Konrad Fischer1) von Schaffhausen, dessen Verdienste um die Gussstahlfabrikation schon 1804 bei der Berner Kunstausstellung an- erkannt wurden. 1809 schickte er Gussstahlproben an die Gesell- schaft der Aufmunterung der Nationalindustrie in Paris, welche 1807 einen Preis von 4000 Franken für das beste Verfahren der Gussstahl- bereitung ausgesetzt hatte. Die beste Sorte soll nach Angaben von Zeitgenossen den englischen Gussstahl übertroffen haben. Fischers Verfahren soll darin bestanden haben, dass er Stabeisen mit gewissen Zusätzen in einem cylindrischen Gebläseofen, in welchem mehrere Tiegel eingesetzt wurden, mit Holzkohlen schmolz. Später soll Fischer auch einen guten schweissbaren Stahl, der im Feuer seine Stahlnatur nicht verlor, bereitet haben 2).
In Bern entstand um 1810 die Grubersche Stahlfabrik, welche einen vortrefflichen Stahl bereitete, der in Bruch, äusserer Form, Klang und Eigenschaften allen Anforderungen entsprochen haben soll 3).
Den grössten Ruf und Absatz erwarben sich aber in der napo- leonischen Zeit die Gebrüder Poncelet in Lüttich. Sie hatten eine bedeutende Fabrik errichtet, welche Frankreich in der Zeit der Kon- tinentalsperre einen grossen Teil seines Bedarfes an Gussstahl lieferte. Schon seit Ende 1807 erzeugten sie ein vortreffliches Produkt. Als sie damit an die Öffentlichkeit traten, wurden sie beschuldigt, denselben nicht selbst fabriziert, sondern englischen Stahl als ihr Fabrikat ausgegeben zu haben. Sie wandten sich nach Paris und baten um Prüfung der Sache. Der damalige Minister des Inneren legte derselben so grosse Wichtigkeit bei, dass er den Chefingenieur Mathieu mit der Untersuchung beauftragte. Dieser überzeugte sich an Ort und Stelle, dass die Gebrüder Poncelet4) aus inländischem Eisen Cementstahl machten und diesen in Tiegeln zu Gussstahl schmolzen. Die Eisenstäbe, welche der Cementation unterworfen wurden, kamen teils von Gincla im Aude-Departement, teils von
1) In seinem Tagebuche einer im Jahre 1814 gemachten Reise über Paris nach London nennt er sich Oberstlieutenant der Artillerie. Er spricht darin öfters von seinem "gelben" Gussstahl. Aus seinen Andeutungen geht nur hervor, dass er denselben durch einen besonderen Fluss oder Zuschlag beim Schmelzen erhielt, auch bezeichnet er denselben einmal als eine Legierung.
2) Siehe Annales des mines, 1809, Nr. 151, p. 12.
3) Siehe Neues Journal für Fabriken etc., IV, November 1810, S. 467.
4) Die Firma hiess: Poncelet Raunet freres, fabricants de limes et d'acier fondu a Liege, dep. de l'Ourthe.
Stahlbereitung 1801 bis 1815.
Konrad Fischer1) von Schaffhausen, dessen Verdienste um die Guſsstahlfabrikation schon 1804 bei der Berner Kunstausstellung an- erkannt wurden. 1809 schickte er Guſsstahlproben an die Gesell- schaft der Aufmunterung der Nationalindustrie in Paris, welche 1807 einen Preis von 4000 Franken für das beste Verfahren der Guſsstahl- bereitung ausgesetzt hatte. Die beste Sorte soll nach Angaben von Zeitgenossen den englischen Guſsstahl übertroffen haben. Fischers Verfahren soll darin bestanden haben, daſs er Stabeisen mit gewissen Zusätzen in einem cylindrischen Gebläseofen, in welchem mehrere Tiegel eingesetzt wurden, mit Holzkohlen schmolz. Später soll Fischer auch einen guten schweiſsbaren Stahl, der im Feuer seine Stahlnatur nicht verlor, bereitet haben 2).
