Die Macht und das Ansehen des am 10. Dezember 1848 zum Präsidenten der französischen Republik erwählten Prinzen Louis Napoleon wuchs von Jahr zu Jahr, so dass die monarchische Spitze sich mehr und mehr befestigte und die Regierung Frankreichs festen Halt gewann. Napoleon hatte den engen Anschluss Frankreichs an England und die Beförderung der Arbeit und der Industrie auf seine Fahne geschrieben, was wesentlich zu seinen politischen Erfolgen, sowie zum Gedeihen der französischen Industrie beigetragen hat. Der Staats- streich vom 2. Dezember 1851 und die Proklamation des Kaiser- reiches unter Napoleon III. waren Etappen auf dieser Bahn und die mit diesen Ereignissen verbundenen Beunruhigungen konnten den siegreichen Fortschritt der Industrie vorläufig nicht aufhalten. Dem Auslande gegenüber beteuerte Napoleon seine Friedensliebe. Keine Wolke schien den Frieden Europas zu bedrohen.
Ebenso knüpfte in Deutschland die gedeihliche Entwickelung der Eisenindustrie nach den Aufregungen der Revolution von 1848 und 1849 zu Anfang der 50er Jahre wieder an die blühende vormärzliche Zeit an. Auf die deutsche Eisenindustrie hat die Londoner Weltausstellung besonders günstig eingewirkt. Sie stärkte das Selbstbewusstsein der deutschen Eisenindustriellen durch die Anerkennung und Auszeich- nungen, welche ihnen zu teil wurden, und durch die Erkenntnis, dass die bewunderte englische Industrie in technischer Beziehung keinen unerreichbar grossen Vorsprung hatte. Dazu kam ein handels- politisches Moment, welches für die Entwickelung der deutschen Eisen- industrie damals von grosser Wichtigkeit war: die Beibehaltung des Roheisenzolles. Dieser war bekanntlich erst am 1. September 1844, nachdem die deutsche Eisenindustrie durch die Konkurrenz der mit hochentwickelter Steinkohlen-Eisenindustrie ausgestatteten Länder England und Belgien dem Untergange nahe gebracht worden war, eingeführt worden. Er betrug 1 Mark (10 Silbergroschen) für den Zollcentner. Für Belgien war aber von vornherein ein Ausnahme- tarif von nur 50 Pfennigen (5 Silbergroschen) für den Zollcentner festgesetzt worden. Dieser für die deutsche Hochofenindustrie sehr nachteilige Ausnahmesatz hatte seinen Grund darin, dass die neu- entstandenen Puddel- und Walzwerke mit Steinkohlenbetrieb im Rhein- lande und Westfalen ihr Roheisen grösstenteils aus Belgien bezogen und es als feststehend angenommen wurde, dass diese Gebiete ausser stande seien, ihren Roheisenbedarf selbst zu produzieren. Es war die Meinung verbreitet, die Steinkohlen der Ruhr seien zu schwefelhaltig und ungeeignet für den Hochofenbetrieb und es gäbe keine schmelz-
Beck, Geschichte des Eisens. 50
Die erste Weltausstellung 1851.
Die Macht und das Ansehen des am 10. Dezember 1848 zum Präsidenten der französischen Republik erwählten Prinzen Louis Napoleon wuchs von Jahr zu Jahr, so daſs die monarchische Spitze sich mehr und mehr befestigte und die Regierung Frankreichs festen Halt gewann. Napoleon hatte den engen Anschluſs Frankreichs an England und die Beförderung der Arbeit und der Industrie auf seine Fahne geschrieben, was wesentlich zu seinen politischen Erfolgen, sowie zum Gedeihen der französischen Industrie beigetragen hat. Der Staats- streich vom 2. Dezember 1851 und die Proklamation des Kaiser- reiches unter Napoleon III. waren Etappen auf dieser Bahn und die mit diesen Ereignissen verbundenen Beunruhigungen konnten den siegreichen Fortschritt der Industrie vorläufig nicht aufhalten. Dem Auslande gegenüber beteuerte Napoleon seine Friedensliebe. Keine Wolke schien den Frieden Europas zu bedrohen.
