zur Folge, der erst besser wurde, nachdem man den Schacht umgebaut und mit einer Gicht von 6 Fuss Weite versehen hatte. Dieses war der erste für Koksbetrieb gebaute Hochofen in Belgien, der dauernd nur mit Koks betrieben wurde. Er schmolz täglich 10 Tonnen Roh- eisen, was damals als eine erstaunliche Produktion galt.
Es war für John Cockerill eine Existenzfrage, sich den Absatz für die Bedürfnisse der niederländischen Regierung, namentlich für deren bedeutende Marine zu sichern, und er wusste den König so sehr für sein Unternehmen zu interessieren, dass dieser nicht nur namhafte Summen vorschoss, sondern in eine solche Geschäftsverbindung ein- trat, dass er an dem Gewinn und Verlust des Geschäftes teilnahm. John Cockerill führte dabei den Betrieb ganz selbständig, und der Kommissar des Königs hatte nur den Gang des Geschäftes, Umschlag und Gewinn zu überwachen. Durch diese Verbindung wurde Cockerill in den Stand gesetzt, das Werk immer mehr zu erweitern und es zu der Musterwerkstatt zu machen, die es geworden ist. Schwerlich hat irgend eine andere Maschinenfabrik des Kontinents eine gleich grosse geschichtliche Bedeutung erlangt. Seraing wurde nicht nur für Bel- gien, sondern auch für die Nachbarländer die hohe Schule des Ma- schinenbaues und der Maschinenarbeit. Charakteristisch war die strenge Trennung der Betriebe. Obgleich das ganze riesige Werk von einer gemeinschaftlichen Mauer umgeben war, so waren doch im Innern die verschiedenen Betriebe technisch und kaufmännisch scharf getrennt und verkehrten miteinander, wie wenn es verschiedene Unternehmen wären. Dadurch wurde eine musterhafte Ordnung und Übersichtlichkeit erreicht.
Die erste Abteilung bildeten die Kohlenbergwerke, deren Schächte in dem Werke mündeten, so dass die Steinkohle direkt aus der Grube zu den Verbrauchsstellen geführt wurde. Der neue Kohlen- schacht hatte eine Pumpmaschine von 120 Pferdekräften und eine Fördermaschine von 30 Pferdekräften. Alle Grubenarbeiter hatten die von Humphrey Davy erfundenen Sicherheitslampen, die sie nach dem Ausfahren ablieferten und die vor dem Einfahren untersucht wurden 1). Die grösste Verbrauchsstelle für die Steinkohlen war zunächst die ausgedehnte Koksofenanlage; dieselbe stand mit einem Schornsteine von 200 Fuss Höhe in Verbindung.
Die Eisenfabrik oder die Eisenhütte bestand 1829 aus einer
1) Siehe Journal für Gewerbetreibende, Jahrg. 1829, John Cockerill und seine Unternehmungen, und Heinrich Weber, Beschreibung der Eisen- und Maschinenfabrik zu Seraing, Berlin 1829.
Belgien bis 1830.
zur Folge, der erst besser wurde, nachdem man den Schacht umgebaut und mit einer Gicht von 6 Fuſs Weite versehen hatte. Dieses war der erste für Koksbetrieb gebaute Hochofen in Belgien, der dauernd nur mit Koks betrieben wurde. Er schmolz täglich 10 Tonnen Roh- eisen, was damals als eine erstaunliche Produktion galt.
Es war für John Cockerill eine Existenzfrage, sich den Absatz für die Bedürfnisse der niederländischen Regierung, namentlich für deren bedeutende Marine zu sichern, und er wuſste den König so sehr für sein Unternehmen zu interessieren, daſs dieser nicht nur namhafte Summen vorschoſs, sondern in eine solche Geschäftsverbindung ein- trat, daſs er an dem Gewinn und Verlust des Geschäftes teilnahm. John Cockerill führte dabei den Betrieb ganz selbständig, und der Kommissar des Königs hatte nur den Gang des Geschäftes, Umschlag und Gewinn zu überwachen. Durch diese Verbindung wurde Cockerill in den Stand gesetzt, das Werk immer mehr zu erweitern und es zu der Musterwerkstatt zu machen, die es geworden ist. Schwerlich hat irgend eine andere Maschinenfabrik des Kontinents eine gleich groſse geschichtliche Bedeutung erlangt. Seraing wurde nicht nur für Bel- gien, sondern auch für die Nachbarländer die hohe Schule des Ma- schinenbaues und der Maschinenarbeit. Charakteristisch war die strenge Trennung der Betriebe. Obgleich das ganze riesige Werk von einer gemeinschaftlichen Mauer umgeben war, so waren doch im Innern die verschiedenen Betriebe technisch und kaufmännisch scharf getrennt und verkehrten miteinander, wie wenn es verschiedene Unternehmen wären. Dadurch wurde eine musterhafte Ordnung und Übersichtlichkeit erreicht.
