Die Eisenindustrie Schwedens zeigt seit 1870 eine rege Ent- faltung auf ihrer natürlichen Grundlage. Diese hat durch den Reichtum an vorzüglichen Erzen und den Mangel an Steinkohlen viele Ähnlichkeit mit derjenigen der Alpenländer Österreichs, dennoch war die Entwickelung seit 1870 in mancher Beziehung eine abweichende.
Während man in Österreich in ausgedehnter Weise Dampfbetrieb und in Verbindung damit eine Konzentration der Betriebe und Massenerzeugung einführte, blieb man in Schweden bei der Aus- nutzung der zahlreichen Wassergefälle, welche die Kraft für viele, aber nicht sehr umfangreiche Eisenwerke lieferten. Das Haupt- bestreben war nach wie vor auf Qualität gerichtet, was durch das teure Brennmaterial, die Holzkohlen, die vorzüglichen Erze und die An- forderungen des Handels geboten war. Hierfür waren weniger umfang- reiche Betriebe geeigneter als Massenbetriebe. Auch in Schweden fanden die neuen Erfindungen auf dem Gebiete der Flusseisen- erzeugung Eingang und Verbreitung, aber sie verdrängten die alten Betriebe doch nicht so rasch und so energisch wie in anderen Ländern. Der Bessemerprozess, der durch die Bemühungen des am 12. Mai 1900 verstorbenen Göran Frederik Göransson 1858 seinen ersten durchschlagenden Erfolg erzielt hatte, entwickelte sich in den siebziger Jahren in einer Anzahl beschränkter Einzelbetriebe, ohne die Schweisseisenfabrikation in Frischherden einzuschränken. Der Bessemerstahl war ein neues Produkt, das zu den alten hinzukam und mehr die Einfuhr ausländischen Stahls als die eigene Erzeugung beschränkte. Auch die Einführung der Martinstahlerzeugung übte zunächst einen solchen Einfluss nicht aus, weil man auch hierbei zunächst ein hartes Produkt, einen billigen Werkzeugstahl darstellte; erst nach der Einführung des basischen Verfahrens, welches ein billigeres weiches Eisen lieferte, machte sich seit 1891 eine nachteilige Wirkung auf die Erzeugung von Herdfrischeisen bemerkbar.
Schweden.
Einfuhrzölle in Gulden ö. W. pro 100 kg.
[Tabelle]
Schweden.
Die Eisenindustrie Schwedens zeigt seit 1870 eine rege Ent- faltung auf ihrer natürlichen Grundlage. Diese hat durch den Reichtum an vorzüglichen Erzen und den Mangel an Steinkohlen viele Ähnlichkeit mit derjenigen der Alpenländer Österreichs, dennoch war die Entwickelung seit 1870 in mancher Beziehung eine abweichende.
Während man in Österreich in ausgedehnter Weise Dampfbetrieb und in Verbindung damit eine Konzentration der Betriebe und Massenerzeugung einführte, blieb man in Schweden bei der Aus- nutzung der zahlreichen Wassergefälle, welche die Kraft für viele, aber nicht sehr umfangreiche Eisenwerke lieferten. Das Haupt- bestreben war nach wie vor auf Qualität gerichtet, was durch das teure Brennmaterial, die Holzkohlen, die vorzüglichen Erze und die An- forderungen des Handels geboten war. Hierfür waren weniger umfang- reiche Betriebe geeigneter als Massenbetriebe. Auch in Schweden fanden die neuen Erfindungen auf dem Gebiete der Fluſseisen- erzeugung Eingang und Verbreitung, aber sie verdrängten die alten Betriebe doch nicht so rasch und so energisch wie in anderen Ländern. Der Bessemerprozeſs, der durch die Bemühungen des am 12. Mai 1900 verstorbenen Göran Frederik Göransson 1858 seinen ersten durchschlagenden Erfolg erzielt hatte, entwickelte sich in den siebziger Jahren in einer Anzahl beschränkter Einzelbetriebe, ohne die Schweiſseisenfabrikation in Frischherden einzuschränken. Der Bessemerstahl war ein neues Produkt, das zu den alten hinzukam und mehr die Einfuhr ausländischen Stahls als die eigene Erzeugung beschränkte. Auch die Einführung der Martinstahlerzeugung übte zunächst einen solchen Einfluſs nicht aus, weil man auch hierbei zunächst ein hartes Produkt, einen billigen Werkzeugstahl darstellte; erst nach der Einführung des basischen Verfahrens, welches ein billigeres weiches Eisen lieferte, machte sich seit 1891 eine nachteilige Wirkung auf die Erzeugung von Herdfrischeisen bemerkbar.
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Schweden.
Einfuhrzölle in Gulden ö. W. pro 100 kg.
Schweden.
Die Eisenindustrie Schwedens zeigt seit 1870 eine rege Ent-
faltung auf ihrer natürlichen Grundlage. Diese hat durch den
Reichtum an vorzüglichen Erzen und den Mangel an Steinkohlen viele
Ähnlichkeit mit derjenigen der Alpenländer Österreichs, dennoch war
die Entwickelung seit 1870 in mancher Beziehung eine abweichende.
Während man in Österreich in ausgedehnter Weise Dampfbetrieb
und in Verbindung damit eine Konzentration der Betriebe und
Massenerzeugung einführte, blieb man in Schweden bei der Aus-
nutzung der zahlreichen Wassergefälle, welche die Kraft für viele,
aber nicht sehr umfangreiche Eisenwerke lieferten. Das Haupt-
bestreben war nach wie vor auf Qualität gerichtet, was durch das
teure Brennmaterial, die Holzkohlen, die vorzüglichen Erze und die An-
forderungen des Handels geboten war. Hierfür waren weniger umfang-
reiche Betriebe geeigneter als Massenbetriebe. Auch in Schweden
fanden die neuen Erfindungen auf dem Gebiete der Fluſseisen-
erzeugung Eingang und Verbreitung, aber sie verdrängten die alten
Betriebe doch nicht so rasch und so energisch wie in anderen
Ländern. Der Bessemerprozeſs, der durch die Bemühungen des am
12. Mai 1900 verstorbenen Göran Frederik Göransson 1858 seinen
ersten durchschlagenden Erfolg erzielt hatte, entwickelte sich in den
siebziger Jahren in einer Anzahl beschränkter Einzelbetriebe, ohne
die Schweiſseisenfabrikation in Frischherden einzuschränken. Der
Bessemerstahl war ein neues Produkt, das zu den alten hinzukam
und mehr die Einfuhr ausländischen Stahls als die eigene Erzeugung
beschränkte. Auch die Einführung der Martinstahlerzeugung übte
zunächst einen solchen Einfluſs nicht aus, weil man auch hierbei
zunächst ein hartes Produkt, einen billigen Werkzeugstahl darstellte;
erst nach der Einführung des basischen Verfahrens, welches ein
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1199>, abgerufen am 23.11.2024.
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