Ebenso knüpfte in Deutschland die gedeihliche Entwickelung der Eisenindustrie nach den Aufregungen der Revolution von 1848 und 1849 zu Anfang der 50er Jahre wieder an die blühende vormärzliche Zeit an. Auf die deutsche Eisenindustrie hat die Londoner Weltausstellung besonders günstig eingewirkt. Sie stärkte das Selbstbewuſstsein der deutschen Eisenindustriellen durch die Anerkennung und Auszeich- nungen, welche ihnen zu teil wurden, und durch die Erkenntnis, daſs die bewunderte englische Industrie in technischer Beziehung keinen unerreichbar groſsen Vorsprung hatte. Dazu kam ein handels- politisches Moment, welches für die Entwickelung der deutschen Eisen- industrie damals von groſser Wichtigkeit war: die Beibehaltung des Roheisenzolles. Dieser war bekanntlich erst am 1. September 1844, nachdem die deutsche Eisenindustrie durch die Konkurrenz der mit hochentwickelter Steinkohlen-Eisenindustrie ausgestatteten Länder England und Belgien dem Untergange nahe gebracht worden war, eingeführt worden. Er betrug 1 Mark (10 Silbergroschen) für den Zollcentner. Für Belgien war aber von vornherein ein Ausnahme- tarif von nur 50 Pfennigen (5 Silbergroschen) für den Zollcentner festgesetzt worden. Dieser für die deutsche Hochofenindustrie sehr nachteilige Ausnahmesatz hatte seinen Grund darin, daſs die neu- entstandenen Puddel- und Walzwerke mit Steinkohlenbetrieb im Rhein- lande und Westfalen ihr Roheisen gröſstenteils aus Belgien bezogen und es als feststehend angenommen wurde, daſs diese Gebiete auſser stande seien, ihren Roheisenbedarf selbst zu produzieren. Es war die Meinung verbreitet, die Steinkohlen der Ruhr seien zu schwefelhaltig und ungeeignet für den Hochofenbetrieb und es gäbe keine schmelz-
Beck, Geschichte des Eisens. 50
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Die erste Weltausstellung 1851.
Die Macht und das Ansehen des am 10. Dezember 1848 zum Präsidenten
der französischen Republik erwählten Prinzen Louis Napoleon wuchs
von Jahr zu Jahr, so daſs die monarchische Spitze sich mehr und
mehr befestigte und die Regierung Frankreichs festen Halt gewann.
Napoleon hatte den engen Anschluſs Frankreichs an England und
die Beförderung der Arbeit und der Industrie auf seine Fahne
geschrieben, was wesentlich zu seinen politischen Erfolgen, sowie zum
Gedeihen der französischen Industrie beigetragen hat. Der Staats-
streich vom 2. Dezember 1851 und die Proklamation des Kaiser-
reiches unter Napoleon III. waren Etappen auf dieser Bahn und die
mit diesen Ereignissen verbundenen Beunruhigungen konnten den
siegreichen Fortschritt der Industrie vorläufig nicht aufhalten. Dem
Auslande gegenüber beteuerte Napoleon seine Friedensliebe. Keine
Wolke schien den Frieden Europas zu bedrohen.
Ebenso knüpfte in Deutschland die gedeihliche Entwickelung der
Eisenindustrie nach den Aufregungen der Revolution von 1848 und 1849
zu Anfang der 50er Jahre wieder an die blühende vormärzliche Zeit
an. Auf die deutsche Eisenindustrie hat die Londoner Weltausstellung
besonders günstig eingewirkt. Sie stärkte das Selbstbewuſstsein der
deutschen Eisenindustriellen durch die Anerkennung und Auszeich-
nungen, welche ihnen zu teil wurden, und durch die Erkenntnis, daſs
die bewunderte englische Industrie in technischer Beziehung keinen
unerreichbar groſsen Vorsprung hatte. Dazu kam ein handels-
politisches Moment, welches für die Entwickelung der deutschen Eisen-
industrie damals von groſser Wichtigkeit war: die Beibehaltung des
Roheisenzolles. Dieser war bekanntlich erst am 1. September 1844,
nachdem die deutsche Eisenindustrie durch die Konkurrenz der mit
hochentwickelter Steinkohlen-Eisenindustrie ausgestatteten Länder
England und Belgien dem Untergange nahe gebracht worden war,
eingeführt worden. Er betrug 1 Mark (10 Silbergroschen) für den
Zollcentner. Für Belgien war aber von vornherein ein Ausnahme-
tarif von nur 50 Pfennigen (5 Silbergroschen) für den Zollcentner
festgesetzt worden. Dieser für die deutsche Hochofenindustrie sehr
nachteilige Ausnahmesatz hatte seinen Grund darin, daſs die neu-
entstandenen Puddel- und Walzwerke mit Steinkohlenbetrieb im Rhein-
lande und Westfalen ihr Roheisen gröſstenteils aus Belgien bezogen
und es als feststehend angenommen wurde, daſs diese Gebiete auſser
stande seien, ihren Roheisenbedarf selbst zu produzieren. Es war die
Meinung verbreitet, die Steinkohlen der Ruhr seien zu schwefelhaltig
und ungeeignet für den Hochofenbetrieb und es gäbe keine schmelz-
Beck, Geschichte des Eisens. 50
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 785. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/801>, abgerufen am 22.11.2024.
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