Eigenschaften derselben genauer zu erforschen. Vor allem war es das Silicium, von dem man erkannte, dass es den Kohlenstoff im Eisen bis zu einem gewissen Grade ersetzen und verdrängen konnte. Während das weisse Roheisen selten über 1/2 Proz. Silicium enthielt, betrug der Siliciumgehalt im grauen Roheisen meist 3 Proz., steigerte sich aber namentlich beim Schmelzen strengflüssiger, saurer Be- schickungen mit heissem Winde bis zu 8 Proz. Je mehr das Silicium im Eisen zunahm, je mehr verminderte sich der Gehalt an gebundenem Kohlenstoff. Man hatte in einem schottischen Giessereiroheisen an 13 Proz. Silicium bei nur 1 Proz. Kohlenstoffgehalt nachgewiesen. Der Kohlenstoff selbst bewirkt bei hoher Temperatur im Gestell die Re- duktion der Kieselsäure. Während Gurlt einfache Substitution nach den Äquivalenten annahm, sollten nach Mayrhofer sechs Atome Kohle durch ein Atom Silicium vertreten werden, eine Annahme, die sich in keiner Art beweisen lässt. Fest stand dagegen schon damals, dass, während das Eisen nur eine beschränkte Menge Kohlenstoff -- nach Karsten höchstens bis 5,92 Proz. -- aufzunehmen vermag, das Eisen sich mit viel grösseren Mengen Silicium in nahezu unbegrenzten Ver- hältnissen verbindet. Nach Schafhäutl sollte das Silicium als Kohlen- stoffsilicium, als Kohlenstickstoff und Stickstoffsilicium, als Silicium- eisen und Schwefelsilicium im Roheisen vorhanden sein, doch existiere es auch in elementarer Gestalt, vielleicht mit etwas Kohle und Schwefel verbunden, darin.
Wöhler1) entdeckte krystallisiertes Silicium, und dass dieses auch im Roheisen vorkommt, wurde durch Untersuchungen von Richter2) wahrscheinlich gemacht. Nach Deville3) existiert das Silicium in drei allotropischen Zuständen, amorph, graphitähnlich und krystallisiert, und zeigt auch hierin eine grosse Analogie mit dem Kohlenstoff.
Gegen Ende der 50er Jahre kam zuerst von Lohage und Bessemer die Ansicht zum Ausdruck, dass ein gewisser Gehalt an Silicium im Roheisen sowohl beim Puddel- wie beim Bessemerprozess vorteilhaft und erwünscht sei. Dagegen schrieb Jannoyer dem Silicium die Ursache aller Fehler des Eisens zu und wollte dasselbe durch hohen Kalkzuschlag und Bildung einer basischen Schlacke von der Zusammensetzung B20 S19 austreiben.
Wie der Siliciumgehalt bei dem mit heissem Winde erblasenen Roh- eisen durchschnittlich um 1/3 bis 1/2 Proz. höher gefunden wurde, so nahm
1) Siehe Annales de Chim. et de Phys., 3. s., vol. 47, p. 116, 1856.
2) Siehe Jahrbuch von Leoben 1862, Bd. XI, S. 289.
3) Annales de Chim. et de Phys., 3. s., vol. 49, p. 62 bis 78.
Chemie 1851 bis 1860.
Eigenschaften derselben genauer zu erforschen. Vor allem war es das Silicium, von dem man erkannte, daſs es den Kohlenstoff im Eisen bis zu einem gewissen Grade ersetzen und verdrängen konnte. Während das weiſse Roheisen selten über ½ Proz. Silicium enthielt, betrug der Siliciumgehalt im grauen Roheisen meist 3 Proz., steigerte sich aber namentlich beim Schmelzen strengflüssiger, saurer Be- schickungen mit heiſsem Winde bis zu 8 Proz. Je mehr das Silicium im Eisen zunahm, je mehr verminderte sich der Gehalt an gebundenem Kohlenstoff. Man hatte in einem schottischen Gieſsereiroheisen an 13 Proz. Silicium bei nur 1 Proz. Kohlenstoffgehalt nachgewiesen. Der Kohlenstoff selbst bewirkt bei hoher Temperatur im Gestell die Re- duktion der Kieselsäure. Während Gurlt einfache Substitution nach den Äquivalenten annahm, sollten nach Mayrhofer sechs Atome Kohle durch ein Atom Silicium vertreten werden, eine Annahme, die sich in keiner Art beweisen läſst. Fest stand dagegen schon damals, daſs, während das Eisen nur eine beschränkte Menge Kohlenstoff — nach Karsten höchstens bis 5,92 Proz. — aufzunehmen vermag, das Eisen sich mit viel gröſseren Mengen Silicium in nahezu unbegrenzten Ver- hältnissen verbindet. Nach Schafhäutl sollte das Silicium als Kohlen- stoffsilicium, als Kohlenstickstoff und Stickstoffsilicium, als Silicium- eisen und Schwefelsilicium im Roheisen vorhanden sein, doch existiere es auch in elementarer Gestalt, vielleicht mit etwas Kohle und Schwefel verbunden, darin.
