Munitionsgusses, welcher ausser auf dem Neunkirchener Werke auch auf den benachbarten alten Hochwaldhütten der Gebr. Stumm zu Asbach, Abentheuer und Weilersbach im Schwung war; die Kanonen wurden aus dem Vollen gebohrt, die Kugeln zum Teil gehärtet und poliert.
Für die Stabeisenfabrikation war die Harzer Kleinfrischerei ein- geführt; Steinkohle wurde nur zum Heizen und Wärmen gebraucht. Das Halberger Werk, auf welchem wöchentlich 70 bis 80 Ctr. gutes Stab- und Rundeisen geschmiedet wurden, lieferte Wagenachsen für die französische Artillerie.
1802 begann man zu Dillingen die ersten englischen Blechwalz- werke zu bauen; das erste gewalzte Schwarzblech wurde gegen Ende des Jahres 1804 fabriziert. Von Anfang 1805 an wurde auch Weiss- blech fabriziert, welches auf der Pariser Ausstellung von 1808 bereits die grosse goldene Medaille erhielt.
Die Gaffontainer Stahlhütte verarbeitete fast ausschliesslich Roh- stahleisen von Bendorf. Der produzierte Cementstahl (gegen 1800 Ctr. jährlich) wurde hauptsächlich zu Werkzeugen, Feilen, Wagenfedern und Sensen benutzt. Man schlug deutsche Zeichen auf denselben und verkaufte ihn als "preussischen" Stahl. Bei der ungeheuren Höhe des französischen Eingangszolles für Stahl (49 Fr. 50 Cent. auf 100 kg) blieb der echte preussische (bergische) Stahl vom französischen Markte vollständig ausgeschlossen.
Die rechtsrheinischen westlichen Provinzen Preussens gelangten in dieser Zeit ebenfalls teils unmittelbar, teils mittelbar unter die Napoleonische Herrschaft. Die geschichtlichen Überlieferungen über die Eisenindustrie jener Gebiete sind lückenhaft. Bis 1804 reichen die klassischen Berichte von Eversmann in seiner Übersicht der Eisen- und Stahlerzeugung auf Wasserwerken in den Ländern zwischen Lahn und Lippe, auf die wir verweisen.
Als ein wichtiges Ereignis für die zukünftige Entwickelung der deutschen Stahlindustrie müssen wir die Gründung der Firma Fried- rich Krupp in Essen im Jahre 1810 bezeichnen.
Am 12. April 1800 hatte die "ältere" Witwe Krupp, geb. Ascherfeld, die von dem königlich preussischen Fiskus zur Subhasta- tion ausgesetzte Gutehoffnungshütte bei Sterkrade für 12000 Reichs- thaler Berl. Kour. mit allen Pertinenzien und Gerechtigkeiten und dem dazu gehörigen Wohnhause käuflich erworben. Sie war hierzu veranlasst worden, weil sie eine Obligation auf das Werk hatte für eine Forderung von dem falliten Besitzer Eberhard Pfandhöfer.
Preuſsen 1801 bis 1815.
Munitionsgusses, welcher auſser auf dem Neunkirchener Werke auch auf den benachbarten alten Hochwaldhütten der Gebr. Stumm zu Asbach, Abentheuer und Weilersbach im Schwung war; die Kanonen wurden aus dem Vollen gebohrt, die Kugeln zum Teil gehärtet und poliert.
Für die Stabeisenfabrikation war die Harzer Kleinfrischerei ein- geführt; Steinkohle wurde nur zum Heizen und Wärmen gebraucht. Das Halberger Werk, auf welchem wöchentlich 70 bis 80 Ctr. gutes Stab- und Rundeisen geschmiedet wurden, lieferte Wagenachsen für die französische Artillerie.
1802 begann man zu Dillingen die ersten englischen Blechwalz- werke zu bauen; das erste gewalzte Schwarzblech wurde gegen Ende des Jahres 1804 fabriziert. Von Anfang 1805 an wurde auch Weiſs- blech fabriziert, welches auf der Pariser Ausstellung von 1808 bereits die groſse goldene Medaille erhielt.
Die Gaffontainer Stahlhütte verarbeitete fast ausschlieſslich Roh- stahleisen von Bendorf. Der produzierte Cementstahl (gegen 1800 Ctr. jährlich) wurde hauptsächlich zu Werkzeugen, Feilen, Wagenfedern und Sensen benutzt. Man schlug deutsche Zeichen auf denselben und verkaufte ihn als „preuſsischen“ Stahl. Bei der ungeheuren Höhe des französischen Eingangszolles für Stahl (49 Fr. 50 Cent. auf 100 kg) blieb der echte preuſsische (bergische) Stahl vom französischen Markte vollständig ausgeschlossen.