Die erste Abteilung bildeten die Kohlenbergwerke, deren Schächte in dem Werke mündeten, so daſs die Steinkohle direkt aus der Grube zu den Verbrauchsstellen geführt wurde. Der neue Kohlen- schacht hatte eine Pumpmaschine von 120 Pferdekräften und eine Fördermaschine von 30 Pferdekräften. Alle Grubenarbeiter hatten die von Humphrey Davy erfundenen Sicherheitslampen, die sie nach dem Ausfahren ablieferten und die vor dem Einfahren untersucht wurden 1). Die gröſste Verbrauchsstelle für die Steinkohlen war zunächst die ausgedehnte Koksofenanlage; dieselbe stand mit einem Schornsteine von 200 Fuſs Höhe in Verbindung.
Die Eisenfabrik oder die Eisenhütte bestand 1829 aus einer
1) Siehe Journal für Gewerbetreibende, Jahrg. 1829, John Cockerill und seine Unternehmungen, und Heinrich Weber, Beschreibung der Eisen- und Maschinenfabrik zu Seraing, Berlin 1829.
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zur Folge, der erst besser wurde, nachdem man den Schacht umgebaut
und mit einer Gicht von 6 Fuſs Weite versehen hatte. Dieses war
der erste für Koksbetrieb gebaute Hochofen in Belgien, der dauernd
nur mit Koks betrieben wurde. Er schmolz täglich 10 Tonnen Roh-
eisen, was damals als eine erstaunliche Produktion galt.
Es war für John Cockerill eine Existenzfrage, sich den Absatz
für die Bedürfnisse der niederländischen Regierung, namentlich für
deren bedeutende Marine zu sichern, und er wuſste den König so sehr
für sein Unternehmen zu interessieren, daſs dieser nicht nur namhafte
Summen vorschoſs, sondern in eine solche Geschäftsverbindung ein-
trat, daſs er an dem Gewinn und Verlust des Geschäftes teilnahm.
John Cockerill führte dabei den Betrieb ganz selbständig, und der
Kommissar des Königs hatte nur den Gang des Geschäftes, Umschlag
und Gewinn zu überwachen. Durch diese Verbindung wurde Cockerill
in den Stand gesetzt, das Werk immer mehr zu erweitern und es zu
der Musterwerkstatt zu machen, die es geworden ist. Schwerlich hat
irgend eine andere Maschinenfabrik des Kontinents eine gleich groſse
geschichtliche Bedeutung erlangt. Seraing wurde nicht nur für Bel-
gien, sondern auch für die Nachbarländer die hohe Schule des Ma-
schinenbaues und der Maschinenarbeit. Charakteristisch war die
strenge Trennung der Betriebe. Obgleich das ganze riesige Werk
von einer gemeinschaftlichen Mauer umgeben war, so waren doch im
Innern die verschiedenen Betriebe technisch und kaufmännisch scharf
getrennt und verkehrten miteinander, wie wenn es verschiedene
Unternehmen wären. Dadurch wurde eine musterhafte Ordnung und
Übersichtlichkeit erreicht.
Die erste Abteilung bildeten die Kohlenbergwerke, deren
Schächte in dem Werke mündeten, so daſs die Steinkohle direkt aus
der Grube zu den Verbrauchsstellen geführt wurde. Der neue Kohlen-
schacht hatte eine Pumpmaschine von 120 Pferdekräften und eine
Fördermaschine von 30 Pferdekräften. Alle Grubenarbeiter hatten
die von Humphrey Davy erfundenen Sicherheitslampen, die sie
nach dem Ausfahren ablieferten und die vor dem Einfahren untersucht
wurden 1). Die gröſste Verbrauchsstelle für die Steinkohlen war
zunächst die ausgedehnte Koksofenanlage; dieselbe stand mit einem
Schornsteine von 200 Fuſs Höhe in Verbindung.
Die Eisenfabrik oder die Eisenhütte bestand 1829 aus einer
1) Siehe Journal für Gewerbetreibende, Jahrg. 1829, John Cockerill und
seine Unternehmungen, und Heinrich Weber, Beschreibung der Eisen- und
Maschinenfabrik zu Seraing, Berlin 1829.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/357>, abgerufen am 22.11.2024.
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