wöhnlich glaube. Es handle sich dabei nicht um Legierungen ver- schiedener Metalle, wie Faraday und Stodart annahmen, sondern verschiedener Kohlenstoffverbindungen des Eisens. Eisen und Kohlen- stoff müsse sich nach der Lehre von Berzelius in bestimmten Ver- hältnissen nach ihren Äquivalentgewichten verbinden, da aber der Stahl mehr oder weniger Kohlenstoff enthalte, als einem bestimmten Verhältnis entspräche, so müsse man annehmen, dass Eisen-Kohlen- stoffverbindungen von bestimmten Mischungsverhältnissen in einer Grundmasse von unbestimmtem Mischungsverhältnis gelöst seien. Diese suchten sich beim langsamen Erstarren zu trennen und hieraus entstehe die Damastzeichnung, welche bei jedem Stahl, wenn auch bei vielen nur in geringem Grade, beobachtet werden könne.
Hericart de Thury untersuchte gleichfalls verschiedene, ihm von Degrand in Marseille übergebene Proben von orientalischem Damaststahl und kam zu dem Schluss, dass zwei Arten derselben, von denen die eine durch Kunst hervorgebracht, die andere natürlich sei, unterschieden werden müssten, die er als harten und moirierten Damast bezeichnete. Der erstere sei weit seltener und würde höher geschätzt als der andere; aus jenem seien die dunklen Klingen der alten Fabrikation zu rechnen, während die hellen Klingen von Konstan- tinopel dort gemacht und dabei gar keine Stahlkuchen verwendet würden.
Die Gesellschaft der Aufmunterung der nationalen Industrie in Paris hatte nicht aufgehört, der Frage der Gussstahlbereitung grosses Interesse zuzuwenden. Nachdem die Arbeit von Stodart und Fara- day bekannt geworden war, hatte sie eine besondere Kommission erwählt, um die Versuche der beiden Engländer nachzumachen. Dieser Kommission wurde 1820/21 ein neuer Damaststahl von einem Fabrikanten Sir Henry vorgelegt, welcher daraus damascierte Klingen angefertigt hatte. Dieser Stahl war in der Weise bereitet, dass andere Stahlsorten und zwar sowohl Schweissstahl wie Gussstahl einer längeren oder kürzeren Cementation unterworfen wurden. Der Zweck dieser Operation war, eine Verbesserung des Stahls zu erzielen, und dieser Zweck wurde erreicht. Es ergab sich aber auch, dass so behandelter Stahl Damastfiguren zeigte, weshalb Sir Henry seinen Stahl Damaststahl nannte. Er unterschied vier Grade der Cementation (Aciers prepares de legere, de moyenne, de forte et de haute combi- naison) und jede entwickelte verschiedene Damastmuster; ebenso waren die Figuren des aus Rohstahl bereiteten ganz anders als bei den aus Gussstahl hergestellten. Dieser Stahl behielt angeblich seinen
Die Stahlbereitung 1816 bis 1830.
wöhnlich glaube. Es handle sich dabei nicht um Legierungen ver- schiedener Metalle, wie Faraday und Stodart annahmen, sondern verschiedener Kohlenstoffverbindungen des Eisens. Eisen und Kohlen- stoff müsse sich nach der Lehre von Berzelius in bestimmten Ver- hältnissen nach ihren Äquivalentgewichten verbinden, da aber der Stahl mehr oder weniger Kohlenstoff enthalte, als einem bestimmten Verhältnis entspräche, so müsse man annehmen, daſs Eisen-Kohlen- stoffverbindungen von bestimmten Mischungsverhältnissen in einer Grundmasse von unbestimmtem Mischungsverhältnis gelöst seien. Diese suchten sich beim langsamen Erstarren zu trennen und hieraus entstehe die Damastzeichnung, welche bei jedem Stahl, wenn auch bei vielen nur in geringem Grade, beobachtet werden könne.
Héricart de Thury untersuchte gleichfalls verschiedene, ihm von Degrand in Marseille übergebene Proben von orientalischem Damaststahl und kam zu dem Schluſs, daſs zwei Arten derselben, von denen die eine durch Kunst hervorgebracht, die andere natürlich sei, unterschieden werden müssten, die er als harten und moirierten Damast bezeichnete. Der erstere sei weit seltener und würde höher geschätzt als der andere; aus jenem seien die dunklen Klingen der alten Fabrikation zu rechnen, während die hellen Klingen von Konstan- tinopel dort gemacht und dabei gar keine Stahlkuchen verwendet würden.