Wöhler1) entdeckte krystallisiertes Silicium, und daſs dieses auch im Roheisen vorkommt, wurde durch Untersuchungen von Richter2) wahrscheinlich gemacht. Nach Deville3) existiert das Silicium in drei allotropischen Zuständen, amorph, graphitähnlich und krystallisiert, und zeigt auch hierin eine groſse Analogie mit dem Kohlenstoff.
Gegen Ende der 50er Jahre kam zuerst von Lohage und Bessemer die Ansicht zum Ausdruck, daſs ein gewisser Gehalt an Silicium im Roheisen sowohl beim Puddel- wie beim Bessemerprozeſs vorteilhaft und erwünscht sei. Dagegen schrieb Jannoyer dem Silicium die Ursache aller Fehler des Eisens zu und wollte dasselbe durch hohen Kalkzuschlag und Bildung einer basischen Schlacke von der Zusammensetzung B20 S19 austreiben.
Wie der Siliciumgehalt bei dem mit heiſsem Winde erblasenen Roh- eisen durchschnittlich um ⅓ bis ½ Proz. höher gefunden wurde, so nahm
1) Siehe Annales de Chim. et de Phys., 3. s., vol. 47, p. 116, 1856.
2) Siehe Jahrbuch von Leoben 1862, Bd. XI, S. 289.
3) Annales de Chim. et de Phys., 3. s., vol. 49, p. 62 bis 78.
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Chemie 1851 bis 1860.
Eigenschaften derselben genauer zu erforschen. Vor allem war es
das Silicium, von dem man erkannte, daſs es den Kohlenstoff im
Eisen bis zu einem gewissen Grade ersetzen und verdrängen konnte.
Während das weiſse Roheisen selten über ½ Proz. Silicium enthielt,
betrug der Siliciumgehalt im grauen Roheisen meist 3 Proz., steigerte
sich aber namentlich beim Schmelzen strengflüssiger, saurer Be-
schickungen mit heiſsem Winde bis zu 8 Proz. Je mehr das Silicium
im Eisen zunahm, je mehr verminderte sich der Gehalt an gebundenem
Kohlenstoff. Man hatte in einem schottischen Gieſsereiroheisen an
13 Proz. Silicium bei nur 1 Proz. Kohlenstoffgehalt nachgewiesen. Der
Kohlenstoff selbst bewirkt bei hoher Temperatur im Gestell die Re-
duktion der Kieselsäure. Während Gurlt einfache Substitution nach
den Äquivalenten annahm, sollten nach Mayrhofer sechs Atome Kohle
durch ein Atom Silicium vertreten werden, eine Annahme, die sich
in keiner Art beweisen läſst. Fest stand dagegen schon damals, daſs,
während das Eisen nur eine beschränkte Menge Kohlenstoff — nach
Karsten höchstens bis 5,92 Proz. — aufzunehmen vermag, das Eisen
sich mit viel gröſseren Mengen Silicium in nahezu unbegrenzten Ver-
hältnissen verbindet. Nach Schafhäutl sollte das Silicium als Kohlen-
stoffsilicium, als Kohlenstickstoff und Stickstoffsilicium, als Silicium-
eisen und Schwefelsilicium im Roheisen vorhanden sein, doch existiere
es auch in elementarer Gestalt, vielleicht mit etwas Kohle und Schwefel
verbunden, darin.
Wöhler 1) entdeckte krystallisiertes Silicium, und daſs dieses auch
im Roheisen vorkommt, wurde durch Untersuchungen von Richter 2)
wahrscheinlich gemacht. Nach Deville 3) existiert das Silicium in
drei allotropischen Zuständen, amorph, graphitähnlich und krystallisiert,
und zeigt auch hierin eine groſse Analogie mit dem Kohlenstoff.
Gegen Ende der 50er Jahre kam zuerst von Lohage und
Bessemer die Ansicht zum Ausdruck, daſs ein gewisser Gehalt an
Silicium im Roheisen sowohl beim Puddel- wie beim Bessemerprozeſs
vorteilhaft und erwünscht sei. Dagegen schrieb Jannoyer dem
Silicium die Ursache aller Fehler des Eisens zu und wollte dasselbe
durch hohen Kalkzuschlag und Bildung einer basischen Schlacke von
der Zusammensetzung B20 S19 austreiben.
Wie der Siliciumgehalt bei dem mit heiſsem Winde erblasenen Roh-
eisen durchschnittlich um ⅓ bis ½ Proz. höher gefunden wurde, so nahm
1) Siehe Annales de Chim. et de Phys., 3. s., vol. 47, p. 116, 1856.
2) Siehe Jahrbuch von Leoben 1862, Bd. XI, S. 289.
3) Annales de Chim. et de Phys., 3. s., vol. 49, p. 62 bis 78.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 796. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/812>, abgerufen am 22.11.2024.
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