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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Belgien.

Steinerne Winderhitzer und zwar Whitwellapparate wurden 1875
zuerst zu Seraing und zu Sclessin eingeführt. 1878 wurde eine neue
Hochofenanlage zu Ougree erbaut. Monceau sur Sambre hatte die
ersten Cowperapparate. Hier schmolz man neben fonte ordinaire und
fonte speciale aus Schlacken fonte de crasse (Schlackeneisen). Aus
diesen Sorten puddelte man fer ordinaire und fer fort.

Da in den siebziger Jahren der Puddelprozess das wichtigste
Frischverfahren blieb, so sind Fortschritte hauptsächlich bei diesem zu
verzeichnen. -- Die rotierenden Öfen zogen Anfang der siebziger
Jahre die Aufmerksamkeit der belgischen Eisenindustriellen auf sich
und veranlassten die Regierung 1872, eine Kommission unter der
Führung der Ingenieure Taskin und Tahon nach Middlesborough zu
schicken, um die Danksöfen zu studieren (siehe S. 593). Die Ab-
gesandten sprachen sich sehr günstig über das mechanische Puddeln
in rotierenden Öfen aus. Doch fanden diese weniger Anwendung als
die Telleröfen des Franzosen Pernot, mit denen man 1875 zu
Ougree gute Resultate erzielte. Zu Charleroi ergaben diese Öfen
4 Prozent weniger Abbrand. Man ersetzte die gewöhnlichen Rost-
feuerungen mehrfach durch Halbgasfeuerungen nach dem System
Boetius, später auch nach Bicheroux (zu Ougree 1876). Einen
grossen Doppelpuddelofen mit einer solchen Gasfeuerung verwendete
man 1879 zu Couillet.

1872 kam der erste Siemens-Martin-Ofen für Flussstahlerzeugung
in Belgien in Betrieb.

Ein Lautsches Triowalzwerk mit Universalwalzen konstruierte
Deby zu Brüssel 1873, es kam in Sclessin zur Anwendung. 1876
bediente sich das Eisenwerk Esperance eines Triowalzwerkes zur
Blechfabrikation. Trio-Luppenwalzen waren seit 1877 in Anwendung.

Die Schienenfabrikation wurde 1873 von der Gesellschaft John
Cockerill
zu Seraing schwunghaft betrieben. Man walzte damals
Bessemerschienen für die türkischen Bahnen. 1873/74 wurde zu
Seraing ein ganz neues Bessemerstahlwerk von Greiner und
Philippart gebaut und eingerichtet. Auf der Pariser Weltausstellung
von 1876 zeichnete sich die Gesellschaft Cockerill durch vorzügliche
Walzenzugmaschinen für ein Doppelwalzwerk mit Umsteuerung aus.
In diesen konnten die heissen Stahlblöcke ohne Glühen vor- und
fertiggewalzt werden.

1876 kam in Belgien die Fabrikation eines ordinären Stahlgusses
durch Schmelzen von Stahlabfällen im Kupolofen auf. Die Gussstücke
wurden dann zwischen Roteisenstein in Kisten geglüht und dadurch

Belgien.

Steinerne Winderhitzer und zwar Whitwellapparate wurden 1875
zuerst zu Seraing und zu Sclessin eingeführt. 1878 wurde eine neue
Hochofenanlage zu Ougrée erbaut. Monceau sur Sambre hatte die
ersten Cowperapparate. Hier schmolz man neben fonte ordinaire und
fonte spéciale aus Schlacken fonte de crasse (Schlackeneisen). Aus
diesen Sorten puddelte man fer ordinaire und fer fort.

Da in den siebziger Jahren der Puddelprozeſs das wichtigste
Frischverfahren blieb, so sind Fortschritte hauptsächlich bei diesem zu
verzeichnen. — Die rotierenden Öfen zogen Anfang der siebziger
Jahre die Aufmerksamkeit der belgischen Eisenindustriellen auf sich
und veranlaſsten die Regierung 1872, eine Kommission unter der
Führung der Ingenieure Taskin und Tahon nach Middlesborough zu
schicken, um die Danksöfen zu studieren (siehe S. 593). Die Ab-
gesandten sprachen sich sehr günstig über das mechanische Puddeln
in rotierenden Öfen aus. Doch fanden diese weniger Anwendung als
die Telleröfen des Franzosen Pernot, mit denen man 1875 zu
Ougrée gute Resultate erzielte. Zu Charleroi ergaben diese Öfen
4 Prozent weniger Abbrand. Man ersetzte die gewöhnlichen Rost-
feuerungen mehrfach durch Halbgasfeuerungen nach dem System
Boëtius, später auch nach Bicheroux (zu Ougrée 1876). Einen
groſsen Doppelpuddelofen mit einer solchen Gasfeuerung verwendete
man 1879 zu Couillet.

