geben. Seine Schriften sind zahlreich und vielseitig. Hier wollen wir uns aber nur mit Mushets Untersuchungen über den Gussstahl, zu welchen er teilweise durch Clouets Arbeiten veranlasst worden war, kurz beschäftigen. Obgleich Mushet durchaus Autodidakt war und der wissenschaftlichen Vorbildung ermangelte, so sind doch seine Schriften von grosser Klarheit und stechen durch Bestimmtheit und Einfachheit des Ausdrucks vorteilhaft ab gegen viele fachmännische Schriften jener Zeit. Svedenstjerna (Reise nach England 1803/4, S. 163) rühmt seine grosse Klarheit und scharfe Beobachtung, ander- seits aber sei er geneigt, aus einzelnen Thatsachen oft zu kühne Schlüsse zu ziehen. Für manche Dinge schuf er sich erst den tech- nischen Ausdruck, der aber meistens so richtig gewählt war, dass seine Nomenklatur in England allgemein angenommen wurde. In der Praxis hatte er aber kein Glück, woran seine Sucht zu experimen- tieren zumeist schuld war. Nachdem er die Clyde-works verlassen hatte, verband er sich mit mehreren Kaufleuten zu Glasgow und erbaute das Calder Eisenwerk. Er übernahm die Direktion, die aber so unglücklich ausfiel, dass er über 10000 £ Schaden machte. Das Werk wurde eingestellt, kam zum Zwangsverkauf, und Mushet ver- lor sein Vermögen.
Seine theoretische Anschauung der Konstitution des Eisens hatte er von den Franzosen entnommen und mit diesen nahm er einen Sauerstoffgehalt im Roheisen an. Er unterschied folgende Roheisen- sorten 1):
1. Oxygenated crude iron, welches wenig Kohlenstoff und viel Sauerstoff enthält: grelles oder weisses Gusseisen.
2. Carbo-oxygenated crude iron, in welchem Kohlenstoff und Sauerstoff in gleichem Verhältnis gemischt sind, entsprechend halbiertem oder hellgrauem Gusseisen.
3. Carbonated crude iron, graues Gusseisen, und
4. Super carbonated crude iron, mit Graphit überladenes, blau- schwarzes, grossblätteriges Giesereieisen.
Stahl bezeichnet er als Eisen gemengt mit Kohle in gasför- migem Zustande (a mixture of iron with carbon in an aeriform state).
Seine Tiegelschmelzversuche hatten zunächst das negative Resul- tat, dass er nachweisen konnte, dass Clouets Gussstahlbereitung durch Schmelzen von Stabeisen mit kohlensaurem Kalk auf einem
1) Siehe Philos. Magazine II, p. 155.
Chemie 1801 bis 1815.
geben. Seine Schriften sind zahlreich und vielseitig. Hier wollen wir uns aber nur mit Mushets Untersuchungen über den Guſsstahl, zu welchen er teilweise durch Clouets Arbeiten veranlaſst worden war, kurz beschäftigen. Obgleich Mushet durchaus Autodidakt war und der wissenschaftlichen Vorbildung ermangelte, so sind doch seine Schriften von groſser Klarheit und stechen durch Bestimmtheit und Einfachheit des Ausdrucks vorteilhaft ab gegen viele fachmännische Schriften jener Zeit. Svedenstjerna (Reise nach England 1803/4, S. 163) rühmt seine groſse Klarheit und scharfe Beobachtung, ander- seits aber sei er geneigt, aus einzelnen Thatsachen oft zu kühne Schlüsse zu ziehen. Für manche Dinge schuf er sich erst den tech- nischen Ausdruck, der aber meistens so richtig gewählt war, daſs seine Nomenklatur in England allgemein angenommen wurde. In der Praxis hatte er aber kein Glück, woran seine Sucht zu experimen- tieren zumeist schuld war. Nachdem er die Clyde-works verlassen hatte, verband er sich mit mehreren Kaufleuten zu Glasgow und erbaute das Calder Eisenwerk. Er übernahm die Direktion, die aber so unglücklich ausfiel, daſs er über 10000 £ Schaden machte. Das Werk wurde eingestellt, kam zum Zwangsverkauf, und Mushet ver- lor sein Vermögen.
