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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Einleitung.

Das allergrösste Verdienst um die Entwickelung der Eisenindustrie
haben sich aber die Naturwissenschaften, insbesondere Physik und
Chemie, erworben. Namentlich hat die Chemie durch die wissen-
schaftliche Erklärung und Begründung der metallurgischen Prozesse
die Eisenindustrie in wunderbarer Weise auf der Bahn des Fort-
schrittes gefördert.

Wenden wir uns nun zu der Geschichte des Eisens in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts, welche in dem vorliegenden Bande be-
handelt werden soll, so tritt uns auch hier die Entwickelung der
Eisenindustrie in der dreifachen, oben bezeichneten Richtung als mass-
gebend entgegen.

In England war der Sieg der Steinkohle über die Holzkohle zu
Anfang des Jahrhunderts bereits endgültig entschieden, und England
eroberte sich durch seine Steinkohlenindustrie den Weltmarkt. In
allen anderen Ländern herrschte noch die Holzkohlenindustrie und
nur in der Provinz Ober-Schlesien in Preussen war es durch die
Intelligenz hervorragender Männer, ganz besonders des Ministers Graf
von Reden, gelungen, der Roheisenerzeugung mit Koks zu dauerndem
Sieg zu verhelfen. Die mannigfaltigen sonstigen Versuche, namentlich
auch die zu Creusot (le Creuzot) in Frankreich, hatten einen durch-
schlagenden Erfolg nicht gehabt. Die Kriegsunruhen, in welche Europa
durch den Ehrgeiz Napoleons I. gestürzt wurde, hinderten den natür-
lichen Fortschritt und erst mehrere Jahre nach dem Wiener Frieden
fing man in Frankreich und Belgien an, Versuche zur Eisenbereitung mit
Steinkohlen nach englischem Muster zu machen. Erfolgreich erwiesen
diese sich zuerst bei dem Steinkohlenfrischen, dem Puddelprozess,
der dann auch allmählich in Belgien, Frankreich und in Deutschland am
Rhein und in Saarbrücken Boden fasste und sich ausbreitete. Hand in
Hand damit ging die Einführung des Walzwerkbetriebes mit Dampf-
maschinen. Den grossartigsten Anstoss gab der durch Kenntnisse, That-
kraft und kühnen Unternehmungsgeist ausgezeichnete John Cockerill,
ein Schotte von Geburt, der mit Unterstützung des Königs von Holland
und später von Belgien das berühmte Eisenwerk Seraing gründete,
den englischen Puddel- und Walzprozess und dann den Hochofen-
betrieb mit Koks einführte und dadurch der belgischen Industrie
eine Bedeutung und ein Übergewicht verschaffte, welches bis zu Ende
der Periode, ja bis 1860 für Westdeutschland und Nordfrankreich
fühlbar war. Nach dem Muster von Seraing und der belgischen
Eisenhüttenwerke entwickelte sich die Eisenindustrie mit Steinkohlen-
betrieb in diesen Gebieten vielfach noch in einer gewissen Abhängig-

Einleitung.

Das allergröſste Verdienst um die Entwickelung der Eisenindustrie
haben sich aber die Naturwissenschaften, insbesondere Physik und
Chemie, erworben. Namentlich hat die Chemie durch die wissen-
schaftliche Erklärung und Begründung der metallurgischen Prozesse
die Eisenindustrie in wunderbarer Weise auf der Bahn des Fort-
schrittes gefördert.

Wenden wir uns nun zu der Geschichte des Eisens in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts, welche in dem vorliegenden Bande be-
handelt werden soll, so tritt uns auch hier die Entwickelung der
Eisenindustrie in der dreifachen, oben bezeichneten Richtung als maſs-
gebend entgegen.

