ob man die Schmelzung des Eisens nicht verbessern könne, wenn man die Luft vor ihrer Einführung in den Hochofen reinige, ähnlich wie man Gas reinige. Es war damals noch ein verbreiteter Aberglaube unter den Eisenhüttenleuten, dass Schwefel in der Luft die Schmelzung des Eisens im Sommer ungünstig beeinflusse. Neilson wusste zwar, dass dies nicht der Fall war, aber da er annahm, dass die geringere Wirkung der Gebläseluft im Sommer von ihrem höheren Feuchtigkeits- gehalt abhing, so schlug er vor, den Gebläsewind vor der Einführung in den Hochofen dadurch zu trocknen, dass er ihn durch zwei lange Kammern, welche gebrannten Kalk enthielten, leitete. 1825 hielt er in der Philosophischen Gesellschaft zu Glasgow einen Vortrag über seine Ansichten vom Eisenschmelzprozess. Bald darauf wurde er darum angegangen, Vorschläge zu machen, um den schlechten Gang eines Hochofens zu Muikirk zu verbessern. Der Grund des schlechten Ofenganges war der, dass die Gebläsemaschine etwa eine halbe engl. Meile von dem Hochofen entfernt lag; infolgedessen gelangte der Wind mit sehr verminderter Geschwindigkeit zu dem Ofen. Damals kam Neilson der Gedanke, die Luft vor ihrem Eintritt in den Hoch- ofen durch Erhitzen zu expandieren und dadurch ihre Wirkung zu verstärken. Er machte Versuche im kleinen und fand, dass die Ver- brennung von Gas wesentlich verstärkt würde, wenn man die Ver- brennungsluft in erwärmtem Zustande zuführte. Als er dasselbe Ex- periment bei einem Schmiedefeuer wiederholte, trat diese Wirkung noch viel auffallender zu Tage.
Neilsons Vorschlag, die Gebläseluft beim Hochofen zu erwärmen, begegnete dem grössten Unglauben seitens der Hüttenleute, die kaum zu bewegen waren, auch nur einen Versuch zu gestatten. Stand doch dieser Vorschlag in direktem Widerspruch mit der Erfahrung und der Praxis. Es war eine altbekannte Sache, dass der Hochofen um so besser ging, je kälter die Witterung war; das zeigte sich jahraus, jahrein bei dem Wechsel der Jahreszeiten, indem die Hochöfen im Winter stets besser gingen als im Sommer. Hieraus hatte sich die Praxis ausgebildet, den Wind so kalt wie möglich dem Ofen zuzu- führen. Man strich den Windregulator weiss an, weil die weisse Farbe kühler halten sollte, man leitete die Luft, welche die Gebläse- maschine saugte, erst über kaltes Wasser, um sie zu kühlen, ja man umgab zuweilen die Windleitungsrohre mit Eis, und nun kam ein Gasdirektor, der nach der Meinung der Fachleute keine Ahnung vom Hochofenbetrieb hatte, und schlug gerade das Gegenteil vor! Es schien offenbarer Unsinn. -- Mit vieler Mühe gelang es Neilson, die
Erfindung der Winderhitzung 1829.
ob man die Schmelzung des Eisens nicht verbessern könne, wenn man die Luft vor ihrer Einführung in den Hochofen reinige, ähnlich wie man Gas reinige. Es war damals noch ein verbreiteter Aberglaube unter den Eisenhüttenleuten, daſs Schwefel in der Luft die Schmelzung des Eisens im Sommer ungünstig beeinflusse. Neilson wuſste zwar, daſs dies nicht der Fall war, aber da er annahm, daſs die geringere Wirkung der Gebläseluft im Sommer von ihrem höheren Feuchtigkeits- gehalt abhing, so schlug er vor, den Gebläsewind vor der Einführung in den Hochofen dadurch zu trocknen, daſs er ihn durch zwei lange Kammern, welche gebrannten Kalk enthielten, leitete. 1825 hielt er in der Philosophischen Gesellschaft zu Glasgow einen Vortrag über seine Ansichten vom Eisenschmelzprozeſs. Bald darauf wurde er darum angegangen, Vorschläge zu machen, um den schlechten Gang eines Hochofens zu Muikirk zu verbessern. Der Grund des schlechten Ofenganges war der, daſs die Gebläsemaschine etwa eine halbe engl. Meile von dem Hochofen entfernt lag; infolgedessen gelangte der Wind mit sehr verminderter Geschwindigkeit zu dem Ofen. Damals kam Neilson der Gedanke, die Luft vor ihrem Eintritt in den Hoch- ofen durch Erhitzen zu expandieren und dadurch ihre Wirkung zu verstärken. Er machte Versuche im kleinen und fand, daſs die Ver- brennung von Gas wesentlich verstärkt würde, wenn man die Ver- brennungsluft in erwärmtem Zustande zuführte. Als er dasselbe Ex- periment bei einem Schmiedefeuer wiederholte, trat diese Wirkung noch viel auffallender zu Tage.
