Maschine bezogen, ebenso wichtig war aber die Verbesserung der Schienenbahnen selbst. Diese waren bis dahin ohne Sorgfalt und ohne genaues Nivellement gelegt worden. Die eine lag höher, die andere tiefer, infolgedessen gab es an den Verbindungsstellen die ärgsten Stösse, unter denen die Verbindungen und die Maschinen litten. Damals, 1816, kannte man nur gusseiserne Schienen. Jede Schiene bildete ein Stück von etwa 3 Fuss Länge, dasselbe lag auf flachen, gusseisernen Stühlchen, welche auf Steinblöcken aufsassen. Wichen diese, so passten die Schienenenden nicht mehr aufeinander; heftige Stösse und Schienenbrüche waren die Folge. Um dies mög- lichst zu vermeiden, ersetzte Stephenson die Stossfugen der Schienen durch übereinander grei- fende Fugen, welche in der neben- gezeichneten Weise, Fig. 99, ver- bunden wurden. Diese Schienen für welche er in Gemeinschaft
[Abbildung]
Fig. 99.
mit einem Giessereibesitzer W. Losh von Newcastle am 30. Sep- tember 1816 ein Patent nahm, erwiesen sich als eine grosse Ver- besserung, welche die Leistung der Lokomotive erheblich vermehrte. In demselben Patent waren verschiedene Verbesserungen an der Lokomotive mit einbegriffen, wie die Anwendung schmiedeeiserner Räder an Stelle der Gussräder (eine Erfindung Loshs), namentlich aber eine Federung, welche durch den Dampf bewirkt wurde. Er lagerte den Dampfkessel auf vier kleine Dampfcylinder, welche mit dem Kessel kommunizierten. Die schwebenden Kolben dieser Cylinder nahmen je ein Viertel der Last auf, welche dadurch immer ziemlich gleich verteilt blieb. Diese geistreiche Dampffederung blieb in An- wendung, bis man genügend starke Metallfedern zu machen lernte. Die nach dem neuen Patent verbesserten Maschinen arbeiteten mit grosser Ersparnis und bewährten sich so gut, dass dieselbe Art Maschinen noch vor wenigen Jahrzehnten auf der Killingworthbahn in Anwendung war, wo sie schwere Kohlenzüge mit einer Geschwindig- keit von 5 bis 6 Meilen in der Stunde beförderten.
Stephensons Erfolg erweckte bei vielen die Hoffnung, dass er auch im stande sein würde, eine Strassenlokomotive zu bauen; er selbst aber lehnte dies bestimmt ab, da ihm klar war, wie unverhältnis- mässig gross die Reibung auf gewöhnlichen Strassen ist. Dagegen machte er wichtige Versuche, die Grösse der Reibung auf Eisenbahnen zu bestimmen, wobei er sich eines selbsterfundenen Dynamometers
Die Eisenbahnen bis 1830.
Maschine bezogen, ebenso wichtig war aber die Verbesserung der Schienenbahnen selbst. Diese waren bis dahin ohne Sorgfalt und ohne genaues Nivellement gelegt worden. Die eine lag höher, die andere tiefer, infolgedessen gab es an den Verbindungsstellen die ärgsten Stöſse, unter denen die Verbindungen und die Maschinen litten. Damals, 1816, kannte man nur guſseiserne Schienen. Jede Schiene bildete ein Stück von etwa 3 Fuſs Länge, dasselbe lag auf flachen, guſseisernen Stühlchen, welche auf Steinblöcken aufsaſsen. Wichen diese, so paſsten die Schienenenden nicht mehr aufeinander; heftige Stöſse und Schienenbrüche waren die Folge. Um dies mög- lichst zu vermeiden, ersetzte Stephenson die Stoſsfugen der Schienen durch übereinander grei- fende Fugen, welche in der neben- gezeichneten Weise, Fig. 99, ver- bunden wurden. Diese Schienen für welche er in Gemeinschaft
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Fig. 99.
