im regulären oder tesseralen System, das ist eine erwiesene Thatsache, die hexagonale oder rhomboedrische Krystallisation desselben ist hypothetisch.
Dr. A. Gurlt1) stellte 1855 die Theorie auf, dass es ausser dem Viertelkarburet, Fe4C, Spiegeleisen, welches hexagonal krystallisiere, noch ein niedrigeres Achtelkarburet, Fe8C, gäbe, welches tesseral krystallisiere, und dass Stabeisen ein Gemenge oder eine Legierung von reinem Eisen und diesem Achtelkarburet sei. Er analysierte reguläre Eisenkrystalle des Geschützeisens von Finspong und fand dieselben dem Achtelkarburet entsprechend zusammengesetzt. Damit will er die Existenz des Achtelkarburets bewiesen haben. Nach seiner Annahme bildet sich im Hochofen aus den entsprechenden Erzen bei einer gewissen Temperatur und der Anwesenheit von hinreichendem Kohlenstoff mit Kohlenstoff gesättigtes Eisen, Spiegeleisen, Fe4C = 94,88 Eisen und 5,12 Kohlenstoff. Fehle es an Hitze oder an Kohlenstoff, so bilde sich kein Spiegeleisen, sondern kohlenärmeres Eisen, luckiger Floss. Würde dagegen Spiegeleisen über seine Ent- stehungstemperatur hinaus erhitzt, so verwandele es sich in eine niedrige Kohlungsstufe, Achtelkohleneisen, unter gleichzeitiger Aus- scheidung von Kohlenstoff in Form von Graphit; es entstehe graues oder schwarzes Roheisen. Aus der Kombination von reinem Eisen, Achtelkarburet, Viertelkarburet und Graphit erklärt Gurlt alle vor- kommenden Eisensorten.
Von dieser Theorie Gurlts lässt sich dasselbe sagen wie von der von Fuchs; sie war einleuchtend, aber durchaus unerwiesen. Tunner, der nur das Viertelkarburet als eine bestimmte Kohlen- eisenverbindung anerkannte, hat nachgewiesen, dass, wenn die Eisen- krystalle von Finspong, welche Gurlt untersuchte, die Zusammen- setzung eines Achtelkarburets hatten, dies nur zufällig gewesen sein könne, indem die auf seine Veranlassung von Robert Richter unter- suchten Eisenkrystalle von Lölling ganz anders zusammengesetzt waren. Ebenso zeigte Rammelsberg, dass die Analysen, auf welchen Gurlt sein Lehrgebäude errichtet hatte, keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen konnten.
Buchner und Schafhäutl, welche viele Versuche über Eisen- kohlenstoffverbindungen anstellten, verwarfen sogar die Ansicht, dass Spiegeleisen ein Viertelkarburet des Eisens sei.
1) Siehe Bergwerksfreund 1855, Nr. 18 bis 25. -- Berg- u. hüttenm. Ztg. 1855, Nr. 49 bis 52.
Chemie 1851 bis 1860.
im regulären oder tesseralen System, das ist eine erwiesene Thatsache, die hexagonale oder rhomboëdrische Krystallisation desselben ist hypothetisch.
Dr. A. Gurlt1) stellte 1855 die Theorie auf, daſs es auſser dem Viertelkarburet, Fe4C, Spiegeleisen, welches hexagonal krystallisiere, noch ein niedrigeres Achtelkarburet, Fe8C, gäbe, welches tesseral krystallisiere, und daſs Stabeisen ein Gemenge oder eine Legierung von reinem Eisen und diesem Achtelkarburet sei. Er analysierte reguläre Eisenkrystalle des Geschützeisens von Finspong und fand dieselben dem Achtelkarburet entsprechend zusammengesetzt. Damit will er die Existenz des Achtelkarburets bewiesen haben. Nach seiner Annahme bildet sich im Hochofen aus den entsprechenden Erzen bei einer gewissen Temperatur und der Anwesenheit von hinreichendem Kohlenstoff mit Kohlenstoff gesättigtes Eisen, Spiegeleisen, Fe4C = 94,88 Eisen und 5,12 Kohlenstoff. Fehle es an Hitze oder an Kohlenstoff, so bilde sich kein Spiegeleisen, sondern kohlenärmeres Eisen, luckiger Floſs. Würde dagegen Spiegeleisen über seine Ent- stehungstemperatur hinaus erhitzt, so verwandele es sich in eine niedrige Kohlungsstufe, Achtelkohleneisen, unter gleichzeitiger Aus- scheidung von Kohlenstoff in Form von Graphit; es entstehe graues oder schwarzes Roheisen. Aus der Kombination von reinem Eisen, Achtelkarburet, Viertelkarburet und Graphit erklärt Gurlt alle vor- kommenden Eisensorten.
