, ab-
gestochen und dann in die Birne entleert. Die Birnen standen nicht

Vereinigte Staaten von Nordamerika.
109 Centner in 52 Minuten. Als die best eingerichteten Werke galten
die zu Joliet und Bethlehem. Die Leistungen der amerikanischen
Bessemerwerke hatten die der europäischen überflügelt. Englischer
Guſsstahl war dagegen noch unentbehrlich.

Versuche auf dem Joliet-Bessemerwerk, mit nach dem System
Bérard gewaschenen Steinkohlen Bessemerroheisen zu erblasen,
hatten keinen Erfolg, weil auch die gewaschene Illinoiskohle immer noch
zu reich an Schwefel war. Man muſste also wieder zu grauem Holz-
kohlenroheisen vom Oberensee zurückkehren. Chargierapparate für
Hochöfen von Weimer und Birkenbine wurden zu Lebanon, Pa.,
eingeführt. 1875 führte man auf demselben Werke das Puddeln mit
natürlichem Gas ein, nachdem Eames schon 1873 zu Jersey City mit
dem von ihm erfundenen Petroleum-Generator Schweiſsöfen betrieben
hatte. Strong bereitete zuerst Wassergas. John Fritz erfand
sein Trio-Blockwalzwerk. Die rasch gehenden Dampfmaschinen
(„Schnellläufer“) kamen immer mehr in Aufnahme.

1876 fand die erste Weltausstellung in den Vereinigten Staaten zu
Philadelphia statt, welche die Fortschritte auf dem Gebiete der Eisen-
industrie zur Darstellung brachte und wesentlich dazu beitrug, die Auf-
merksamkeit der Industriellen Europas zu erwecken. Dies wurde ge-
fördert durch die anerkennenden Berichte von P. von Tunner, Wedding,
Åkerman
und anderen. Am meisten erregten die Leistungen der
Bessemerwerke Bewunderung, doch bot auch die Hochofenindustrie viel
Bemerkenswertes dar. Ward erzeugte zu Carterville in Georgia in
einem kleinen Holzkohlenofen täglich 3 Tonnen Ferromangan. Es
gab Holzkohlenöfen von 62 bis 69 Fuſs Höhe und 14 bis 16 Fuſs
Kohlensackweite, welche die groſsen Öfen im Ural und in Österreich
übertrafen. Dabei war ihre Erzeugung infolge der reichen Erze und
der kräftigen Gebläse viel höher als in Europa. Die Erze waren viel-
fach so reich an Eisen und so arm an Thonerde, daſs man wegen der
notwendigen Schlackenbildung den Dolomit dem Kalkstein vorzog. —
Das Bessemerroheisen wurde bereits groſsenteils im Lande erblasen
und zwar aus Erzen vom Oberen und vom Champlain-See. Es fiel
meistens sehr grau. Das auf den Edgar-Thomsonwerken erblasene
hatte 3,8 Prozent Graphit, 0,6 gebundenen Kohlenstoff, 2 Silicium,
0,2 bis 0,3 Mangan, 0,07 bis 1,11 Phosphor und 0,002 bis 0,020
Schwefel. Für den Bessemerprozeſs wurde das Roheisen in Kupolöfen,
unter denen sich die McKenzie-Öfen gut bewährten, umgeschmolzen.
Das Roheisen wurde in eine Pfanne, die auf einer Wage stand, ab-
gestochen und dann in die Birne entleert. Die Birnen standen nicht

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[1285/1301] Vereinigte Staaten von Nordamerika. 109 Centner in 52 Minuten. Als die best eingerichteten Werke galten die zu Joliet und Bethlehem. Die Leistungen der amerikanischen Bessemerwerke hatten die der europäischen überflügelt. Englischer Guſsstahl war dagegen noch unentbehrlich. Versuche auf dem Joliet-Bessemerwerk, mit nach dem System Bérard gewaschenen Steinkohlen Bessemerroheisen zu erblasen, hatten keinen Erfolg, weil auch die gewaschene Illinoiskohle immer noch zu reich an Schwefel war. Man muſste also wieder zu grauem Holz- kohlenroheisen vom Oberensee zurückkehren. Chargierapparate für Hochöfen von Weimer und Birkenbine wurden zu Lebanon, Pa., eingeführt. 1875 führte man auf demselben Werke das Puddeln mit natürlichem Gas ein, nachdem Eames schon 1873 zu Jersey City mit dem von ihm erfundenen Petroleum-Generator Schweiſsöfen betrieben hatte. Strong bereitete zuerst Wassergas. John Fritz erfand sein Trio-Blockwalzwerk. Die rasch gehenden Dampfmaschinen („Schnellläufer“) kamen immer mehr in Aufnahme. 1876 fand die erste Weltausstellung in den Vereinigten Staaten zu Philadelphia statt, welche die Fortschritte auf dem Gebiete der Eisen- industrie zur Darstellung brachte und wesentlich dazu beitrug, die Auf- merksamkeit der Industriellen Europas zu erwecken. Dies wurde ge- fördert durch die anerkennenden Berichte von P. von Tunner, Wedding, Åkerman und anderen. Am meisten erregten die Leistungen der Bessemerwerke Bewunderung, doch bot auch die Hochofenindustrie viel Bemerkenswertes dar. Ward erzeugte zu Carterville in Georgia in einem kleinen Holzkohlenofen täglich 3 Tonnen Ferromangan. Es gab Holzkohlenöfen von 62 bis 69 Fuſs Höhe und 14 bis 16 Fuſs Kohlensackweite, welche die groſsen Öfen im Ural und in Österreich übertrafen. Dabei war ihre Erzeugung infolge der reichen Erze und der kräftigen Gebläse viel höher als in Europa. Die Erze waren viel- fach so reich an Eisen und so arm an Thonerde, daſs man wegen der notwendigen Schlackenbildung den Dolomit dem Kalkstein vorzog. — Das Bessemerroheisen wurde bereits groſsenteils im Lande erblasen und zwar aus Erzen vom Oberen und vom Champlain-See. Es fiel meistens sehr grau. Das auf den Edgar-Thomsonwerken erblasene hatte 3,8 Prozent Graphit, 0,6 gebundenen Kohlenstoff, 2 Silicium, 0,2 bis 0,3 Mangan, 0,07 bis 1,11 Phosphor und 0,002 bis 0,020 Schwefel. Für den Bessemerprozeſs wurde das Roheisen in Kupolöfen, unter denen sich die McKenzie-Öfen gut bewährten, umgeschmolzen. Das Roheisen wurde in eine Pfanne, die auf einer Wage stand, ab- gestochen und dann in die Birne entleert. Die Birnen standen nicht

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1301>, abgerufen am 23.11.2024.