sich und ein Fachschriftsteller jener Zeit schreibt: "Seit langer Zeit hat im Eisenhüttengewerbe keine Erfindung soviel Aufsehen gemacht, als diese, über keine sind seit der Mitte des Jahres 1856 so viele verschiedene Ansichten bekannt geworden."
Henry Bessemer und seine Erfindung des Windfrischens (Bessemerprozess).
Bessemer ist durch seine folgenreiche Erfindung einer der grössten Wohlthäter des Menschengeschlechts geworden. In diesem grossen Genie verband sich erfinderischer Geist mit unbeugsamer Be- harrlichkeit und geschäftsmännischem Blick. Henry Bessemer wurde am 19. Januar 1813 in Charlton, Hertfordshire, in England geboren. Sein Vater, wahrscheinlich holländischer Herkunft, der ein bewegtes Leben hinter sich hatte, besass eine Schriftgiesserei, in welcher auch der Sohn seine ersten technischen Kenntnisse sammelte. 18 Jahre alt kam er nach London. Sein erfinderischer Geist beschäftigte sich mit den verschiedenartigsten Gegenständen. Sein erster Erfolg war die Erfindung einer Stempelmarkenpresse, welche die eingerissene Marken- fälschung, die dem englischen Staate Verluste von Millionen von Mark beigebracht hatte, unmöglich machte. Da er aber versäumt hatte, seine Erfindung patentieren zu lassen, erwarb er keinen Nutzen, sondern nur Verdruss davon. In der Folge sah er sich besser vor. Von den verschiedenartigen Erfindungen der nächsten Jahre schlug die einer echten Bronzefarbe für Maler und Bronzierer für ihn am günstigsten ein. Es gelang ihm, diese Farbe, wovon damals das Pfund für 120 Mark aus dem Auslande bezogen werden musste, auf eine ganz einfache Weise so billig herzustellen, dass er trotz des bedeutend herabgesetzten Verkaufspreises in den ersten Jahren 1000 £ und einige Jahre immer noch 300 £ zu verdienen vermochte. Hierdurch kam er zu Wohlstand und erwarb sich ein mässiges Vermögen, das ihm die Mittel zu seinen weiteren erfinderischen Versuchen gewährte. Diese waren sehr mannig- faltiger Art. Auf die Stahlfabrikation wurde seine Aufmerksamkeit erst nach Ausbruch des Krimkrieges 1854 gelenkt. Er erfand nämlich damals ein Geschütz, dessen Geschoss ohne Drall in drehende Be- wegung versetzt werden sollte. Die englische Regierung verhielt sich ablehnend dagegen, während Napoleon III. sich dafür interessierte. Der Erfolg hing aber in erster Linie von einem zuverlässigen Material ab, besser als Gusseisen und billiger als Tiegelgussstahl. Dies führte ihn zu den merkwürdigen Experimenten, aus der die segensreiche Er-
Henry Bessemer und seine Erfindung.
sich und ein Fachschriftsteller jener Zeit schreibt: „Seit langer Zeit hat im Eisenhüttengewerbe keine Erfindung soviel Aufsehen gemacht, als diese, über keine sind seit der Mitte des Jahres 1856 so viele verschiedene Ansichten bekannt geworden.“
Henry Bessemer und seine Erfindung des Windfrischens (Bessemerprozeſs).