Die rechtsrheinischen westlichen Provinzen Preuſsens gelangten in dieser Zeit ebenfalls teils unmittelbar, teils mittelbar unter die Napoleonische Herrschaft. Die geschichtlichen Überlieferungen über die Eisenindustrie jener Gebiete sind lückenhaft. Bis 1804 reichen die klassischen Berichte von Eversmann in seiner Übersicht der Eisen- und Stahlerzeugung auf Wasserwerken in den Ländern zwischen Lahn und Lippe, auf die wir verweisen.
Als ein wichtiges Ereignis für die zukünftige Entwickelung der deutschen Stahlindustrie müssen wir die Gründung der Firma Fried- rich Krupp in Essen im Jahre 1810 bezeichnen.
Am 12. April 1800 hatte die „ältere“ Witwe Krupp, geb. Ascherfeld, die von dem königlich preuſsischen Fiskus zur Subhasta- tion ausgesetzte Gutehoffnungshütte bei Sterkrade für 12000 Reichs- thaler Berl. Kour. mit allen Pertinenzien und Gerechtigkeiten und dem dazu gehörigen Wohnhause käuflich erworben. Sie war hierzu veranlaſst worden, weil sie eine Obligation auf das Werk hatte für eine Forderung von dem falliten Besitzer Eberhard Pfandhöfer.
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Preuſsen 1801 bis 1815.
Munitionsgusses, welcher auſser auf dem Neunkirchener Werke auch
auf den benachbarten alten Hochwaldhütten der Gebr. Stumm zu
Asbach, Abentheuer und Weilersbach im Schwung war; die Kanonen
wurden aus dem Vollen gebohrt, die Kugeln zum Teil gehärtet und
poliert.
Für die Stabeisenfabrikation war die Harzer Kleinfrischerei ein-
geführt; Steinkohle wurde nur zum Heizen und Wärmen gebraucht.
Das Halberger Werk, auf welchem wöchentlich 70 bis 80 Ctr. gutes
Stab- und Rundeisen geschmiedet wurden, lieferte Wagenachsen für
die französische Artillerie.
1802 begann man zu Dillingen die ersten englischen Blechwalz-
werke zu bauen; das erste gewalzte Schwarzblech wurde gegen Ende
des Jahres 1804 fabriziert. Von Anfang 1805 an wurde auch Weiſs-
blech fabriziert, welches auf der Pariser Ausstellung von 1808 bereits
die groſse goldene Medaille erhielt.
Die Gaffontainer Stahlhütte verarbeitete fast ausschlieſslich Roh-
stahleisen von Bendorf. Der produzierte Cementstahl (gegen 1800 Ctr.
jährlich) wurde hauptsächlich zu Werkzeugen, Feilen, Wagenfedern
und Sensen benutzt. Man schlug deutsche Zeichen auf denselben und
verkaufte ihn als „preuſsischen“ Stahl. Bei der ungeheuren Höhe
des französischen Eingangszolles für Stahl (49 Fr. 50 Cent. auf 100 kg)
blieb der echte preuſsische (bergische) Stahl vom französischen Markte
vollständig ausgeschlossen.
Die rechtsrheinischen westlichen Provinzen Preuſsens gelangten
in dieser Zeit ebenfalls teils unmittelbar, teils mittelbar unter die
Napoleonische Herrschaft. Die geschichtlichen Überlieferungen über
die Eisenindustrie jener Gebiete sind lückenhaft. Bis 1804 reichen
die klassischen Berichte von Eversmann in seiner Übersicht der
Eisen- und Stahlerzeugung auf Wasserwerken in den Ländern
zwischen Lahn und Lippe, auf die wir verweisen.
Als ein wichtiges Ereignis für die zukünftige Entwickelung der
deutschen Stahlindustrie müssen wir die Gründung der Firma Fried-
rich Krupp in Essen im Jahre 1810 bezeichnen.
Am 12. April 1800 hatte die „ältere“ Witwe Krupp, geb.
Ascherfeld, die von dem königlich preuſsischen Fiskus zur Subhasta-
tion ausgesetzte Gutehoffnungshütte bei Sterkrade für 12000 Reichs-
thaler Berl. Kour. mit allen Pertinenzien und Gerechtigkeiten und
dem dazu gehörigen Wohnhause käuflich erworben. Sie war hierzu
veranlaſst worden, weil sie eine Obligation auf das Werk hatte für
eine Forderung von dem falliten Besitzer Eberhard Pfandhöfer.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/200>, abgerufen am 25.11.2024.
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