Notstand entgegen zu arbeiten. Um dem Arbeitermangel abzuhelfen, gründete die Landesregierung in der Stadt Steyr eine Lehrwerkstätte.
Trotz der schlimmen Lage wurde noch Tüchtiges geleistet, wo sich alte Genossenschaften erhalten hatten oder wo grössere Unter- nehmungen sich entwickelten. Zu letzteren gehörten die berühmte Gewehrfabrik von Franz Werndl zu Unterhimmel bei Steyr, die Schöndorfer Gussstahlfabrik und die Messerwarenfabrik von Ignaz Bandl; zu ersteren gehörten die uralte Trattenbacher Messergenossenschaft, die 1880 noch 20 Meister zählte und be- sonders die Micheldorfer Sensengewerksgenossenschaft, die 46 Ge- werken umfasste, die an 1000 Arbeiter beschäftigten. Die grossen Waffenfabriken der Firma J. F. Werndl u. Co. in Steyer und Ober- letten beschäftigten 3000 bis zu 5000 Mann. Steiermarks Erzeugung betrug 1880: 130826 M.-Centner Herdfrischeisen, 353353 M.-Centner Flammofenfrischeisen und 254483 M.-Centner Flusseisen und Stahl. Zu Gratz und Zeltweg walzte man Eisenbahnschienen aus Bessemer- stahl.
Die Sensenwerke in Steiermark umfassten zu Anfang der achtziger Jahre 23 Werke mit 107 Öfen und 140 Hammerschläger, diese be- schäftigten 773 Arbeiter und verarbeiteten 18215 M.-Centner Stahl, und zwar Tiegelgussstahl, Martin- und Bessemerstahl, der weniger Aus- schuss und grössere Produktion gab als Frisch- und Puddelstahl. Sehr bedeutend hatte sich die Fabrikation von Draht und Drahtstiften in Steiermark entwickelt; sie verarbeitete auf den Werken zu Kindberg, Bruck, Thörl, Knittelfeld, Admont, Donawitz und Rottenberg 35000 M.-Centner.
Ein wichtiges Ereignis für die Eisenindustrie der Alpenländer war die Gründung der Österreichischen Alpinen Montan-Gesellschaft 1881, welche die wichtigsten Eisenwerke Steiermarks sowie die zu Prävali in Kärnten und Schwechat bei Wien in sich aufnahm; 1886 umfasste sie 31 berg- und hüttenmännische Etablissements, die 650734 Tonnen Braunkohlen, 430530 Tonnen Eisenerze, 151539 Tonnen Hochofenerzeugnisse, 60661 Tonnen Flussstahl und 50312 Tonnen Schweisseisen und Stahl erzeugten.
In Obersteiermark hatte 1882 das Fürstl. Schwarzenbergische Bessemerwerk zu Turrach drei kleine Birnen, deren Erzeugnisse auf den Hämmern zu Murau, Frauenberg und Vordernberg zu Streckstahl verarbeitet wurden. Neuberg goss dagegen schwere Blöcke, die unter grossen Hämmern zu Achsen, Bandagen, Platten u. s. w. ausgeschmiedet wurden. Martinöfen gab es 1882 in Neuberg und Donawitz, Guss-
Österreich-Ungarn.
Notstand entgegen zu arbeiten. Um dem Arbeitermangel abzuhelfen, gründete die Landesregierung in der Stadt Steyr eine Lehrwerkstätte.
Trotz der schlimmen Lage wurde noch Tüchtiges geleistet, wo sich alte Genossenschaften erhalten hatten oder wo gröſsere Unter- nehmungen sich entwickelten. Zu letzteren gehörten die berühmte Gewehrfabrik von Franz Werndl zu Unterhimmel bei Steyr, die Schöndorfer Guſsstahlfabrik und die Messerwarenfabrik von Ignaz Bandl; zu ersteren gehörten die uralte Trattenbacher Messergenossenschaft, die 1880 noch 20 Meister zählte und be- sonders die Micheldorfer Sensengewerksgenossenschaft, die 46 Ge- werken umfaſste, die an 1000 Arbeiter beschäftigten. Die groſsen Waffenfabriken der Firma J. F. Werndl u. Co. in Steyer und Ober- letten beschäftigten 3000 bis zu 5000 Mann. Steiermarks Erzeugung betrug 1880: 130826 M.-Centner Herdfrischeisen, 353353 M.-Centner Flammofenfrischeisen und 254483 M.-Centner Fluſseisen und Stahl. Zu Gratz und Zeltweg walzte man Eisenbahnschienen aus Bessemer- stahl.
