würdigen Eisenerze in diesem Gebiete. Wie unrichtig diese Annahmen waren, bedarf keines Nachweises. Damals aber wurden sie von den Freihändlern als unanfechtbare Lehrsätze behauptet. Die theoretischen Anschauungen im deutschen Zollvereine waren aber freihändlerisch und es herrschte infolgedessen eine grosse Geneigtheit, den Roheisen- zoll wieder abzuschaffen oder herabzusetzen. Gegen diese Anschauung und gegen die Begünstigung Belgiens kämpften aber nicht nur die Eisenindustriellen selbst, sondern auch sachverständige, klar sehende Volkswirtschaftler, unter denen besonders Wilhelm Öchelhäuser und P. Mischler sich auszeichneten. Diese wiesen in ausführlichen und gründlichen Schriften, indem sie die Lage der deutschen Eisen- industrie in ihrem Verhältnisse zum Auslande zahlenmässig klar- stellten, die Notwendigkeit des Schutzzolles für die deutsche Roh- eisenindustrie nach. Diese zeit- und sachgemässen Ausführungen hatten denn auch den gewünschten Erfolg, zum grossen Segen für die Entwickelung der deutschen Eisenindustrie. Zunächst wurde der Roh- eisenzoll beibehalten; am 18. Februar 1852 wurde die Vergünstigung Belgiens auf die Hälfte herabgesetzt, d. h. der Roheisenzoll auf 75 Pfennige (71/2 Silbergroschen) für den Zollcentner erhöht und dann vom 1. Januar 1854 ab die differentielle Vergünstigung des belgischen Eisens überhaupt aufgehoben, also auch für belgisches Roheisen der Einfuhrzoll auf 1 Mark für den Centner festgesetzt.
Diese gemässigte, weise Schutzzollpolitik hat in Verbindung mit technischen Gründen die grossartige Roheisenindustrie in Rheinland und Westfalen geschaffen. Die Entwickelung derselben, besonders in den Jahren 1851 bis 1857, bietet ein anziehendes Schauspiel. Die Londoner Ausstellung war dafür von unmittelbarer Bedeutung. Diese hatte den deutschen Eisenindustriellen die ungeheure Wichtigkeit des Kohleneisensteines (black band) für die englische Eisenindustrie vor Augen geführt. Nun hatte es sich gefügt, dass der kurhessische Hüttenmeister Schreiber um dieselbe Zeit das Vorkommen von ganz ähnlichem Kohleneisenstein im Ruhrgebiete nachgewiesen hatte. Eine gewaltige Aufregung entstand im Ruhrgebiete, die Unternehmungs- lust wurde entfesselt, zahlreiche Hochofenwerke entstanden, von denen wir die grosse Anlage zu Hörde besonders erwähnen.
Um aber diese Ereignisse in ihrer technisch-historischen Bedeutung würdigen zu können, ist es notwendig, die Fortschritte der 50er Jahre systematisch zu betrachten. Wir geben deshalb zunächst einen kurzen Überblick über die schriftstellerischen Leistungen in diesem Zeit- abschnitte.
Die erste Weltausstellung 1851.
würdigen Eisenerze in diesem Gebiete. Wie unrichtig diese Annahmen waren, bedarf keines Nachweises. Damals aber wurden sie von den Freihändlern als unanfechtbare Lehrsätze behauptet. Die theoretischen Anschauungen im deutschen Zollvereine waren aber freihändlerisch und es herrschte infolgedessen eine groſse Geneigtheit, den Roheisen- zoll wieder abzuschaffen oder herabzusetzen. Gegen diese Anschauung und gegen die Begünstigung Belgiens kämpften aber nicht nur die Eisenindustriellen selbst, sondern auch sachverständige, klar sehende Volkswirtschaftler, unter denen besonders Wilhelm Öchelhäuser und P. Mischler sich auszeichneten. Diese wiesen in ausführlichen und gründlichen Schriften, indem sie die Lage der deutschen Eisen- industrie in ihrem Verhältnisse zum Auslande zahlenmäſsig klar- stellten, die Notwendigkeit des Schutzzolles für die deutsche Roh- eisenindustrie nach. Diese zeit- und sachgemäſsen Ausführungen hatten denn auch den gewünschten Erfolg, zum groſsen Segen für die Entwickelung der deutschen Eisenindustrie. Zunächst wurde der Roh- eisenzoll beibehalten; am 18. Februar 1852 wurde die Vergünstigung Belgiens auf die Hälfte herabgesetzt, d. h. der Roheisenzoll auf 75 Pfennige (7½ Silbergroschen) für den Zollcentner erhöht und dann vom 1. Januar 1854 ab die differentielle Vergünstigung des belgischen Eisens überhaupt aufgehoben, also auch für belgisches Roheisen der Einfuhrzoll auf 1 Mark für den Centner festgesetzt.
