Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.Deutschland (mit Luxemburg). Stahlhütte von Friedrich Huth & Co. hervorgingen. Der Konverter-betrieb wurde nach englischer Art mit Rückkohlung durch Spiegel- eisen ausgeführt; nur die Königin-Marienhütte blies nach schwedischer Weise in einem Konverter mit steigender Pressung und Unterbrechung im richtigen Augenblicke der Gare, also ohne Rückkohlung. In dem von Gienanthschen Gussstahlwerke Kaiserslautern verblies man 1872 in einer Birne 3 Tonnen in 10 bis 15 Minuten. Im ganzen gab es 1873 in Deutschland 18 Bessemerstahlhütten mit 70 Birnen (wovon Friedr. Krupp 18 besass), hiervon waren etwa 60 in Betrieb. Die Tagesproduktion einer Birne betrug durchschnittlich 25 Tonnen, die Erzeugungsfähigkeit demnach 450 Kilotonnen; hierfür waren 500 bis 550 Kilotonnen Roheisen erforderlich. Da aber damals nur 125 bis höchstens 150 Kilotonnen Bessemerroheisen im Inlande dargestellt wur- den, mussten für den vollen Betrieb an 400 Kilotonnen aus dem Auslande bezogen werden. 1873 führte Pink zu Hörde den Guss kleiner Blöcke in von ihm konstruierten Gruppenformen ein. Auf der Steinhäuser Hütte goss man Stahlblöcke um einen Eisenkern und walzte daraus Eisenbahnschienen, die weniger leicht brechen sollten. Der Bessemer- stahl wurde fast ausschliesslich zu Eisenbahnschienen verarbeitet. Hiervon stellte Friedrich Krupp in Essen 1872 50000 Tonnen fertig. Trotz der ungünstigen Jahre nach der Krisis von 1873 nahm die 1875 kamen die von Holley in Amerika erfundenen Losböden 1879 war das denkwürdige Jahr der Einführung des Thomas- Deutschland (mit Luxemburg). Stahlhütte von Friedrich Huth & Co. hervorgingen. Der Konverter-betrieb wurde nach englischer Art mit Rückkohlung durch Spiegel- eisen ausgeführt; nur die Königin-Marienhütte blies nach schwedischer Weise in einem Konverter mit steigender Pressung und Unterbrechung im richtigen Augenblicke der Gare, also ohne Rückkohlung. In dem von Gienanthschen Guſsstahlwerke Kaiserslautern verblies man 1872 in einer Birne 3 Tonnen in 10 bis 15 Minuten. Im ganzen gab es 1873 in Deutschland 18 Bessemerstahlhütten mit 70 Birnen (wovon Friedr. Krupp 18 besaſs), hiervon waren etwa 60 in Betrieb. Die Tagesproduktion einer Birne betrug durchschnittlich 25 Tonnen, die Erzeugungsfähigkeit demnach 450 Kilotonnen; hierfür waren 500 bis 550 Kilotonnen Roheisen erforderlich. Da aber damals nur 125 bis höchstens 150 Kilotonnen Bessemerroheisen im Inlande dargestellt wur- den, muſsten für den vollen Betrieb an 400 Kilotonnen aus dem Auslande bezogen werden. 1873 führte Pink zu Hörde den Guſs kleiner Blöcke in von ihm konstruierten Gruppenformen ein. Auf der Steinhäuser Hütte goſs man Stahlblöcke um einen Eisenkern und walzte daraus Eisenbahnschienen, die weniger leicht brechen sollten. Der Bessemer- stahl wurde fast ausschlieſslich zu Eisenbahnschienen verarbeitet. Hiervon stellte Friedrich Krupp in Essen 1872 50000 Tonnen fertig. Trotz der ungünstigen Jahre nach der Krisis von 1873 nahm die 1875 kamen die von Holley in Amerika erfundenen Losböden 1879 war das denkwürdige Jahr der Einführung des Thomas- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1012" n="996"/><fw place="top" type="header">Deutschland (mit Luxemburg).</fw><lb/> Stahlhütte von <hi rendition="#g">Friedrich Huth & Co.</hi> hervorgingen. Der Konverter-<lb/> betrieb wurde nach englischer Art mit Rückkohlung durch Spiegel-<lb/> eisen ausgeführt; nur die Königin-Marienhütte blies nach schwedischer<lb/> Weise in einem Konverter mit steigender Pressung und Unterbrechung<lb/> im richtigen Augenblicke der Gare, also ohne Rückkohlung. 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Deutschland (mit Luxemburg).
