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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Österreich-Ungarn.
Die grösste Entfaltung hatte die mährisch-schlesische Gruppe ge-
nommen 1). Die Hauptwerke waren in Witkowitz, Trzynietz, Blansko,
Stefanau und Friedland. Der Aufschwung erfolgte besonders, nachdem
Witkowitz und nach ihm Trzynietz dazu übergegangen waren, statt der
armen mährischen und schlesischen Erze reiche Spat- und Brauneisen-
erze aus Steiermark und Ungarn zu beziehen. Der Hauptbezug geschah
von den reichen Lagerstätten Ungarns zu Rudobanya und Zips. Hand
in Hand damit gingen Vervollkommnungen des Hochofenbetriebes,
womit Witkowitz zuerst vorging. Dieses erzeugte durch entsprechende
Mischungen der mannigfaltigen bezogenen Erzsorten alle möglichen
Eisensorten, wie z. B. Spiegeleisen, Ferromangan, Siliciumeisen, Phosphor-
eisen und Chromeisen sowohl für den eigenen Bedarf als für den Verkauf.

Witkowitz arbeitete seit 1896 mit sechs Hochöfen von 290 bis
363 cbm Inhalt und 150 bis 170 Tonnen Tageserzeugung von weissem
Roheisen oder 130 Tonnen Giessereieisen. Bei weissem Eisen wurden
90 Prozent, bei Giessereieisen 105 Prozent Koks im Hochofen ver-
braucht. Witkowitz war es gelungen, mit seinen Gusswaren, wovon
es 1895 40000 Tonnen verkaufte, das englische Giessereieisen zum
Teil zu verdrängen. Das erzherzoglich Albrechtsche Werk zu Trzynietz
arbeitete 1896 auf ähnlicher Grundlage mit zwei Kokshochöfen; ausser-
dem hatte es mehrere Holzkohlenhochöfen, welche wie die zu Stefanau
und Friedland graues Roheisen, das direkt aus dem Hochofen ver-
gossen wurde, erzeugten. Stefanau und Blansko betrieben je einen
nicht grossen Kokshochofen auf Giessereieisen. Die als Hausarbeit
betriebene Kleineisenindustrie war auch in Böhmen und Mähren zu-
rückgegangen, immerhin war die Herstellung von Messern und Messer-
feilen noch ein wichtiges Gewerbe zu Rudolfstadt und Budweis in
Böhmen und zu Rautschka und Hosialkow in Mähren.

Ausserhalb der Hauptgebiete waren noch zwei bemerkenswerte Hoch-
ofenanlagen im Süden der österreichischen Monarchie in den neunziger
Jahren entstanden: zu Vares in Bosnien und die zu Servola bei Triest.

Seitdem Bosnien 1878 in österreichische Verwaltung über-
gegangen war, wendete die Regierung den reichen Mineralschätzen
des Landes ihre Aufmerksamkeit zu. Bei Vares befand sich ein
reiches Roteisensteinlager und seit undenklicher Zeit blühte dort in
einem Seitenthal der Bosna eine Eisenindustrie, die aber mit Stück-
öfen einfachster Art arbeitete. Ein solcher Schmelzofen war ein mit
Lehm ausgekleidetes Holzgerüst. Vier Pfähle von etwa 3 m Länge

1) A. a. O. S. 769.

Österreich-Ungarn.
Die gröſste Entfaltung hatte die mährisch-schlesische Gruppe ge-
nommen 1). Die Hauptwerke waren in Witkowitz, Trzynietz, Blansko,
Stefanau und Friedland. Der Aufschwung erfolgte besonders, nachdem
Witkowitz und nach ihm Trzynietz dazu übergegangen waren, statt der
armen mährischen und schlesischen Erze reiche Spat- und Brauneisen-
erze aus Steiermark und Ungarn zu beziehen. Der Hauptbezug geschah
von den reichen Lagerstätten Ungarns zu Rudobanya und Zips. Hand
in Hand damit gingen Vervollkommnungen des Hochofenbetriebes,
womit Witkowitz zuerst vorging. Dieses erzeugte durch entsprechende
Mischungen der mannigfaltigen bezogenen Erzsorten alle möglichen
Eisensorten, wie z. B. Spiegeleisen, Ferromangan, Siliciumeisen, Phosphor-
eisen und Chromeisen sowohl für den eigenen Bedarf als für den Verkauf.