mit einem Gieſsereibesitzer W. Losh von Newcastle am 30. Sep- tember 1816 ein Patent nahm, erwiesen sich als eine groſse Ver- besserung, welche die Leistung der Lokomotive erheblich vermehrte. In demselben Patent waren verschiedene Verbesserungen an der Lokomotive mit einbegriffen, wie die Anwendung schmiedeeiserner Räder an Stelle der Guſsräder (eine Erfindung Loshs), namentlich aber eine Federung, welche durch den Dampf bewirkt wurde. Er lagerte den Dampfkessel auf vier kleine Dampfcylinder, welche mit dem Kessel kommunizierten. Die schwebenden Kolben dieser Cylinder nahmen je ein Viertel der Last auf, welche dadurch immer ziemlich gleich verteilt blieb. Diese geistreiche Dampffederung blieb in An- wendung, bis man genügend starke Metallfedern zu machen lernte. Die nach dem neuen Patent verbesserten Maschinen arbeiteten mit groſser Ersparnis und bewährten sich so gut, daſs dieselbe Art Maschinen noch vor wenigen Jahrzehnten auf der Killingworthbahn in Anwendung war, wo sie schwere Kohlenzüge mit einer Geschwindig- keit von 5 bis 6 Meilen in der Stunde beförderten.
Stephensons Erfolg erweckte bei vielen die Hoffnung, daſs er auch im stande sein würde, eine Straſsenlokomotive zu bauen; er selbst aber lehnte dies bestimmt ab, da ihm klar war, wie unverhältnis- mäſsig groſs die Reibung auf gewöhnlichen Straſsen ist. Dagegen machte er wichtige Versuche, die Gröſse der Reibung auf Eisenbahnen zu bestimmen, wobei er sich eines selbsterfundenen Dynamometers
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Die Eisenbahnen bis 1830.
Maschine bezogen, ebenso wichtig war aber die Verbesserung der
Schienenbahnen selbst. Diese waren bis dahin ohne Sorgfalt und
ohne genaues Nivellement gelegt worden. Die eine lag höher, die
andere tiefer, infolgedessen gab es an den Verbindungsstellen die
ärgsten Stöſse, unter denen die Verbindungen und die Maschinen
litten. Damals, 1816, kannte man nur guſseiserne Schienen. Jede
Schiene bildete ein Stück von etwa 3 Fuſs Länge, dasselbe lag auf
flachen, guſseisernen Stühlchen, welche auf Steinblöcken aufsaſsen.
Wichen diese, so paſsten die Schienenenden nicht mehr aufeinander;
heftige Stöſse und Schienenbrüche waren die Folge. Um dies mög-
lichst zu vermeiden, ersetzte
Stephenson die Stoſsfugen der
Schienen durch übereinander grei-
fende Fugen, welche in der neben-
gezeichneten Weise, Fig. 99, ver-
bunden wurden. Diese Schienen
für welche er in Gemeinschaft
[Abbildung Fig. 99.]
mit einem Gieſsereibesitzer W. Losh von Newcastle am 30. Sep-
tember 1816 ein Patent nahm, erwiesen sich als eine groſse Ver-
besserung, welche die Leistung der Lokomotive erheblich vermehrte.
In demselben Patent waren verschiedene Verbesserungen an der
Lokomotive mit einbegriffen, wie die Anwendung schmiedeeiserner
Räder an Stelle der Guſsräder (eine Erfindung Loshs), namentlich
aber eine Federung, welche durch den Dampf bewirkt wurde. Er
lagerte den Dampfkessel auf vier kleine Dampfcylinder, welche mit
dem Kessel kommunizierten. Die schwebenden Kolben dieser Cylinder
nahmen je ein Viertel der Last auf, welche dadurch immer ziemlich
gleich verteilt blieb. Diese geistreiche Dampffederung blieb in An-
wendung, bis man genügend starke Metallfedern zu machen lernte.
Die nach dem neuen Patent verbesserten Maschinen arbeiteten mit
groſser Ersparnis und bewährten sich so gut, daſs dieselbe Art
Maschinen noch vor wenigen Jahrzehnten auf der Killingworthbahn
in Anwendung war, wo sie schwere Kohlenzüge mit einer Geschwindig-
keit von 5 bis 6 Meilen in der Stunde beförderten.
Stephensons Erfolg erweckte bei vielen die Hoffnung, daſs er
auch im stande sein würde, eine Straſsenlokomotive zu bauen; er selbst
aber lehnte dies bestimmt ab, da ihm klar war, wie unverhältnis-
mäſsig groſs die Reibung auf gewöhnlichen Straſsen ist. Dagegen
machte er wichtige Versuche, die Gröſse der Reibung auf Eisenbahnen
zu bestimmen, wobei er sich eines selbsterfundenen Dynamometers
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/311>, abgerufen am 24.11.2024.
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