Von dieser Theorie Gurlts läſst sich dasselbe sagen wie von der von Fuchs; sie war einleuchtend, aber durchaus unerwiesen. Tunner, der nur das Viertelkarburet als eine bestimmte Kohlen- eisenverbindung anerkannte, hat nachgewiesen, daſs, wenn die Eisen- krystalle von Finspong, welche Gurlt untersuchte, die Zusammen- setzung eines Achtelkarburets hatten, dies nur zufällig gewesen sein könne, indem die auf seine Veranlassung von Robert Richter unter- suchten Eisenkrystalle von Lölling ganz anders zusammengesetzt waren. Ebenso zeigte Rammelsberg, daſs die Analysen, auf welchen Gurlt sein Lehrgebäude errichtet hatte, keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen konnten.
Buchner und Schafhäutl, welche viele Versuche über Eisen- kohlenstoffverbindungen anstellten, verwarfen sogar die Ansicht, daſs Spiegeleisen ein Viertelkarburet des Eisens sei.
1) Siehe Bergwerksfreund 1855, Nr. 18 bis 25. — Berg- u. hüttenm. Ztg. 1855, Nr. 49 bis 52.
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Chemie 1851 bis 1860.
im regulären oder tesseralen System, das ist eine erwiesene Thatsache,
die hexagonale oder rhomboëdrische Krystallisation desselben ist
hypothetisch.
Dr. A. Gurlt 1) stellte 1855 die Theorie auf, daſs es auſser dem
Viertelkarburet, Fe4C, Spiegeleisen, welches hexagonal krystallisiere,
noch ein niedrigeres Achtelkarburet, Fe8C, gäbe, welches tesseral
krystallisiere, und daſs Stabeisen ein Gemenge oder eine Legierung
von reinem Eisen und diesem Achtelkarburet sei. Er analysierte
reguläre Eisenkrystalle des Geschützeisens von Finspong und fand
dieselben dem Achtelkarburet entsprechend zusammengesetzt. Damit
will er die Existenz des Achtelkarburets bewiesen haben. Nach seiner
Annahme bildet sich im Hochofen aus den entsprechenden Erzen bei
einer gewissen Temperatur und der Anwesenheit von hinreichendem
Kohlenstoff mit Kohlenstoff gesättigtes Eisen, Spiegeleisen, Fe4C
= 94,88 Eisen und 5,12 Kohlenstoff. Fehle es an Hitze oder an
Kohlenstoff, so bilde sich kein Spiegeleisen, sondern kohlenärmeres
Eisen, luckiger Floſs. Würde dagegen Spiegeleisen über seine Ent-
stehungstemperatur hinaus erhitzt, so verwandele es sich in eine
niedrige Kohlungsstufe, Achtelkohleneisen, unter gleichzeitiger Aus-
scheidung von Kohlenstoff in Form von Graphit; es entstehe graues
oder schwarzes Roheisen. Aus der Kombination von reinem Eisen,
Achtelkarburet, Viertelkarburet und Graphit erklärt Gurlt alle vor-
kommenden Eisensorten.
Von dieser Theorie Gurlts läſst sich dasselbe sagen wie von
der von Fuchs; sie war einleuchtend, aber durchaus unerwiesen.
Tunner, der nur das Viertelkarburet als eine bestimmte Kohlen-
eisenverbindung anerkannte, hat nachgewiesen, daſs, wenn die Eisen-
krystalle von Finspong, welche Gurlt untersuchte, die Zusammen-
setzung eines Achtelkarburets hatten, dies nur zufällig gewesen sein
könne, indem die auf seine Veranlassung von Robert Richter unter-
suchten Eisenkrystalle von Lölling ganz anders zusammengesetzt
waren. Ebenso zeigte Rammelsberg, daſs die Analysen, auf welchen
Gurlt sein Lehrgebäude errichtet hatte, keine allgemeine Gültigkeit
beanspruchen konnten.
Buchner und Schafhäutl, welche viele Versuche über Eisen-
kohlenstoffverbindungen anstellten, verwarfen sogar die Ansicht, daſs
Spiegeleisen ein Viertelkarburet des Eisens sei.
1) Siehe Bergwerksfreund 1855, Nr. 18 bis 25. — Berg- u. hüttenm. Ztg. 1855,
Nr. 49 bis 52.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 794. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/810>, abgerufen am 22.11.2024.
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