politischen Unruhen sank die Zahl seiner Arbeiter wieder auf 72. Um diesen ihren Lohn bezahlen zu können, musste er das ganze ererbte Silberzeug der Familie verkaufen. Damals bereits beschäftigte sich Alfred Krupp eifrig mit der Verwendung des Gussstahls für Kriegs- zwecke, insbesondere für Feuerwaffen. Bereits 1843 hatte er dem preussischen Kriegsministerium zwei von ihm selbst geschmiedete Guss- stahlgewehrläufe zur Prüfung vorgelegt. Das Kriegsministerium fertigte ihn geringschätzig ab. Darauf schickte Krupp dieselben Läufe an Mar- schall Soult nach Paris. Die dort angestellten Proben fielen glänzend aus. Nun erst schenkte man der Sache auch in Berlin Beachtung. 1847 hatte Krupp auch ein Dreipfündergeschütz aus Gussstahl kon- struiert, das 1849 in Berlin vor einer Artillerie-Prüfungskommission probiert wurde und sich vorzüglich bewährte. Bald sollte Krupp grössere Erfolge erringen.
Die Nadelfabrikation in Iserlohn hatte besonders durch die Bemühungen von Stephan Witte und seinem Sohne Hermann eine hohe Blüte erlangt. 1839/40 führte letzterer, nachdem es ihm gelungen war, Einblick in die berühmten Nadelfabriken zu Reddich in England zu erlangen, die englische Fabrikation mit Maschinen ein. Die Firma Stephan Witte & Ko. beschäftigte zu Ende der Periode über 1000 Arbeiter.
Im Siegerland, welches dem rheinischen Bergamtsbezirk zu- geteilt war, herrschte noch ganz der alte gewerkschaftliche Betrieb und war die alte Hütten- und Hammerordnung mit ihren vielen Be- schränkungen noch massgebend.
Zwar waren am 25. Januar 1830 die alten Kurbriefe aufgehoben und eine neue "Hütten- und Hammerordnung für die gewerbschaft- lichen Stahl- und Eisenhütten im Lande Siegen" eingeführt worden 1). Dieselbe änderte aber nur wenig an den früheren Einrichtungen. Die Betriebszeit der privilegierten 9 Eisenhütten, 4 Stahlhütten, 16 Eisen- hämmer und 12 Stahlhämmer wurde beibehalten, dagegen wurde frei- gegeben Eisen oder Stahl zu frischen und, was noch wichtiger war, den Eisen- und Stahlhämmern wurde es gestattet, ihre Hammertage im Verhältnis zu dem Kohlenverbrauche in Hüttentage zu verwandeln und als solche zu verkaufen. Das Recht, mit Steinkohlen ohne An- rechnung auf die wegen dem Holzverbrauch privilegierten Tage zu hütten, wurde anerkannt. Dies führte allmählich durch die Ein- führung des Puddelprozesses (1845), das Aufgeben des Hammer-
1) Siehe Jacobi, Das Berg-, Hütten- und Gewerbewesen des Regierungs- bezirkes Arnsberg, 1857, S. 129.
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Preuſsen 1831 bis 1850.
politischen Unruhen sank die Zahl seiner Arbeiter wieder auf 72. Um diesen ihren Lohn bezahlen zu können, muſste er das ganze ererbte Silberzeug der Familie verkaufen. Damals bereits beschäftigte sich Alfred Krupp eifrig mit der Verwendung des Guſsstahls für Kriegs- zwecke, insbesondere für Feuerwaffen. Bereits 1843 hatte er dem preuſsischen Kriegsministerium zwei von ihm selbst geschmiedete Guſs- stahlgewehrläufe zur Prüfung vorgelegt. Das Kriegsministerium fertigte ihn geringschätzig ab. Darauf schickte Krupp dieselben Läufe an Mar- schall Soult nach Paris. Die dort angestellten Proben fielen glänzend aus. Nun erst schenkte man der Sache auch in Berlin Beachtung. 1847 hatte Krupp auch ein Dreipfündergeschütz aus Guſsstahl kon- struiert, das 1849 in Berlin vor einer Artillerie-Prüfungskommission probiert wurde und sich vorzüglich bewährte. Bald sollte Krupp gröſsere Erfolge erringen.
Die Nadelfabrikation in Iserlohn hatte besonders durch die Bemühungen von Stephan Witte und seinem Sohne Hermann eine hohe Blüte erlangt. 1839/40 führte letzterer, nachdem es ihm gelungen war, Einblick in die berühmten Nadelfabriken zu Reddich in England zu erlangen, die englische Fabrikation mit Maschinen ein. Die Firma Stephan Witte & Ko. beschäftigte zu Ende der Periode über 1000 Arbeiter.
