Wertes belegte. Dies Gesetz wirkte sehr segensreich und arbeitete der späteren Zolleinigung Deutschlands vor.
Kehren wir nach dieser zollpolitischen Abschweifung zur tech- nischen Entwickelung der Eisenindustrie zurück.
Das Flammofenfrischen fand erst sehr spät Eingang in Deutsch- land. Einige erfolglose Bemühungen aus früherer Zeit haben wir be- reits beschrieben. 1819 machte auch die fiskalische Verwaltung zu Geislautern an der Saar Versuche, im Flammofen zu frischen. Die- selben erwiesen sich aber als unökonomisch und wurden deshalb nicht fortgesetzt.
Erst im Jahre 1824 gelang es auf der Remyschen Eisenhütte zu Rasselstein bei Neuwied, den Puddelprozess mit Erfolg durch- zuführen. Es geschah dies mit Hülfe englischer Arbeiter, welche John Cockerill zu Seraing der befreundeten Firma für diesen Zweck vorübergehend überlassen hatte. Der preussische Staat unterstützte die Besitzer Christian und Ferdinand Remy durch eine Prämie von 5000 Thlrn. und dadurch, dass er die erforderlichen Steinkohlen aus den Saarbrücker Gruben für mehrere Jahre zum Gestehungs- preise überliess. Im darauffolgenden Jahre kam dort auch ein Stab- eisenwalzwerk in Betrieb.
In demselben Jahre, 1825, wurde der Puddelbetrieb in Lenders- dorf bei Düren eingeführt. Es geschah dies durch Wilhelm und Eberhard Hösch mit Hülfe des englischen Ingenieurs Dobbs auf dem Lendersdorfer Werke, das bis 1817 der Firma Deutgen an- gehört hatte. Dasselbe hatte sich schon im vorigen Jahrhundert in der Schneideisenfabrikation hervorgethan.
Ferdinand Remy begann dann 1825 mit dem Bau eines grösseren Puddel- und Walzwerkes zu Alf an der Mosel, das am 5. Juni 1827 mit drei Puddelöfen, deren Betrieb drei englische Puddelmeister leiteten, einem Stirnhammer und einer Walzenstrasse eröffnet wurde.
Friedrich Harkort hatte erkannt, dass es auch für Westfalen höchste Zeit sei, zu dem neuen Verfahren überzugehen. Er erliess 1824 einen Aufruf, um eine Aktiengesellschaft für diesen Zweck zu gründen. In diesem 1) sagte er: "Einst gab es eine Zeit, wo unser Eisengewerbe über alle hervorragte -- das hat sich gewendet. Unsere Eisenhütten werden im Durchschnitt jämmerlich betrieben, kleine Öfen, schlechtes Gebläse, verschiedenes Material und geringe Erzeu-
1) Siehe Westfälischer Anzeiger Nr. 74, 1824 und "Der alte Harkort" von L. Beyer, S. 165.
Deutschland bis 1830.
Wertes belegte. Dies Gesetz wirkte sehr segensreich und arbeitete der späteren Zolleinigung Deutschlands vor.
Kehren wir nach dieser zollpolitischen Abschweifung zur tech- nischen Entwickelung der Eisenindustrie zurück.
Das Flammofenfrischen fand erst sehr spät Eingang in Deutsch- land. Einige erfolglose Bemühungen aus früherer Zeit haben wir be- reits beschrieben. 1819 machte auch die fiskalische Verwaltung zu Geislautern an der Saar Versuche, im Flammofen zu frischen. Die- selben erwiesen sich aber als unökonomisch und wurden deshalb nicht fortgesetzt.
Erst im Jahre 1824 gelang es auf der Remyschen Eisenhütte zu Rasselstein bei Neuwied, den Puddelprozeſs mit Erfolg durch- zuführen. Es geschah dies mit Hülfe englischer Arbeiter, welche John Cockerill zu Seraing der befreundeten Firma für diesen Zweck vorübergehend überlassen hatte. Der preuſsische Staat unterstützte die Besitzer Christian und Ferdinand Remy durch eine Prämie von 5000 Thlrn. und dadurch, daſs er die erforderlichen Steinkohlen aus den Saarbrücker Gruben für mehrere Jahre zum Gestehungs- preise überlieſs. Im darauffolgenden Jahre kam dort auch ein Stab- eisenwalzwerk in Betrieb.