Diese gemäſsigte, weise Schutzzollpolitik hat in Verbindung mit technischen Gründen die groſsartige Roheisenindustrie in Rheinland und Westfalen geschaffen. Die Entwickelung derselben, besonders in den Jahren 1851 bis 1857, bietet ein anziehendes Schauspiel. Die Londoner Ausstellung war dafür von unmittelbarer Bedeutung. Diese hatte den deutschen Eisenindustriellen die ungeheure Wichtigkeit des Kohleneisensteines (black band) für die englische Eisenindustrie vor Augen geführt. Nun hatte es sich gefügt, daſs der kurhessische Hüttenmeister Schreiber um dieselbe Zeit das Vorkommen von ganz ähnlichem Kohleneisenstein im Ruhrgebiete nachgewiesen hatte. Eine gewaltige Aufregung entstand im Ruhrgebiete, die Unternehmungs- lust wurde entfesselt, zahlreiche Hochofenwerke entstanden, von denen wir die groſse Anlage zu Hörde besonders erwähnen.
Um aber diese Ereignisse in ihrer technisch-historischen Bedeutung würdigen zu können, ist es notwendig, die Fortschritte der 50er Jahre systematisch zu betrachten. Wir geben deshalb zunächst einen kurzen Überblick über die schriftstellerischen Leistungen in diesem Zeit- abschnitte.
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Die erste Weltausstellung 1851.
würdigen Eisenerze in diesem Gebiete. Wie unrichtig diese Annahmen
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Freihändlern als unanfechtbare Lehrsätze behauptet. Die theoretischen
Anschauungen im deutschen Zollvereine waren aber freihändlerisch
und es herrschte infolgedessen eine groſse Geneigtheit, den Roheisen-
zoll wieder abzuschaffen oder herabzusetzen. Gegen diese Anschauung
und gegen die Begünstigung Belgiens kämpften aber nicht nur die
Eisenindustriellen selbst, sondern auch sachverständige, klar sehende
Volkswirtschaftler, unter denen besonders Wilhelm Öchelhäuser
und P. Mischler sich auszeichneten. Diese wiesen in ausführlichen
und gründlichen Schriften, indem sie die Lage der deutschen Eisen-
industrie in ihrem Verhältnisse zum Auslande zahlenmäſsig klar-
stellten, die Notwendigkeit des Schutzzolles für die deutsche Roh-
eisenindustrie nach. Diese zeit- und sachgemäſsen Ausführungen
hatten denn auch den gewünschten Erfolg, zum groſsen Segen für die
Entwickelung der deutschen Eisenindustrie. Zunächst wurde der Roh-
eisenzoll beibehalten; am 18. Februar 1852 wurde die Vergünstigung
Belgiens auf die Hälfte herabgesetzt, d. h. der Roheisenzoll auf
75 Pfennige (7½ Silbergroschen) für den Zollcentner erhöht und dann
vom 1. Januar 1854 ab die differentielle Vergünstigung des belgischen
Eisens überhaupt aufgehoben, also auch für belgisches Roheisen der
Einfuhrzoll auf 1 Mark für den Centner festgesetzt.
Diese gemäſsigte, weise Schutzzollpolitik hat in Verbindung mit
technischen Gründen die groſsartige Roheisenindustrie in Rheinland
und Westfalen geschaffen. Die Entwickelung derselben, besonders in
den Jahren 1851 bis 1857, bietet ein anziehendes Schauspiel. Die
Londoner Ausstellung war dafür von unmittelbarer Bedeutung. Diese
hatte den deutschen Eisenindustriellen die ungeheure Wichtigkeit
des Kohleneisensteines (black band) für die englische Eisenindustrie
vor Augen geführt. Nun hatte es sich gefügt, daſs der kurhessische
Hüttenmeister Schreiber um dieselbe Zeit das Vorkommen von ganz
ähnlichem Kohleneisenstein im Ruhrgebiete nachgewiesen hatte. Eine
gewaltige Aufregung entstand im Ruhrgebiete, die Unternehmungs-
lust wurde entfesselt, zahlreiche Hochofenwerke entstanden, von denen
wir die groſse Anlage zu Hörde besonders erwähnen.
Um aber diese Ereignisse in ihrer technisch-historischen Bedeutung
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 786. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/802>, abgerufen am 22.11.2024.
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