Im Siegerland, welches dem rheinischen Bergamtsbezirk zu- geteilt war, herrschte noch ganz der alte gewerkschaftliche Betrieb und war die alte Hütten- und Hammerordnung mit ihren vielen Be- schränkungen noch maſsgebend.
Zwar waren am 25. Januar 1830 die alten Kurbriefe aufgehoben und eine neue „Hütten- und Hammerordnung für die gewerbschaft- lichen Stahl- und Eisenhütten im Lande Siegen“ eingeführt worden 1). Dieselbe änderte aber nur wenig an den früheren Einrichtungen. Die Betriebszeit der privilegierten 9 Eisenhütten, 4 Stahlhütten, 16 Eisen- hämmer und 12 Stahlhämmer wurde beibehalten, dagegen wurde frei- gegeben Eisen oder Stahl zu frischen und, was noch wichtiger war, den Eisen- und Stahlhämmern wurde es gestattet, ihre Hammertage im Verhältnis zu dem Kohlenverbrauche in Hüttentage zu verwandeln und als solche zu verkaufen. Das Recht, mit Steinkohlen ohne An- rechnung auf die wegen dem Holzverbrauch privilegierten Tage zu hütten, wurde anerkannt. Dies führte allmählich durch die Ein- führung des Puddelprozesses (1845), das Aufgeben des Hammer-
1) Siehe Jacobi, Das Berg-, Hütten- und Gewerbewesen des Regierungs- bezirkes Arnsberg, 1857, S. 129.
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Preuſsen 1831 bis 1850.
politischen Unruhen sank die Zahl seiner Arbeiter wieder auf 72. Um
diesen ihren Lohn bezahlen zu können, muſste er das ganze ererbte
Silberzeug der Familie verkaufen. Damals bereits beschäftigte sich
Alfred Krupp eifrig mit der Verwendung des Guſsstahls für Kriegs-
zwecke, insbesondere für Feuerwaffen. Bereits 1843 hatte er dem
preuſsischen Kriegsministerium zwei von ihm selbst geschmiedete Guſs-
stahlgewehrläufe zur Prüfung vorgelegt. Das Kriegsministerium fertigte
ihn geringschätzig ab. Darauf schickte Krupp dieselben Läufe an Mar-
schall Soult nach Paris. Die dort angestellten Proben fielen glänzend
aus. Nun erst schenkte man der Sache auch in Berlin Beachtung.
1847 hatte Krupp auch ein Dreipfündergeschütz aus Guſsstahl kon-
struiert, das 1849 in Berlin vor einer Artillerie-Prüfungskommission
probiert wurde und sich vorzüglich bewährte. Bald sollte Krupp
gröſsere Erfolge erringen.
Die Nadelfabrikation in Iserlohn hatte besonders durch die
Bemühungen von Stephan Witte und seinem Sohne Hermann eine
hohe Blüte erlangt. 1839/40 führte letzterer, nachdem es ihm
gelungen war, Einblick in die berühmten Nadelfabriken zu Reddich
in England zu erlangen, die englische Fabrikation mit Maschinen ein.
Die Firma Stephan Witte & Ko. beschäftigte zu Ende der Periode
über 1000 Arbeiter.
Im Siegerland, welches dem rheinischen Bergamtsbezirk zu-
geteilt war, herrschte noch ganz der alte gewerkschaftliche Betrieb
und war die alte Hütten- und Hammerordnung mit ihren vielen Be-
schränkungen noch maſsgebend.
Zwar waren am 25. Januar 1830 die alten Kurbriefe aufgehoben
und eine neue „Hütten- und Hammerordnung für die gewerbschaft-
lichen Stahl- und Eisenhütten im Lande Siegen“ eingeführt worden 1).
Dieselbe änderte aber nur wenig an den früheren Einrichtungen. Die
Betriebszeit der privilegierten 9 Eisenhütten, 4 Stahlhütten, 16 Eisen-
hämmer und 12 Stahlhämmer wurde beibehalten, dagegen wurde frei-
gegeben Eisen oder Stahl zu frischen und, was noch wichtiger war,
den Eisen- und Stahlhämmern wurde es gestattet, ihre Hammertage
im Verhältnis zu dem Kohlenverbrauche in Hüttentage zu verwandeln
und als solche zu verkaufen. Das Recht, mit Steinkohlen ohne An-
rechnung auf die wegen dem Holzverbrauch privilegierten Tage zu
hütten, wurde anerkannt. Dies führte allmählich durch die Ein-
führung des Puddelprozesses (1845), das Aufgeben des Hammer-
1) Siehe Jacobi, Das Berg-, Hütten- und Gewerbewesen des Regierungs-
bezirkes Arnsberg, 1857, S. 129.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/723>, abgerufen am 22.11.2024.
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