Die Sensenwerke in Steiermark umfaſsten zu Anfang der achtziger Jahre 23 Werke mit 107 Öfen und 140 Hammerschläger, diese be- schäftigten 773 Arbeiter und verarbeiteten 18215 M.-Centner Stahl, und zwar Tiegelguſsstahl, Martin- und Bessemerstahl, der weniger Aus- schuſs und gröſsere Produktion gab als Frisch- und Puddelstahl. Sehr bedeutend hatte sich die Fabrikation von Draht und Drahtstiften in Steiermark entwickelt; sie verarbeitete auf den Werken zu Kindberg, Bruck, Thörl, Knittelfeld, Admont, Donawitz und Rottenberg 35000 M.-Centner.
Ein wichtiges Ereignis für die Eisenindustrie der Alpenländer war die Gründung der Österreichischen Alpinen Montan-Gesellschaft 1881, welche die wichtigsten Eisenwerke Steiermarks sowie die zu Prävali in Kärnten und Schwechat bei Wien in sich aufnahm; 1886 umfaſste sie 31 berg- und hüttenmännische Etablissements, die 650734 Tonnen Braunkohlen, 430530 Tonnen Eisenerze, 151539 Tonnen Hochofenerzeugnisse, 60661 Tonnen Fluſsstahl und 50312 Tonnen Schweiſseisen und Stahl erzeugten.
In Obersteiermark hatte 1882 das Fürstl. Schwarzenbergische Bessemerwerk zu Turrach drei kleine Birnen, deren Erzeugnisse auf den Hämmern zu Murau, Frauenberg und Vordernberg zu Streckstahl verarbeitet wurden. Neuberg goſs dagegen schwere Blöcke, die unter groſsen Hämmern zu Achsen, Bandagen, Platten u. s. w. ausgeschmiedet wurden. Martinöfen gab es 1882 in Neuberg und Donawitz, Guſs-
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Österreich-Ungarn.
Notstand entgegen zu arbeiten. Um dem Arbeitermangel abzuhelfen,
gründete die Landesregierung in der Stadt Steyr eine Lehrwerkstätte.
Trotz der schlimmen Lage wurde noch Tüchtiges geleistet, wo
sich alte Genossenschaften erhalten hatten oder wo gröſsere Unter-
nehmungen sich entwickelten. Zu letzteren gehörten die berühmte
Gewehrfabrik von Franz Werndl zu Unterhimmel bei Steyr,
die Schöndorfer Guſsstahlfabrik und die Messerwarenfabrik von
Ignaz Bandl; zu ersteren gehörten die uralte Trattenbacher
Messergenossenschaft, die 1880 noch 20 Meister zählte und be-
sonders die Micheldorfer Sensengewerksgenossenschaft, die 46 Ge-
werken umfaſste, die an 1000 Arbeiter beschäftigten. Die groſsen
Waffenfabriken der Firma J. F. Werndl u. Co. in Steyer und Ober-
letten beschäftigten 3000 bis zu 5000 Mann. Steiermarks Erzeugung
betrug 1880: 130826 M.-Centner Herdfrischeisen, 353353 M.-Centner
Flammofenfrischeisen und 254483 M.-Centner Fluſseisen und Stahl.
Zu Gratz und Zeltweg walzte man Eisenbahnschienen aus Bessemer-
stahl.
Die Sensenwerke in Steiermark umfaſsten zu Anfang der achtziger
Jahre 23 Werke mit 107 Öfen und 140 Hammerschläger, diese be-
schäftigten 773 Arbeiter und verarbeiteten 18215 M.-Centner Stahl,
und zwar Tiegelguſsstahl, Martin- und Bessemerstahl, der weniger Aus-
schuſs und gröſsere Produktion gab als Frisch- und Puddelstahl. Sehr
bedeutend hatte sich die Fabrikation von Draht und Drahtstiften in
Steiermark entwickelt; sie verarbeitete auf den Werken zu Kindberg,
Bruck, Thörl, Knittelfeld, Admont, Donawitz und Rottenberg 35000
M.-Centner.
Ein wichtiges Ereignis für die Eisenindustrie der Alpenländer
war die Gründung der Österreichischen Alpinen Montan-Gesellschaft
1881, welche die wichtigsten Eisenwerke Steiermarks sowie die zu
Prävali in Kärnten und Schwechat bei Wien in sich aufnahm; 1886
umfaſste sie 31 berg- und hüttenmännische Etablissements, die
650734 Tonnen Braunkohlen, 430530 Tonnen Eisenerze, 151539 Tonnen
Hochofenerzeugnisse, 60661 Tonnen Fluſsstahl und 50312 Tonnen
Schweiſseisen und Stahl erzeugten.
In Obersteiermark hatte 1882 das Fürstl. Schwarzenbergische
Bessemerwerk zu Turrach drei kleine Birnen, deren Erzeugnisse auf
den Hämmern zu Murau, Frauenberg und Vordernberg zu Streckstahl
verarbeitet wurden. Neuberg goſs dagegen schwere Blöcke, die unter
groſsen Hämmern zu Achsen, Bandagen, Platten u. s. w. ausgeschmiedet
wurden. Martinöfen gab es 1882 in Neuberg und Donawitz, Guſs-
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1168>, abgerufen am 23.11.2024.
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