Probebestellungen in England, um den Flussstahl für den Zweck seiner Fabrikation zu versuchen.
Tunner würdigte Krupps Verdienste in seinem Bericht über die Pariser Ausstellung von 1855, indem er ihm nachrühmt, "den Maschinen- und Massen-Gussstahl nicht bloss zur Geltung gebracht, sondern eigentlich erst erfunden zu haben, indem er es war, welcher zuerst den Gussstahl in so grossen Stücken erzeugte und durch die Wahl der Materialien, wie durch die Manipulation jene zähe, weiche Sorte des Gussstahls zustande brachte, welche im Maschinenbau oft mehr wert ist, als die vorzüglichsten harten Sorten des Instrumenten- Gussstahls".
Wie sehr die Anwendung des Gussstahls zunahm, kann man aus dem raschen Wachstum der Kruppschen Fabrik ermessen. 1851 betrug die Arbeiterzahl 192 und die Produktion von Gussstahl 560000 kg. 1860 betrug die Arbeiterzahl 1764 und die Produktion 4 Mill. Kilogramm. Neben der Kruppschen Fabrik entstanden aber noch andere bedeutende Gussstahlhütten in Westfalen. Die von Meyer & Kühne zu Bochum, welche 1851 die erste Gussstahlglocke in Deutschland von 50 Ctr. Gewicht anfertigte, wofür sie 1852 auf der Düsseldorfer Gewerbe- ausstellung einen Preis erhielt, wurde 1854 in eine Aktiengesellschaft, den Bochumer Verein für Bergbau und Gussstahlfabrikation, umgewandelt und sehr vergrössert. 1855 stellte dieser zu Paris zwei Guss- stahlblöcke, von denen jeder über 70 Ctr. Gewicht hatte, und drei grosse Gussstahlglocken, von denen die grösste 50 Ctr. wog, aus. Diese Guss- stahlglocken riefen das grösste Erstaunen hervor; man wollte nicht glauben, dass das Material wirklich Stahl sei, weshalb unter der Leitung von Dr. Steinbeiss aus Stuttgart eine der Glocken ver- schmiedet wurde.
Diese neue Verwendung des Stahls erregte berechtigtes Aufsehen, wurde aber damals noch als Geheimnis behandelt. Das Material, welches dafür verwendet wurde, war Tiegelgussstahl und erfolgte das Giessen bei kleinen Stücken direkt aus den Tiegeln, bei grösseren aus einer Giesspfanne. Der wichtigste Teil des Geheimnisses bestand in der Formmasse, welche sehr feuerfest sein musste. Diese Formmasse war eine Erfindung der Gebrüder Matthias und Johann Brandenburg. Da der Stahl viel stärker schwand als Gusseisen, so musste bei der Herstellung der Formen darauf Rücksicht genommen werden. Man brachte die Saugtrichter an den stärksten Querschnitten an und gab durch rasche Entfernung der Formmasse nach dem Guss dem Stück Gelegenheit zum unbehinderten Zusammenziehen. Die Herstellung
Cement- und Guſsstahlfabrikation 1851 bis 1860.
Probebestellungen in England, um den Fluſsstahl für den Zweck seiner Fabrikation zu versuchen.
Tunner würdigte Krupps Verdienste in seinem Bericht über die Pariser Ausstellung von 1855, indem er ihm nachrühmt, „den Maschinen- und Massen-Guſsstahl nicht bloſs zur Geltung gebracht, sondern eigentlich erst erfunden zu haben, indem er es war, welcher zuerst den Guſsstahl in so groſsen Stücken erzeugte und durch die Wahl der Materialien, wie durch die Manipulation jene zähe, weiche Sorte des Guſsstahls zustande brachte, welche im Maschinenbau oft mehr wert ist, als die vorzüglichsten harten Sorten des Instrumenten- Guſsstahls“.