In England war der Sieg der Steinkohle über die Holzkohle zu
Anfang des Jahrhunderts bereits endgültig entschieden, und England
eroberte sich durch seine Steinkohlenindustrie den Weltmarkt. In
allen anderen Ländern herrschte noch die Holzkohlenindustrie und
nur in der Provinz Ober-Schlesien in Preuſsen war es durch die
Intelligenz hervorragender Männer, ganz besonders des Ministers Graf
von Reden, gelungen, der Roheisenerzeugung mit Koks zu dauerndem
Sieg zu verhelfen. Die mannigfaltigen sonstigen Versuche, namentlich
auch die zu Creusot (le Creuzot) in Frankreich, hatten einen durch-
schlagenden Erfolg nicht gehabt. Die Kriegsunruhen, in welche Europa
durch den Ehrgeiz Napoleons I. gestürzt wurde, hinderten den natür-
lichen Fortschritt und erst mehrere Jahre nach dem Wiener Frieden
fing man in Frankreich und Belgien an, Versuche zur Eisenbereitung mit
Steinkohlen nach englischem Muster zu machen. Erfolgreich erwiesen
diese sich zuerst bei dem Steinkohlenfrischen, dem Puddelprozeſs,
der dann auch allmählich in Belgien, Frankreich und in Deutschland am
Rhein und in Saarbrücken Boden faſste und sich ausbreitete. Hand in
Hand damit ging die Einführung des Walzwerkbetriebes mit Dampf-
maschinen. Den groſsartigsten Anstoſs gab der durch Kenntnisse, That-
kraft und kühnen Unternehmungsgeist ausgezeichnete John Cockerill,
ein Schotte von Geburt, der mit Unterstützung des Königs von Holland
und später von Belgien das berühmte Eisenwerk Seraing gründete,
den englischen Puddel- und Walzprozeſs und dann den Hochofen-
betrieb mit Koks einführte und dadurch der belgischen Industrie
eine Bedeutung und ein Übergewicht verschaffte, welches bis zu Ende
der Periode, ja bis 1860 für Westdeutschland und Nordfrankreich
fühlbar war. Nach dem Muster von Seraing und der belgischen
Eisenhüttenwerke entwickelte sich die Eisenindustrie mit Steinkohlen-
betrieb in diesen Gebieten vielfach noch in einer gewissen Abhängig-

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[5/0021] Einleitung. Das allergröſste Verdienst um die Entwickelung der Eisenindustrie haben sich aber die Naturwissenschaften, insbesondere Physik und Chemie, erworben. Namentlich hat die Chemie durch die wissen- schaftliche Erklärung und Begründung der metallurgischen Prozesse die Eisenindustrie in wunderbarer Weise auf der Bahn des Fort- schrittes gefördert. Wenden wir uns nun zu der Geschichte des Eisens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, welche in dem vorliegenden Bande be- handelt werden soll, so tritt uns auch hier die Entwickelung der Eisenindustrie in der dreifachen, oben bezeichneten Richtung als maſs- gebend entgegen. In England war der Sieg der Steinkohle über die Holzkohle zu Anfang des Jahrhunderts bereits endgültig entschieden, und England eroberte sich durch seine Steinkohlenindustrie den Weltmarkt. In allen anderen Ländern herrschte noch die Holzkohlenindustrie und nur in der Provinz Ober-Schlesien in Preuſsen war es durch die Intelligenz hervorragender Männer, ganz besonders des Ministers Graf von Reden, gelungen, der Roheisenerzeugung mit Koks zu dauerndem Sieg zu verhelfen. Die mannigfaltigen sonstigen Versuche, namentlich auch die zu Creusot (le Creuzot) in Frankreich, hatten einen durch- schlagenden Erfolg nicht gehabt. Die Kriegsunruhen, in welche Europa durch den Ehrgeiz Napoleons I. gestürzt wurde, hinderten den natür- lichen Fortschritt und erst mehrere Jahre nach dem Wiener Frieden fing man in Frankreich und Belgien an, Versuche zur Eisenbereitung mit Steinkohlen nach englischem Muster zu machen. Erfolgreich erwiesen diese sich zuerst bei dem Steinkohlenfrischen, dem Puddelprozeſs, der dann auch allmählich in Belgien, Frankreich und in Deutschland am Rhein und in Saarbrücken Boden faſste und sich ausbreitete. Hand in Hand damit ging die Einführung des Walzwerkbetriebes mit Dampf- maschinen. Den groſsartigsten Anstoſs gab der durch Kenntnisse, That- kraft und kühnen Unternehmungsgeist ausgezeichnete John Cockerill, ein Schotte von Geburt, der mit Unterstützung des Königs von Holland und später von Belgien das berühmte Eisenwerk Seraing gründete, den englischen Puddel- und Walzprozeſs und dann den Hochofen- betrieb mit Koks einführte und dadurch der belgischen Industrie eine Bedeutung und ein Übergewicht verschaffte, welches bis zu Ende der Periode, ja bis 1860 für Westdeutschland und Nordfrankreich fühlbar war. Nach dem Muster von Seraing und der belgischen Eisenhüttenwerke entwickelte sich die Eisenindustrie mit Steinkohlen- betrieb in diesen Gebieten vielfach noch in einer gewissen Abhängig-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/21>, abgerufen am 27.11.2024.