der Cementation im grossen Cyanammonium die wichtigste Rolle. Er selbst schlug im weiteren Verfolg seiner Untersuchungen Cyanbaryum als ein besonders wirksames Stahlmittel vor. Er empfiehlt das Cementierpulver aus Lederkohle, welche Cyan enthält, und gepulvertem kohlensaurem Baryt (Witherit) herzustellen. Bei dem Glühen ent- stehe Cyanbaryum, welches so wirksam sei, dass es eine kontinuierliche Cementation gestatte, indem man nach verhältnismässig kurzer Zeit die cementierten Stäbe ausziehen und durch frische ersetzen könne. Caron musste indessen ebenfalls zugeben, dass Leuchtgas und Sumpf- gas bei schwacher Glühhitze für sich Eisen cementieren. Fremy wollte dies durch die Behauptung erklären, dass sowohl Roheisen als Stabeisen stickstoffhaltig seien.
Caron hielt dagegen einen Stickstoffgehalt im Eisen für zufällig und von stickstoffhaltigem Roheisen herrührend. Auch sei der Stick- stoff nicht direkt mit dem Eisen verbunden, sondern als Stickstoff- silicium oder Kohlenstoff-Stickstoff-Titan darin enthalten.
Über den weiteren Verlauf dieses Streites, der mehr Aufregung als praktische Erfolge veranlasste, werden wir im folgenden Abschnitte berichten.
Physik 1851 bis 1860.
Interessante physikalische Beobachtungen über das Eisen ver- öffentlichte Hausmann in der Abhandlung "über die durch Mole- kularbewegungen in starren, leblosen Körpern bewirkte Form- veränderung" (Göttingen 1856). Er beschrieb darin namentlich die Strukturveränderungen des Roheisens durch plötzlichen Tempe- raturwechsel, dass Stahl und Roheisen durch rasche Abkühlung specifisch leichter werden; ferner die Veränderungen, welche das Eisen durch fortgesetzte Erschütterungen erleide und wie die ursprüngliche Festigkeit durch schwache Rotglut und langsames Erkalten wieder hergestellt werde. Die wichtigen Versuche über die Festigkeit der englischen Roheisensorten, welche von R. Stephenson, W. Fair- bairn und Hodgkinson für den Bau der Conway- und der Britannia- brücke angestellt wurden, sind von Conche zusammengestellt worden 1). Die Zerreissungsversuche ergaben eine absolute Festigkeit zwischen 9 und 18 kg pro Quadratmillimeter, im Mittel 10 bis 11 kg.
W. Fairbairn machte Versuche über den Einfluss des Umschmelzens auf die Festigkeit des Roheisens. Er schmolz Giessereiroheisen von
1) Siehe Annales des mines, 4. ser., t. XX, p. 427.
Physik 1851 bis 1860.
der Cementation im groſsen Cyanammonium die wichtigste Rolle. Er selbst schlug im weiteren Verfolg seiner Untersuchungen Cyanbaryum als ein besonders wirksames Stahlmittel vor. Er empfiehlt das Cementierpulver aus Lederkohle, welche Cyan enthält, und gepulvertem kohlensaurem Baryt (Witherit) herzustellen. Bei dem Glühen ent- stehe Cyanbaryum, welches so wirksam sei, daſs es eine kontinuierliche Cementation gestatte, indem man nach verhältnismäſsig kurzer Zeit die cementierten Stäbe ausziehen und durch frische ersetzen könne. Caron muſste indessen ebenfalls zugeben, daſs Leuchtgas und Sumpf- gas bei schwacher Glühhitze für sich Eisen cementieren. Fremy wollte dies durch die Behauptung erklären, daſs sowohl Roheisen als Stabeisen stickstoffhaltig seien.
Caron hielt dagegen einen Stickstoffgehalt im Eisen für zufällig und von stickstoffhaltigem Roheisen herrührend. Auch sei der Stick- stoff nicht direkt mit dem Eisen verbunden, sondern als Stickstoff- silicium oder Kohlenstoff-Stickstoff-Titan darin enthalten.
Über den weiteren Verlauf dieses Streites, der mehr Aufregung als praktische Erfolge veranlaſste, werden wir im folgenden Abschnitte berichten.