Wie sehr die Anwendung des Guſsstahls zunahm, kann man aus dem raschen Wachstum der Kruppschen Fabrik ermessen. 1851 betrug die Arbeiterzahl 192 und die Produktion von Guſsstahl 560000 kg. 1860 betrug die Arbeiterzahl 1764 und die Produktion 4 Mill. Kilogramm. Neben der Kruppschen Fabrik entstanden aber noch andere bedeutende Guſsstahlhütten in Westfalen. Die von Meyer & Kühne zu Bochum, welche 1851 die erste Guſsstahlglocke in Deutschland von 50 Ctr. Gewicht anfertigte, wofür sie 1852 auf der Düsseldorfer Gewerbe- ausstellung einen Preis erhielt, wurde 1854 in eine Aktiengesellschaft, den Bochumer Verein für Bergbau und Guſsstahlfabrikation, umgewandelt und sehr vergröſsert. 1855 stellte dieser zu Paris zwei Guſs- stahlblöcke, von denen jeder über 70 Ctr. Gewicht hatte, und drei groſse Guſsstahlglocken, von denen die gröſste 50 Ctr. wog, aus. Diese Guſs- stahlglocken riefen das gröſste Erstaunen hervor; man wollte nicht glauben, daſs das Material wirklich Stahl sei, weshalb unter der Leitung von Dr. Steinbeiſs aus Stuttgart eine der Glocken ver- schmiedet wurde.
Diese neue Verwendung des Stahls erregte berechtigtes Aufsehen, wurde aber damals noch als Geheimnis behandelt. Das Material, welches dafür verwendet wurde, war Tiegelguſsstahl und erfolgte das Gieſsen bei kleinen Stücken direkt aus den Tiegeln, bei gröſseren aus einer Gieſspfanne. Der wichtigste Teil des Geheimnisses bestand in der Formmasse, welche sehr feuerfest sein muſste. Diese Formmasse war eine Erfindung der Gebrüder Matthias und Johann Brandenburg. Da der Stahl viel stärker schwand als Guſseisen, so muſste bei der Herstellung der Formen darauf Rücksicht genommen werden. Man brachte die Saugtrichter an den stärksten Querschnitten an und gab durch rasche Entfernung der Formmasse nach dem Guſs dem Stück Gelegenheit zum unbehinderten Zusammenziehen. Die Herstellung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0964"n="948"/><fwplace="top"type="header">Cement- und Guſsstahlfabrikation 1851 bis 1860.</fw><lb/>
Probebestellungen in England, um den Fluſsstahl für den Zweck seiner<lb/>
Fabrikation zu versuchen.</p><lb/><p><hirendition="#g">Tunner</hi> würdigte <hirendition="#g">Krupps</hi> Verdienste in seinem Bericht über<lb/>
die Pariser Ausstellung von 1855, indem er ihm nachrühmt, „den<lb/>
Maschinen- und Massen-Guſsstahl nicht bloſs zur Geltung gebracht,<lb/>
sondern eigentlich erst erfunden zu haben, indem er es war, welcher<lb/>
zuerst den Guſsstahl in so groſsen Stücken erzeugte und durch die<lb/>
Wahl der Materialien, wie durch die Manipulation jene zähe, weiche<lb/>
Sorte des Guſsstahls zustande brachte, welche im Maschinenbau oft<lb/>
mehr wert ist, als die vorzüglichsten harten Sorten des Instrumenten-<lb/>
Guſsstahls“.</p><lb/><p>Wie sehr die Anwendung des Guſsstahls zunahm, kann man aus<lb/>
dem raschen Wachstum der <hirendition="#g">Krupps</hi>chen Fabrik ermessen. 1851<lb/>
betrug die Arbeiterzahl 192 und die Produktion von Guſsstahl 560000 kg.<lb/>
1860 betrug die Arbeiterzahl 1764 und die Produktion 4 Mill. Kilogramm.<lb/>
Neben der <hirendition="#g">Krupps</hi>chen Fabrik entstanden aber noch andere bedeutende<lb/>
Guſsstahlhütten in Westfalen. Die von <hirendition="#g">Meyer & Kühne</hi> zu Bochum,<lb/>
welche 1851 die erste Guſsstahlglocke in Deutschland von 50 Ctr.<lb/>
Gewicht anfertigte, wofür sie 1852 auf der Düsseldorfer Gewerbe-<lb/>
ausstellung einen Preis erhielt, wurde 1854 in eine Aktiengesellschaft,<lb/>
den <hirendition="#g">Bochumer Verein für Bergbau und Guſsstahlfabrikation</hi>,<lb/>
umgewandelt und sehr vergröſsert. 1855 stellte dieser zu Paris zwei Guſs-<lb/>
stahlblöcke, von denen jeder über 70 Ctr. Gewicht hatte, und drei groſse<lb/>
Guſsstahlglocken, von denen die gröſste 50 Ctr. wog, aus. Diese Guſs-<lb/>
stahlglocken riefen das gröſste Erstaunen hervor; man wollte nicht<lb/>
glauben, daſs das Material wirklich Stahl sei, weshalb unter der<lb/>
Leitung von Dr. <hirendition="#g">Steinbeiſs</hi> aus Stuttgart eine der Glocken ver-<lb/>
schmiedet wurde.</p><lb/><p>Diese neue Verwendung des Stahls erregte berechtigtes Aufsehen,<lb/>
wurde aber damals noch als Geheimnis behandelt. Das Material,<lb/>
welches dafür verwendet wurde, war Tiegelguſsstahl und erfolgte das<lb/>
Gieſsen bei kleinen Stücken direkt aus den Tiegeln, bei gröſseren<lb/>
aus einer Gieſspfanne. Der wichtigste Teil des Geheimnisses bestand<lb/>
in der Formmasse, welche sehr feuerfest sein muſste. Diese Formmasse<lb/>
war eine Erfindung der Gebrüder <hirendition="#g">Matthias</hi> und <hirendition="#g">Johann Brandenburg</hi>.<lb/>
Da der Stahl viel stärker schwand als Guſseisen, so muſste bei der<lb/>
Herstellung der Formen darauf Rücksicht genommen werden. Man<lb/>
brachte die Saugtrichter an den stärksten Querschnitten an und gab<lb/>
durch rasche Entfernung der Formmasse nach dem Guſs dem Stück<lb/>
Gelegenheit zum unbehinderten Zusammenziehen. Die Herstellung<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[948/0964]
Cement- und Guſsstahlfabrikation 1851 bis 1860.