Witkowitz arbeitete seit 1896 mit sechs Hochöfen von 290 bis
363 cbm Inhalt und 150 bis 170 Tonnen Tageserzeugung von weiſsem
Roheisen oder 130 Tonnen Gieſsereieisen. Bei weiſsem Eisen wurden
90 Prozent, bei Gieſsereieisen 105 Prozent Koks im Hochofen ver-
braucht. Witkowitz war es gelungen, mit seinen Guſswaren, wovon
es 1895 40000 Tonnen verkaufte, das englische Gieſsereieisen zum
Teil zu verdrängen. Das erzherzoglich Albrechtsche Werk zu Trzynietz
arbeitete 1896 auf ähnlicher Grundlage mit zwei Kokshochöfen; auſser-
dem hatte es mehrere Holzkohlenhochöfen, welche wie die zu Stefanau
und Friedland graues Roheisen, das direkt aus dem Hochofen ver-
gossen wurde, erzeugten. Stefanau und Blansko betrieben je einen
nicht groſsen Kokshochofen auf Gieſsereieisen. Die als Hausarbeit
betriebene Kleineisenindustrie war auch in Böhmen und Mähren zu-
rückgegangen, immerhin war die Herstellung von Messern und Messer-
feilen noch ein wichtiges Gewerbe zu Rudolfstadt und Budweis in
Böhmen und zu Rautschka und Hosialkow in Mähren.

Auſserhalb der Hauptgebiete waren noch zwei bemerkenswerte Hoch-
ofenanlagen im Süden der österreichischen Monarchie in den neunziger
Jahren entstanden: zu Vares in Bosnien und die zu Servola bei Triest.

Seitdem Bosnien 1878 in österreichische Verwaltung über-
gegangen war, wendete die Regierung den reichen Mineralschätzen
des Landes ihre Aufmerksamkeit zu. Bei Vares befand sich ein
reiches Roteisensteinlager und seit undenklicher Zeit blühte dort in
einem Seitenthal der Bosna eine Eisenindustrie, die aber mit Stück-
öfen einfachster Art arbeitete. Ein solcher Schmelzofen war ein mit
Lehm ausgekleidetes Holzgerüst. Vier Pfähle von etwa 3 m Länge

1) A. a. O. S. 769.
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[1159/1175] Österreich-Ungarn. Die gröſste Entfaltung hatte die mährisch-schlesische Gruppe ge- nommen 1). Die Hauptwerke waren in Witkowitz, Trzynietz, Blansko, Stefanau und Friedland. Der Aufschwung erfolgte besonders, nachdem Witkowitz und nach ihm Trzynietz dazu übergegangen waren, statt der armen mährischen und schlesischen Erze reiche Spat- und Brauneisen- erze aus Steiermark und Ungarn zu beziehen. Der Hauptbezug geschah von den reichen Lagerstätten Ungarns zu Rudobanya und Zips. Hand in Hand damit gingen Vervollkommnungen des Hochofenbetriebes, womit Witkowitz zuerst vorging. Dieses erzeugte durch entsprechende Mischungen der mannigfaltigen bezogenen Erzsorten alle möglichen Eisensorten, wie z. B. Spiegeleisen, Ferromangan, Siliciumeisen, Phosphor- eisen und Chromeisen sowohl für den eigenen Bedarf als für den Verkauf. Witkowitz arbeitete seit 1896 mit sechs Hochöfen von 290 bis 363 cbm Inhalt und 150 bis 170 Tonnen Tageserzeugung von weiſsem Roheisen oder 130 Tonnen Gieſsereieisen. Bei weiſsem Eisen wurden 90 Prozent, bei Gieſsereieisen 105 Prozent Koks im Hochofen ver- braucht. Witkowitz war es gelungen, mit seinen Guſswaren, wovon es 1895 40000 Tonnen verkaufte, das englische Gieſsereieisen zum Teil zu verdrängen. Das erzherzoglich Albrechtsche Werk zu Trzynietz arbeitete 1896 auf ähnlicher Grundlage mit zwei Kokshochöfen; auſser- dem hatte es mehrere Holzkohlenhochöfen, welche wie die zu Stefanau und Friedland graues Roheisen, das direkt aus dem Hochofen ver- gossen wurde, erzeugten. Stefanau und Blansko betrieben je einen nicht groſsen Kokshochofen auf Gieſsereieisen. Die als Hausarbeit betriebene Kleineisenindustrie war auch in Böhmen und Mähren zu- rückgegangen, immerhin war die Herstellung von Messern und Messer- feilen noch ein wichtiges Gewerbe zu Rudolfstadt und Budweis in Böhmen und zu Rautschka und Hosialkow in Mähren. Auſserhalb der Hauptgebiete waren noch zwei bemerkenswerte Hoch- ofenanlagen im Süden der österreichischen Monarchie in den neunziger Jahren entstanden: zu Vares in Bosnien und die zu Servola bei Triest. Seitdem Bosnien 1878 in österreichische Verwaltung über- gegangen war, wendete die Regierung den reichen Mineralschätzen des Landes ihre Aufmerksamkeit zu. Bei Vares befand sich ein reiches Roteisensteinlager und seit undenklicher Zeit blühte dort in einem Seitenthal der Bosna eine Eisenindustrie, die aber mit Stück- öfen einfachster Art arbeitete. Ein solcher Schmelzofen war ein mit Lehm ausgekleidetes Holzgerüst. Vier Pfähle von etwa 3 m Länge 1) A. a. O. S. 769.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1175>, abgerufen am 23.11.2024.