Physik 1851 bis 1860.
Interessante physikalische Beobachtungen über das Eisen ver- öffentlichte Hausmann in der Abhandlung „über die durch Mole- kularbewegungen in starren, leblosen Körpern bewirkte Form- veränderung“ (Göttingen 1856). Er beschrieb darin namentlich die Strukturveränderungen des Roheisens durch plötzlichen Tempe- raturwechsel, daſs Stahl und Roheisen durch rasche Abkühlung specifisch leichter werden; ferner die Veränderungen, welche das Eisen durch fortgesetzte Erschütterungen erleide und wie die ursprüngliche Festigkeit durch schwache Rotglut und langsames Erkalten wieder hergestellt werde. Die wichtigen Versuche über die Festigkeit der englischen Roheisensorten, welche von R. Stephenson, W. Fair- bairn und Hodgkinson für den Bau der Conway- und der Britannia- brücke angestellt wurden, sind von Conche zusammengestellt worden 1). Die Zerreiſsungsversuche ergaben eine absolute Festigkeit zwischen 9 und 18 kg pro Quadratmillimeter, im Mittel 10 bis 11 kg.
W. Fairbairn machte Versuche über den Einfluſs des Umschmelzens auf die Festigkeit des Roheisens. Er schmolz Gieſsereiroheisen von
1) Siehe Annales des mines, 4. ser., t. XX, p. 427.
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selbst schlug im weiteren Verfolg seiner Untersuchungen Cyanbaryum
als ein besonders wirksames Stahlmittel vor. Er empfiehlt das
Cementierpulver aus Lederkohle, welche Cyan enthält, und gepulvertem
kohlensaurem Baryt (Witherit) herzustellen. Bei dem Glühen ent-
stehe Cyanbaryum, welches so wirksam sei, daſs es eine kontinuierliche
Cementation gestatte, indem man nach verhältnismäſsig kurzer Zeit
die cementierten Stäbe ausziehen und durch frische ersetzen könne.
Caron muſste indessen ebenfalls zugeben, daſs Leuchtgas und Sumpf-
gas bei schwacher Glühhitze für sich Eisen cementieren. Fremy
wollte dies durch die Behauptung erklären, daſs sowohl Roheisen als
Stabeisen stickstoffhaltig seien.
Caron hielt dagegen einen Stickstoffgehalt im Eisen für zufällig
und von stickstoffhaltigem Roheisen herrührend. Auch sei der Stick-
stoff nicht direkt mit dem Eisen verbunden, sondern als Stickstoff-
silicium oder Kohlenstoff-Stickstoff-Titan darin enthalten.
Über den weiteren Verlauf dieses Streites, der mehr Aufregung
als praktische Erfolge veranlaſste, werden wir im folgenden Abschnitte
berichten.
Physik 1851 bis 1860.
Interessante physikalische Beobachtungen über das Eisen ver-
öffentlichte Hausmann in der Abhandlung „über die durch Mole-
kularbewegungen in starren, leblosen Körpern bewirkte Form-
veränderung“ (Göttingen 1856). Er beschrieb darin namentlich die
Strukturveränderungen des Roheisens durch plötzlichen Tempe-
raturwechsel, daſs Stahl und Roheisen durch rasche Abkühlung
specifisch leichter werden; ferner die Veränderungen, welche das Eisen
durch fortgesetzte Erschütterungen erleide und wie die ursprüngliche
Festigkeit durch schwache Rotglut und langsames Erkalten wieder
hergestellt werde. Die wichtigen Versuche über die Festigkeit
der englischen Roheisensorten, welche von R. Stephenson, W. Fair-
bairn und Hodgkinson für den Bau der Conway- und der Britannia-
brücke angestellt wurden, sind von Conche zusammengestellt worden 1).
Die Zerreiſsungsversuche ergaben eine absolute Festigkeit zwischen
9 und 18 kg pro Quadratmillimeter, im Mittel 10 bis 11 kg.
W. Fairbairn machte Versuche über den Einfluſs des Umschmelzens
auf die Festigkeit des Roheisens. Er schmolz Gieſsereiroheisen von
1) Siehe Annales des mines, 4. ser., t. XX, p. 427.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 799. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/815>, abgerufen am 22.11.2024.
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