Seine theoretische Anschauung der Konstitution des Eisens hatte er von den Franzosen entnommen und mit diesen nahm er einen Sauerstoffgehalt im Roheisen an. Er unterschied folgende Roheisen- sorten 1):
1. Oxygenated crude iron, welches wenig Kohlenstoff und viel Sauerstoff enthält: grelles oder weiſses Guſseisen.
2. Carbo-oxygenated crude iron, in welchem Kohlenstoff und Sauerstoff in gleichem Verhältnis gemischt sind, entsprechend halbiertem oder hellgrauem Guſseisen.
3. Carbonated crude iron, graues Guſseisen, und
4. Super carbonated crude iron, mit Graphit überladenes, blau- schwarzes, groſsblätteriges Gieſereieisen.
Stahl bezeichnet er als Eisen gemengt mit Kohle in gasför- migem Zustande (a mixture of iron with carbon in an aëriform state).
Seine Tiegelschmelzversuche hatten zunächst das negative Resul- tat, daſs er nachweisen konnte, daſs Clouets Guſsstahlbereitung durch Schmelzen von Stabeisen mit kohlensaurem Kalk auf einem
1) Siehe Philos. Magazine II, p. 155.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0040"n="24"/><fwplace="top"type="header">Chemie 1801 bis 1815.</fw><lb/>
geben. Seine Schriften sind zahlreich und vielseitig. Hier wollen wir<lb/>
uns aber nur mit <hirendition="#g">Mushets</hi> Untersuchungen über den Guſsstahl, zu<lb/>
welchen er teilweise durch <hirendition="#g">Clouets</hi> Arbeiten veranlaſst worden war,<lb/>
kurz beschäftigen. Obgleich <hirendition="#g">Mushet</hi> durchaus Autodidakt war und<lb/>
der wissenschaftlichen Vorbildung ermangelte, so sind doch seine<lb/>
Schriften von groſser Klarheit und stechen durch Bestimmtheit und<lb/>
Einfachheit des Ausdrucks vorteilhaft ab gegen viele fachmännische<lb/>
Schriften jener Zeit. <hirendition="#g">Svedenstjerna</hi> (Reise nach England 1803/4,<lb/>
S. 163) rühmt seine groſse Klarheit und scharfe Beobachtung, ander-<lb/>
seits aber sei er geneigt, aus einzelnen Thatsachen oft zu kühne<lb/>
Schlüsse zu ziehen. Für manche Dinge schuf er sich erst den tech-<lb/>
nischen Ausdruck, der aber meistens so richtig gewählt war, daſs<lb/>
seine Nomenklatur in England allgemein angenommen wurde. In der<lb/>
Praxis hatte er aber kein Glück, woran seine Sucht zu experimen-<lb/>
tieren zumeist schuld war. Nachdem er die Clyde-works verlassen<lb/>
hatte, verband er sich mit mehreren Kaufleuten zu Glasgow und<lb/>
erbaute das Calder Eisenwerk. Er übernahm die Direktion, die aber<lb/>
so unglücklich ausfiel, daſs er über 10000 £ Schaden machte. Das<lb/>
Werk wurde eingestellt, kam zum Zwangsverkauf, und <hirendition="#g">Mushet</hi> ver-<lb/>
lor sein Vermögen.</p><lb/><p>Seine theoretische Anschauung der Konstitution des Eisens hatte<lb/>
er von den Franzosen entnommen und mit diesen nahm er einen<lb/>
Sauerstoffgehalt im Roheisen an. Er unterschied folgende Roheisen-<lb/>
sorten <noteplace="foot"n="1)">Siehe Philos. Magazine II, p. 155.</note>:</p><lb/><list><item>1. Oxygenated crude iron, welches wenig Kohlenstoff und viel<lb/>
Sauerstoff enthält: grelles oder weiſses Guſseisen.</item><lb/><item>2. Carbo-oxygenated crude iron, in welchem Kohlenstoff und<lb/>
Sauerstoff in gleichem Verhältnis gemischt sind, entsprechend<lb/>
halbiertem oder hellgrauem Guſseisen.</item><lb/><item>3. Carbonated crude iron, graues Guſseisen, und</item><lb/><item>4. Super carbonated crude iron, mit Graphit überladenes, blau-<lb/>
schwarzes, groſsblätteriges Gieſereieisen.</item></list><lb/><p>Stahl bezeichnet er als Eisen gemengt mit Kohle in gasför-<lb/>
migem Zustande (a mixture of iron with carbon in an aëriform<lb/>
state).</p><lb/><p>Seine Tiegelschmelzversuche hatten zunächst das negative Resul-<lb/>
tat, daſs er nachweisen konnte, daſs <hirendition="#g">Clouets</hi> Guſsstahlbereitung<lb/>
durch Schmelzen von Stabeisen mit kohlensaurem Kalk auf einem<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[24/0040]
Chemie 1801 bis 1815.