Bessemer ist durch seine folgenreiche Erfindung einer der gröſsten Wohlthäter des Menschengeschlechts geworden. In diesem groſsen Genie verband sich erfinderischer Geist mit unbeugsamer Be- harrlichkeit und geschäftsmännischem Blick. Henry Bessemer wurde am 19. Januar 1813 in Charlton, Hertfordshire, in England geboren. Sein Vater, wahrscheinlich holländischer Herkunft, der ein bewegtes Leben hinter sich hatte, besaſs eine Schriftgieſserei, in welcher auch der Sohn seine ersten technischen Kenntnisse sammelte. 18 Jahre alt kam er nach London. Sein erfinderischer Geist beschäftigte sich mit den verschiedenartigsten Gegenständen. Sein erster Erfolg war die Erfindung einer Stempelmarkenpresse, welche die eingerissene Marken- fälschung, die dem englischen Staate Verluste von Millionen von Mark beigebracht hatte, unmöglich machte. Da er aber versäumt hatte, seine Erfindung patentieren zu lassen, erwarb er keinen Nutzen, sondern nur Verdruſs davon. In der Folge sah er sich besser vor. Von den verschiedenartigen Erfindungen der nächsten Jahre schlug die einer echten Bronzefarbe für Maler und Bronzierer für ihn am günstigsten ein. Es gelang ihm, diese Farbe, wovon damals das Pfund für 120 Mark aus dem Auslande bezogen werden muſste, auf eine ganz einfache Weise so billig herzustellen, daſs er trotz des bedeutend herabgesetzten Verkaufspreises in den ersten Jahren 1000 £ und einige Jahre immer noch 300 £ zu verdienen vermochte. Hierdurch kam er zu Wohlstand und erwarb sich ein mäſsiges Vermögen, das ihm die Mittel zu seinen weiteren erfinderischen Versuchen gewährte. Diese waren sehr mannig- faltiger Art. Auf die Stahlfabrikation wurde seine Aufmerksamkeit erst nach Ausbruch des Krimkrieges 1854 gelenkt. Er erfand nämlich damals ein Geschütz, dessen Geschoſs ohne Drall in drehende Be- wegung versetzt werden sollte. Die englische Regierung verhielt sich ablehnend dagegen, während Napoleon III. sich dafür interessierte. Der Erfolg hing aber in erster Linie von einem zuverlässigen Material ab, besser als Guſseisen und billiger als Tiegelguſsstahl. Dies führte ihn zu den merkwürdigen Experimenten, aus der die segensreiche Er-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0917"n="901"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Henry Bessemer</hi> und seine Erfindung.</fw><lb/>
sich und ein Fachschriftsteller jener Zeit schreibt: „Seit langer Zeit<lb/>
hat im Eisenhüttengewerbe keine Erfindung soviel Aufsehen gemacht,<lb/>
als diese, über keine sind seit der Mitte des Jahres 1856 so viele<lb/>
verschiedene Ansichten bekannt geworden.“</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Henry Bessemer</hi> und seine Erfindung des Windfrischens<lb/>
(Bessemerprozeſs).</hi></head><lb/><p><hirendition="#g">Bessemer</hi> ist durch seine folgenreiche Erfindung einer der<lb/>
gröſsten Wohlthäter des Menschengeschlechts geworden. In diesem<lb/>
groſsen Genie verband sich erfinderischer Geist mit unbeugsamer Be-<lb/>
harrlichkeit und geschäftsmännischem Blick. <hirendition="#g">Henry Bessemer</hi> wurde<lb/>
am 19. Januar 1813 in Charlton, Hertfordshire, in England geboren.<lb/>
Sein Vater, wahrscheinlich holländischer Herkunft, der ein bewegtes<lb/>
Leben hinter sich hatte, besaſs eine Schriftgieſserei, in welcher auch<lb/>
der Sohn seine ersten technischen Kenntnisse sammelte. 18 Jahre alt<lb/>
kam er nach London. Sein erfinderischer Geist beschäftigte sich mit<lb/>
den verschiedenartigsten Gegenständen. Sein erster Erfolg war die<lb/>
Erfindung einer Stempelmarkenpresse, welche die eingerissene Marken-<lb/>
fälschung, die dem englischen Staate Verluste von Millionen von Mark<lb/>
beigebracht hatte, unmöglich machte. Da er aber versäumt hatte,<lb/>
seine Erfindung patentieren zu lassen, erwarb er keinen Nutzen, sondern<lb/>
nur Verdruſs davon. In der Folge sah er sich besser vor. Von den<lb/>
verschiedenartigen Erfindungen der nächsten Jahre schlug die einer<lb/>
echten Bronzefarbe für Maler und Bronzierer für ihn am günstigsten<lb/>
ein. Es gelang ihm, diese Farbe, wovon damals das Pfund für 120 Mark<lb/>
aus dem Auslande bezogen werden muſste, auf eine ganz einfache<lb/>
Weise so billig herzustellen, daſs er trotz des bedeutend herabgesetzten<lb/>
Verkaufspreises in den ersten Jahren 1000 £ und einige Jahre immer<lb/>
noch 300 £ zu verdienen vermochte. Hierdurch kam er zu Wohlstand<lb/>
und erwarb sich ein mäſsiges Vermögen, das ihm die Mittel zu seinen<lb/>
weiteren erfinderischen Versuchen gewährte. Diese waren sehr mannig-<lb/>
faltiger Art. Auf die Stahlfabrikation wurde seine Aufmerksamkeit<lb/>
erst nach Ausbruch des Krimkrieges 1854 gelenkt. Er erfand nämlich<lb/>
damals ein Geschütz, dessen Geschoſs ohne Drall in drehende Be-<lb/>
wegung versetzt werden sollte. Die englische Regierung verhielt sich<lb/>
ablehnend dagegen, während Napoleon III. sich dafür interessierte.<lb/>
Der Erfolg hing aber in erster Linie von einem zuverlässigen Material<lb/>
ab, besser als Guſseisen und billiger als Tiegelguſsstahl. Dies führte<lb/>
ihn zu den merkwürdigen Experimenten, aus der die segensreiche Er-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[901/0917]
Henry Bessemer und seine Erfindung.