1872 kam der erste Siemens-Martin-Ofen für Fluſsstahlerzeugung
in Belgien in Betrieb.

Ein Lautsches Triowalzwerk mit Universalwalzen konstruierte
Deby zu Brüssel 1873, es kam in Sclessin zur Anwendung. 1876
bediente sich das Eisenwerk Espérance eines Triowalzwerkes zur
Blechfabrikation. Trio-Luppenwalzen waren seit 1877 in Anwendung.

Die Schienenfabrikation wurde 1873 von der Gesellschaft John
Cockerill
zu Seraing schwunghaft betrieben. Man walzte damals
Bessemerschienen für die türkischen Bahnen. 1873/74 wurde zu
Seraing ein ganz neues Bessemerstahlwerk von Greiner und
Philippart gebaut und eingerichtet. Auf der Pariser Weltausstellung
von 1876 zeichnete sich die Gesellschaft Cockerill durch vorzügliche
Walzenzugmaschinen für ein Doppelwalzwerk mit Umsteuerung aus.
In diesen konnten die heiſsen Stahlblöcke ohne Glühen vor- und
fertiggewalzt werden.

1876 kam in Belgien die Fabrikation eines ordinären Stahlgusses
durch Schmelzen von Stahlabfällen im Kupolofen auf. Die Guſsstücke
wurden dann zwischen Roteisenstein in Kisten geglüht und dadurch

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[1119/1135] Belgien. Steinerne Winderhitzer und zwar Whitwellapparate wurden 1875 zuerst zu Seraing und zu Sclessin eingeführt. 1878 wurde eine neue Hochofenanlage zu Ougrée erbaut. Monceau sur Sambre hatte die ersten Cowperapparate. Hier schmolz man neben fonte ordinaire und fonte spéciale aus Schlacken fonte de crasse (Schlackeneisen). Aus diesen Sorten puddelte man fer ordinaire und fer fort. Da in den siebziger Jahren der Puddelprozeſs das wichtigste Frischverfahren blieb, so sind Fortschritte hauptsächlich bei diesem zu verzeichnen. — Die rotierenden Öfen zogen Anfang der siebziger Jahre die Aufmerksamkeit der belgischen Eisenindustriellen auf sich und veranlaſsten die Regierung 1872, eine Kommission unter der Führung der Ingenieure Taskin und Tahon nach Middlesborough zu schicken, um die Danksöfen zu studieren (siehe S. 593). Die Ab- gesandten sprachen sich sehr günstig über das mechanische Puddeln in rotierenden Öfen aus. Doch fanden diese weniger Anwendung als die Telleröfen des Franzosen Pernot, mit denen man 1875 zu Ougrée gute Resultate erzielte. Zu Charleroi ergaben diese Öfen 4 Prozent weniger Abbrand. Man ersetzte die gewöhnlichen Rost- feuerungen mehrfach durch Halbgasfeuerungen nach dem System Boëtius, später auch nach Bicheroux (zu Ougrée 1876). Einen groſsen Doppelpuddelofen mit einer solchen Gasfeuerung verwendete man 1879 zu Couillet. 1872 kam der erste Siemens-Martin-Ofen für Fluſsstahlerzeugung in Belgien in Betrieb. Ein Lautsches Triowalzwerk mit Universalwalzen konstruierte Deby zu Brüssel 1873, es kam in Sclessin zur Anwendung. 1876 bediente sich das Eisenwerk Espérance eines Triowalzwerkes zur Blechfabrikation. Trio-Luppenwalzen waren seit 1877 in Anwendung. Die Schienenfabrikation wurde 1873 von der Gesellschaft John Cockerill zu Seraing schwunghaft betrieben. Man walzte damals Bessemerschienen für die türkischen Bahnen. 1873/74 wurde zu Seraing ein ganz neues Bessemerstahlwerk von Greiner und Philippart gebaut und eingerichtet. Auf der Pariser Weltausstellung von 1876 zeichnete sich die Gesellschaft Cockerill durch vorzügliche Walzenzugmaschinen für ein Doppelwalzwerk mit Umsteuerung aus. In diesen konnten die heiſsen Stahlblöcke ohne Glühen vor- und fertiggewalzt werden. 1876 kam in Belgien die Fabrikation eines ordinären Stahlgusses durch Schmelzen von Stahlabfällen im Kupolofen auf. Die Guſsstücke wurden dann zwischen Roteisenstein in Kisten geglüht und dadurch

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1135>, abgerufen am 23.11.2024.