Die Gesellschaft der Aufmunterung der nationalen Industrie in Paris hatte nicht aufgehört, der Frage der Guſsstahlbereitung groſses Interesse zuzuwenden. Nachdem die Arbeit von Stodart und Fara- day bekannt geworden war, hatte sie eine besondere Kommission erwählt, um die Versuche der beiden Engländer nachzumachen. Dieser Kommission wurde 1820/21 ein neuer Damaststahl von einem Fabrikanten Sir Henry vorgelegt, welcher daraus damascierte Klingen angefertigt hatte. Dieser Stahl war in der Weise bereitet, daſs andere Stahlsorten und zwar sowohl Schweiſsstahl wie Guſsstahl einer längeren oder kürzeren Cementation unterworfen wurden. Der Zweck dieser Operation war, eine Verbesserung des Stahls zu erzielen, und dieser Zweck wurde erreicht. Es ergab sich aber auch, daſs so behandelter Stahl Damastfiguren zeigte, weshalb Sir Henry seinen Stahl Damaststahl nannte. Er unterschied vier Grade der Cementation (Aciers préparés de legére, de moyenne, de forte et de haute combi- naison) und jede entwickelte verschiedene Damastmuster; ebenso waren die Figuren des aus Rohstahl bereiteten ganz anders als bei den aus Guſsstahl hergestellten. Dieser Stahl behielt angeblich seinen
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Die Stahlbereitung 1816 bis 1830.
wöhnlich glaube. Es handle sich dabei nicht um Legierungen ver-
schiedener Metalle, wie Faraday und Stodart annahmen, sondern
verschiedener Kohlenstoffverbindungen des Eisens. Eisen und Kohlen-
stoff müsse sich nach der Lehre von Berzelius in bestimmten Ver-
hältnissen nach ihren Äquivalentgewichten verbinden, da aber der
Stahl mehr oder weniger Kohlenstoff enthalte, als einem bestimmten
Verhältnis entspräche, so müsse man annehmen, daſs Eisen-Kohlen-
stoffverbindungen von bestimmten Mischungsverhältnissen in einer
Grundmasse von unbestimmtem Mischungsverhältnis gelöst seien.
Diese suchten sich beim langsamen Erstarren zu trennen und hieraus
entstehe die Damastzeichnung, welche bei jedem Stahl, wenn auch
bei vielen nur in geringem Grade, beobachtet werden könne.
Héricart de Thury untersuchte gleichfalls verschiedene, ihm
von Degrand in Marseille übergebene Proben von orientalischem
Damaststahl und kam zu dem Schluſs, daſs zwei Arten derselben,
von denen die eine durch Kunst hervorgebracht, die andere natürlich
sei, unterschieden werden müssten, die er als harten und moirierten
Damast bezeichnete. Der erstere sei weit seltener und würde höher
geschätzt als der andere; aus jenem seien die dunklen Klingen der
alten Fabrikation zu rechnen, während die hellen Klingen von Konstan-
tinopel dort gemacht und dabei gar keine Stahlkuchen verwendet
würden.
Die Gesellschaft der Aufmunterung der nationalen Industrie in
Paris hatte nicht aufgehört, der Frage der Guſsstahlbereitung groſses
Interesse zuzuwenden. Nachdem die Arbeit von Stodart und Fara-
day bekannt geworden war, hatte sie eine besondere Kommission
erwählt, um die Versuche der beiden Engländer nachzumachen.
Dieser Kommission wurde 1820/21 ein neuer Damaststahl von einem
Fabrikanten Sir Henry vorgelegt, welcher daraus damascierte Klingen
angefertigt hatte. Dieser Stahl war in der Weise bereitet, daſs
andere Stahlsorten und zwar sowohl Schweiſsstahl wie Guſsstahl
einer längeren oder kürzeren Cementation unterworfen wurden. Der
Zweck dieser Operation war, eine Verbesserung des Stahls zu erzielen,
und dieser Zweck wurde erreicht. Es ergab sich aber auch, daſs so
behandelter Stahl Damastfiguren zeigte, weshalb Sir Henry seinen
Stahl Damaststahl nannte. Er unterschied vier Grade der Cementation
(Aciers préparés de legére, de moyenne, de forte et de haute combi-
naison) und jede entwickelte verschiedene Damastmuster; ebenso
waren die Figuren des aus Rohstahl bereiteten ganz anders als bei
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/299>, abgerufen am 24.11.2024.
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