sich und ein Fachschriftsteller jener Zeit schreibt: „Seit langer Zeit
hat im Eisenhüttengewerbe keine Erfindung soviel Aufsehen gemacht,
als diese, über keine sind seit der Mitte des Jahres 1856 so viele
verschiedene Ansichten bekannt geworden.“
Henry Bessemer und seine Erfindung des Windfrischens
(Bessemerprozeſs).
Bessemer ist durch seine folgenreiche Erfindung einer der
gröſsten Wohlthäter des Menschengeschlechts geworden. In diesem
groſsen Genie verband sich erfinderischer Geist mit unbeugsamer Be-
harrlichkeit und geschäftsmännischem Blick. Henry Bessemer wurde
am 19. Januar 1813 in Charlton, Hertfordshire, in England geboren.
Sein Vater, wahrscheinlich holländischer Herkunft, der ein bewegtes
Leben hinter sich hatte, besaſs eine Schriftgieſserei, in welcher auch
der Sohn seine ersten technischen Kenntnisse sammelte. 18 Jahre alt
kam er nach London. Sein erfinderischer Geist beschäftigte sich mit
den verschiedenartigsten Gegenständen. Sein erster Erfolg war die
Erfindung einer Stempelmarkenpresse, welche die eingerissene Marken-
fälschung, die dem englischen Staate Verluste von Millionen von Mark
beigebracht hatte, unmöglich machte. Da er aber versäumt hatte,
seine Erfindung patentieren zu lassen, erwarb er keinen Nutzen, sondern
nur Verdruſs davon. In der Folge sah er sich besser vor. Von den
verschiedenartigen Erfindungen der nächsten Jahre schlug die einer
echten Bronzefarbe für Maler und Bronzierer für ihn am günstigsten
ein. Es gelang ihm, diese Farbe, wovon damals das Pfund für 120 Mark
aus dem Auslande bezogen werden muſste, auf eine ganz einfache
Weise so billig herzustellen, daſs er trotz des bedeutend herabgesetzten
Verkaufspreises in den ersten Jahren 1000 £ und einige Jahre immer
noch 300 £ zu verdienen vermochte. Hierdurch kam er zu Wohlstand
und erwarb sich ein mäſsiges Vermögen, das ihm die Mittel zu seinen
weiteren erfinderischen Versuchen gewährte. Diese waren sehr mannig-
faltiger Art. Auf die Stahlfabrikation wurde seine Aufmerksamkeit
erst nach Ausbruch des Krimkrieges 1854 gelenkt. Er erfand nämlich
damals ein Geschütz, dessen Geschoſs ohne Drall in drehende Be-
wegung versetzt werden sollte. Die englische Regierung verhielt sich
ablehnend dagegen, während Napoleon III. sich dafür interessierte.
Der Erfolg hing aber in erster Linie von einem zuverlässigen Material
ab, besser als Guſseisen und billiger als Tiegelguſsstahl. Dies führte
ihn zu den merkwürdigen Experimenten, aus der die segensreiche Er-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 901. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/917>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.