Neilsons Vorschlag, die Gebläseluft beim Hochofen zu erwärmen, begegnete dem gröſsten Unglauben seitens der Hüttenleute, die kaum zu bewegen waren, auch nur einen Versuch zu gestatten. Stand doch dieser Vorschlag in direktem Widerspruch mit der Erfahrung und der Praxis. Es war eine altbekannte Sache, daſs der Hochofen um so besser ging, je kälter die Witterung war; das zeigte sich jahraus, jahrein bei dem Wechsel der Jahreszeiten, indem die Hochöfen im Winter stets besser gingen als im Sommer. Hieraus hatte sich die Praxis ausgebildet, den Wind so kalt wie möglich dem Ofen zuzu- führen. Man strich den Windregulator weiſs an, weil die weiſse Farbe kühler halten sollte, man leitete die Luft, welche die Gebläse- maschine saugte, erst über kaltes Wasser, um sie zu kühlen, ja man umgab zuweilen die Windleitungsrohre mit Eis, und nun kam ein Gasdirektor, der nach der Meinung der Fachleute keine Ahnung vom Hochofenbetrieb hatte, und schlug gerade das Gegenteil vor! Es schien offenbarer Unsinn. — Mit vieler Mühe gelang es Neilson, die
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Erfindung der Winderhitzung 1829.
ob man die Schmelzung des Eisens nicht verbessern könne, wenn
man die Luft vor ihrer Einführung in den Hochofen reinige, ähnlich
wie man Gas reinige. Es war damals noch ein verbreiteter Aberglaube
unter den Eisenhüttenleuten, daſs Schwefel in der Luft die Schmelzung
des Eisens im Sommer ungünstig beeinflusse. Neilson wuſste zwar,
daſs dies nicht der Fall war, aber da er annahm, daſs die geringere
Wirkung der Gebläseluft im Sommer von ihrem höheren Feuchtigkeits-
gehalt abhing, so schlug er vor, den Gebläsewind vor der Einführung
in den Hochofen dadurch zu trocknen, daſs er ihn durch zwei lange
Kammern, welche gebrannten Kalk enthielten, leitete. 1825 hielt er
in der Philosophischen Gesellschaft zu Glasgow einen Vortrag über
seine Ansichten vom Eisenschmelzprozeſs. Bald darauf wurde er
darum angegangen, Vorschläge zu machen, um den schlechten Gang
eines Hochofens zu Muikirk zu verbessern. Der Grund des schlechten
Ofenganges war der, daſs die Gebläsemaschine etwa eine halbe engl.
Meile von dem Hochofen entfernt lag; infolgedessen gelangte der
Wind mit sehr verminderter Geschwindigkeit zu dem Ofen. Damals
kam Neilson der Gedanke, die Luft vor ihrem Eintritt in den Hoch-
ofen durch Erhitzen zu expandieren und dadurch ihre Wirkung zu
verstärken. Er machte Versuche im kleinen und fand, daſs die Ver-
brennung von Gas wesentlich verstärkt würde, wenn man die Ver-
brennungsluft in erwärmtem Zustande zuführte. Als er dasselbe Ex-
periment bei einem Schmiedefeuer wiederholte, trat diese Wirkung
noch viel auffallender zu Tage.
Neilsons Vorschlag, die Gebläseluft beim Hochofen zu erwärmen,
begegnete dem gröſsten Unglauben seitens der Hüttenleute, die kaum
zu bewegen waren, auch nur einen Versuch zu gestatten. Stand doch
dieser Vorschlag in direktem Widerspruch mit der Erfahrung und
der Praxis. Es war eine altbekannte Sache, daſs der Hochofen um
so besser ging, je kälter die Witterung war; das zeigte sich jahraus,
jahrein bei dem Wechsel der Jahreszeiten, indem die Hochöfen im
Winter stets besser gingen als im Sommer. Hieraus hatte sich die
Praxis ausgebildet, den Wind so kalt wie möglich dem Ofen zuzu-
führen. Man strich den Windregulator weiſs an, weil die weiſse
Farbe kühler halten sollte, man leitete die Luft, welche die Gebläse-
maschine saugte, erst über kaltes Wasser, um sie zu kühlen, ja man
umgab zuweilen die Windleitungsrohre mit Eis, und nun kam ein
Gasdirektor, der nach der Meinung der Fachleute keine Ahnung vom
Hochofenbetrieb hatte, und schlug gerade das Gegenteil vor! Es
schien offenbarer Unsinn. — Mit vieler Mühe gelang es Neilson, die
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/328>, abgerufen am 24.11.2024.
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