Probebestellungen in England, um den Fluſsstahl für den Zweck seiner
Fabrikation zu versuchen.
Tunner würdigte Krupps Verdienste in seinem Bericht über
die Pariser Ausstellung von 1855, indem er ihm nachrühmt, „den
Maschinen- und Massen-Guſsstahl nicht bloſs zur Geltung gebracht,
sondern eigentlich erst erfunden zu haben, indem er es war, welcher
zuerst den Guſsstahl in so groſsen Stücken erzeugte und durch die
Wahl der Materialien, wie durch die Manipulation jene zähe, weiche
Sorte des Guſsstahls zustande brachte, welche im Maschinenbau oft
mehr wert ist, als die vorzüglichsten harten Sorten des Instrumenten-
Guſsstahls“.
Wie sehr die Anwendung des Guſsstahls zunahm, kann man aus
dem raschen Wachstum der Kruppschen Fabrik ermessen. 1851
betrug die Arbeiterzahl 192 und die Produktion von Guſsstahl 560000 kg.
1860 betrug die Arbeiterzahl 1764 und die Produktion 4 Mill. Kilogramm.
Neben der Kruppschen Fabrik entstanden aber noch andere bedeutende
Guſsstahlhütten in Westfalen. Die von Meyer & Kühne zu Bochum,
welche 1851 die erste Guſsstahlglocke in Deutschland von 50 Ctr.
Gewicht anfertigte, wofür sie 1852 auf der Düsseldorfer Gewerbe-
ausstellung einen Preis erhielt, wurde 1854 in eine Aktiengesellschaft,
den Bochumer Verein für Bergbau und Guſsstahlfabrikation,
umgewandelt und sehr vergröſsert. 1855 stellte dieser zu Paris zwei Guſs-
stahlblöcke, von denen jeder über 70 Ctr. Gewicht hatte, und drei groſse
Guſsstahlglocken, von denen die gröſste 50 Ctr. wog, aus. Diese Guſs-
stahlglocken riefen das gröſste Erstaunen hervor; man wollte nicht
glauben, daſs das Material wirklich Stahl sei, weshalb unter der
Leitung von Dr. Steinbeiſs aus Stuttgart eine der Glocken ver-
schmiedet wurde.
Diese neue Verwendung des Stahls erregte berechtigtes Aufsehen,
wurde aber damals noch als Geheimnis behandelt. Das Material,
welches dafür verwendet wurde, war Tiegelguſsstahl und erfolgte das
Gieſsen bei kleinen Stücken direkt aus den Tiegeln, bei gröſseren
aus einer Gieſspfanne. Der wichtigste Teil des Geheimnisses bestand
in der Formmasse, welche sehr feuerfest sein muſste. Diese Formmasse
war eine Erfindung der Gebrüder Matthias und Johann Brandenburg.
Da der Stahl viel stärker schwand als Guſseisen, so muſste bei der
Herstellung der Formen darauf Rücksicht genommen werden. Man
brachte die Saugtrichter an den stärksten Querschnitten an und gab
durch rasche Entfernung der Formmasse nach dem Guſs dem Stück
Gelegenheit zum unbehinderten Zusammenziehen. Die Herstellung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 948. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/964>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.