Stahlhütte von Friedrich Huth & Co. hervorgingen. Der Konverter-
betrieb wurde nach englischer Art mit Rückkohlung durch Spiegel-
eisen ausgeführt; nur die Königin-Marienhütte blies nach schwedischer
Weise in einem Konverter mit steigender Pressung und Unterbrechung
im richtigen Augenblicke der Gare, also ohne Rückkohlung. In dem
von Gienanthschen Guſsstahlwerke Kaiserslautern verblies man 1872
in einer Birne 3 Tonnen in 10 bis 15 Minuten. Im ganzen gab es
1873 in Deutschland 18 Bessemerstahlhütten mit 70 Birnen (wovon
Friedr. Krupp 18 besaſs), hiervon waren etwa 60 in Betrieb. Die
Tagesproduktion einer Birne betrug durchschnittlich 25 Tonnen,
die Erzeugungsfähigkeit demnach 450 Kilotonnen; hierfür waren 500
bis 550 Kilotonnen Roheisen erforderlich. Da aber damals nur 125 bis
höchstens 150 Kilotonnen Bessemerroheisen im Inlande dargestellt wur-
den, muſsten für den vollen Betrieb an 400 Kilotonnen aus dem Auslande
bezogen werden. 1873 führte Pink zu Hörde den Guſs kleiner Blöcke
in von ihm konstruierten Gruppenformen ein. Auf der Steinhäuser
Hütte goſs man Stahlblöcke um einen Eisenkern und walzte daraus
Eisenbahnschienen, die weniger leicht brechen sollten. Der Bessemer-
stahl wurde fast ausschlieſslich zu Eisenbahnschienen verarbeitet.
Hiervon stellte Friedrich Krupp in Essen 1872 50000 Tonnen fertig.
Trotz der ungünstigen Jahre nach der Krisis von 1873 nahm die
Bessemerstahlerzeugung fortwährend zu, besonders seit 1876. 1874
fabrizierte man auf Königin-Marienhütte bei Zwickau und auf Max-
hütte in Bayern einen phosphorhaltigen Stahl mit niedrigem Kohlen-
gehalt, wobei der Phosphor einen Teil des Kohlenstoffs ersetzen sollte.
1875 kamen die von Holley in Amerika erfundenen Losböden
in den deutschen Bessemerstahlwerken zur Einführung. In diesem
Jahre machten in dem neuen Bessemerstahlwerke der Königshütte in
Oberschlesien zwei Konverter für 90 bis 100 Centner Einsatz je 20
bis 24 Chargen. 1877 erfand K. von Liliencron seine gestampften
Siebböden (D. R. P. Nr. 3472) für Konverter. 1878 stellte Friedrich
C. G. Müller wichtige chemische Untersuchungen über den Verbrauch
der Bessemerchargen zu Osnabrück und der in den Fluſsstahlblöcken
absorbirten und eingeschlossenen Gase an. Zur Herstellung weicherer
Stahlsorten wendete man damals bereits Ferromangan zur Rückkohlung
an. Im folgenden Jahre untersuchte Müller in gleicher Weise eine
Charge zu Hörde.
1879 war das denkwürdige Jahr der Einführung des Thomas-
prozesses. Ein zweckmäſsiges Entphosphorungsverfahren war ein in
Deutschland tief empfundenes Bedürfnis. Es war deshalb eine sehr
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