In demselben Jahre, 1825, wurde der Puddelbetrieb in Lenders- dorf bei Düren eingeführt. Es geschah dies durch Wilhelm und Eberhard Hösch mit Hülfe des englischen Ingenieurs Dobbs auf dem Lendersdorfer Werke, das bis 1817 der Firma Deutgen an- gehört hatte. Dasselbe hatte sich schon im vorigen Jahrhundert in der Schneideisenfabrikation hervorgethan.
Ferdinand Remy begann dann 1825 mit dem Bau eines gröſseren Puddel- und Walzwerkes zu Alf an der Mosel, das am 5. Juni 1827 mit drei Puddelöfen, deren Betrieb drei englische Puddelmeister leiteten, einem Stirnhammer und einer Walzenstraſse eröffnet wurde.
Friedrich Harkort hatte erkannt, daſs es auch für Westfalen höchste Zeit sei, zu dem neuen Verfahren überzugehen. Er erlieſs 1824 einen Aufruf, um eine Aktiengesellschaft für diesen Zweck zu gründen. In diesem 1) sagte er: „Einst gab es eine Zeit, wo unser Eisengewerbe über alle hervorragte — das hat sich gewendet. Unsere Eisenhütten werden im Durchschnitt jämmerlich betrieben, kleine Öfen, schlechtes Gebläse, verschiedenes Material und geringe Erzeu-
1) Siehe Westfälischer Anzeiger Nr. 74, 1824 und „Der alte Harkort“ von L. Beyer, S. 165.
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der späteren Zolleinigung Deutschlands vor.
Kehren wir nach dieser zollpolitischen Abschweifung zur tech-
nischen Entwickelung der Eisenindustrie zurück.
Das Flammofenfrischen fand erst sehr spät Eingang in Deutsch-
land. Einige erfolglose Bemühungen aus früherer Zeit haben wir be-
reits beschrieben. 1819 machte auch die fiskalische Verwaltung zu
Geislautern an der Saar Versuche, im Flammofen zu frischen. Die-
selben erwiesen sich aber als unökonomisch und wurden deshalb nicht
fortgesetzt.
Erst im Jahre 1824 gelang es auf der Remyschen Eisenhütte
zu Rasselstein bei Neuwied, den Puddelprozeſs mit Erfolg durch-
zuführen. Es geschah dies mit Hülfe englischer Arbeiter, welche
John Cockerill zu Seraing der befreundeten Firma für diesen Zweck
vorübergehend überlassen hatte. Der preuſsische Staat unterstützte
die Besitzer Christian und Ferdinand Remy durch eine Prämie
von 5000 Thlrn. und dadurch, daſs er die erforderlichen Steinkohlen
aus den Saarbrücker Gruben für mehrere Jahre zum Gestehungs-
preise überlieſs. Im darauffolgenden Jahre kam dort auch ein Stab-
eisenwalzwerk in Betrieb.
In demselben Jahre, 1825, wurde der Puddelbetrieb in Lenders-
dorf bei Düren eingeführt. Es geschah dies durch Wilhelm und
Eberhard Hösch mit Hülfe des englischen Ingenieurs Dobbs auf
dem Lendersdorfer Werke, das bis 1817 der Firma Deutgen an-
gehört hatte. Dasselbe hatte sich schon im vorigen Jahrhundert in
der Schneideisenfabrikation hervorgethan.
Ferdinand Remy begann dann 1825 mit dem Bau eines gröſseren
Puddel- und Walzwerkes zu Alf an der Mosel, das am 5. Juni 1827
mit drei Puddelöfen, deren Betrieb drei englische Puddelmeister leiteten,
einem Stirnhammer und einer Walzenstraſse eröffnet wurde.
Friedrich Harkort hatte erkannt, daſs es auch für Westfalen
höchste Zeit sei, zu dem neuen Verfahren überzugehen. Er erlieſs
1824 einen Aufruf, um eine Aktiengesellschaft für diesen Zweck zu
gründen. In diesem 1) sagte er: „Einst gab es eine Zeit, wo unser
Eisengewerbe über alle hervorragte — das hat sich gewendet. Unsere
Eisenhütten werden im Durchschnitt jämmerlich betrieben, kleine
Öfen, schlechtes Gebläse, verschiedenes Material und geringe Erzeu-
1) Siehe Westfälischer Anzeiger Nr. 74, 1824 und „Der alte Harkort“ von
L. Beyer, S. 165.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/363>, abgerufen am 22.11.2024.
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