geben. Seine Schriften sind zahlreich und vielseitig. Hier wollen wir
uns aber nur mit Mushets Untersuchungen über den Guſsstahl, zu
welchen er teilweise durch Clouets Arbeiten veranlaſst worden war,
kurz beschäftigen. Obgleich Mushet durchaus Autodidakt war und
der wissenschaftlichen Vorbildung ermangelte, so sind doch seine
Schriften von groſser Klarheit und stechen durch Bestimmtheit und
Einfachheit des Ausdrucks vorteilhaft ab gegen viele fachmännische
Schriften jener Zeit. Svedenstjerna (Reise nach England 1803/4,
S. 163) rühmt seine groſse Klarheit und scharfe Beobachtung, ander-
seits aber sei er geneigt, aus einzelnen Thatsachen oft zu kühne
Schlüsse zu ziehen. Für manche Dinge schuf er sich erst den tech-
nischen Ausdruck, der aber meistens so richtig gewählt war, daſs
seine Nomenklatur in England allgemein angenommen wurde. In der
Praxis hatte er aber kein Glück, woran seine Sucht zu experimen-
tieren zumeist schuld war. Nachdem er die Clyde-works verlassen
hatte, verband er sich mit mehreren Kaufleuten zu Glasgow und
erbaute das Calder Eisenwerk. Er übernahm die Direktion, die aber
so unglücklich ausfiel, daſs er über 10000 £ Schaden machte. Das
Werk wurde eingestellt, kam zum Zwangsverkauf, und Mushet ver-
lor sein Vermögen.
Seine theoretische Anschauung der Konstitution des Eisens hatte
er von den Franzosen entnommen und mit diesen nahm er einen
Sauerstoffgehalt im Roheisen an. Er unterschied folgende Roheisen-
sorten 1):
1. Oxygenated crude iron, welches wenig Kohlenstoff und viel
Sauerstoff enthält: grelles oder weiſses Guſseisen.
2. Carbo-oxygenated crude iron, in welchem Kohlenstoff und
Sauerstoff in gleichem Verhältnis gemischt sind, entsprechend
halbiertem oder hellgrauem Guſseisen.
3. Carbonated crude iron, graues Guſseisen, und
4. Super carbonated crude iron, mit Graphit überladenes, blau-
schwarzes, groſsblätteriges Gieſereieisen.
Stahl bezeichnet er als Eisen gemengt mit Kohle in gasför-
migem Zustande (a mixture of iron with carbon in an aëriform
state).
Seine Tiegelschmelzversuche hatten zunächst das negative Resul-
tat, daſs er nachweisen konnte, daſs Clouets Guſsstahlbereitung
durch Schmelzen von Stabeisen mit kohlensaurem Kalk auf einem
1) Siehe Philos. Magazine II, p. 155.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/40>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.