In Bern entstand um 1810 die Grubersche Stahlfabrik, welche einen vortrefflichen Stahl bereitete, der in Bruch, äuſserer Form, Klang und Eigenschaften allen Anforderungen entsprochen haben soll 3).
Den gröſsten Ruf und Absatz erwarben sich aber in der napo- leonischen Zeit die Gebrüder Poncelet in Lüttich. Sie hatten eine bedeutende Fabrik errichtet, welche Frankreich in der Zeit der Kon- tinentalsperre einen groſsen Teil seines Bedarfes an Guſsstahl lieferte. Schon seit Ende 1807 erzeugten sie ein vortreffliches Produkt. Als sie damit an die Öffentlichkeit traten, wurden sie beschuldigt, denselben nicht selbst fabriziert, sondern englischen Stahl als ihr Fabrikat ausgegeben zu haben. Sie wandten sich nach Paris und baten um Prüfung der Sache. Der damalige Minister des Inneren legte derselben so groſse Wichtigkeit bei, daſs er den Chefingenieur Mathieu mit der Untersuchung beauftragte. Dieser überzeugte sich an Ort und Stelle, daſs die Gebrüder Poncelet4) aus inländischem Eisen Cementstahl machten und diesen in Tiegeln zu Guſsstahl schmolzen. Die Eisenstäbe, welche der Cementation unterworfen wurden, kamen teils von Gincla im Aude-Departement, teils von
1) In seinem Tagebuche einer im Jahre 1814 gemachten Reise über Paris nach London nennt er sich Oberstlieutenant der Artillerie. Er spricht darin öfters von seinem „gelben“ Guſsstahl. Aus seinen Andeutungen geht nur hervor, daſs er denselben durch einen besonderen Fluſs oder Zuschlag beim Schmelzen erhielt, auch bezeichnet er denselben einmal als eine Legierung.
2) Siehe Annales des mines, 1809, Nr. 151, p. 12.
3) Siehe Neues Journal für Fabriken etc., IV, November 1810, S. 467.
4) Die Firma hieſs: Poncelet Raunet frères, fabricants de limes et d’acier fondu à Liège, dep. de l’Ourthe.
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Konrad Fischer 1) von Schaffhausen, dessen Verdienste um die
Guſsstahlfabrikation schon 1804 bei der Berner Kunstausstellung an-
erkannt wurden. 1809 schickte er Guſsstahlproben an die Gesell-
schaft der Aufmunterung der Nationalindustrie in Paris, welche 1807
einen Preis von 4000 Franken für das beste Verfahren der Guſsstahl-
bereitung ausgesetzt hatte. Die beste Sorte soll nach Angaben von
Zeitgenossen den englischen Guſsstahl übertroffen haben. Fischers
Verfahren soll darin bestanden haben, daſs er Stabeisen mit gewissen
Zusätzen in einem cylindrischen Gebläseofen, in welchem mehrere
Tiegel eingesetzt wurden, mit Holzkohlen schmolz. Später soll
Fischer auch einen guten schweiſsbaren Stahl, der im Feuer seine
Stahlnatur nicht verlor, bereitet haben 2).
In Bern entstand um 1810 die Grubersche Stahlfabrik, welche
einen vortrefflichen Stahl bereitete, der in Bruch, äuſserer Form,
Klang und Eigenschaften allen Anforderungen entsprochen haben
soll 3).
Den gröſsten Ruf und Absatz erwarben sich aber in der napo-
leonischen Zeit die Gebrüder Poncelet in Lüttich. Sie hatten eine
bedeutende Fabrik errichtet, welche Frankreich in der Zeit der Kon-
tinentalsperre einen groſsen Teil seines Bedarfes an Guſsstahl lieferte.
Schon seit Ende 1807 erzeugten sie ein vortreffliches Produkt.
Als sie damit an die Öffentlichkeit traten, wurden sie beschuldigt,
denselben nicht selbst fabriziert, sondern englischen Stahl als ihr
Fabrikat ausgegeben zu haben. Sie wandten sich nach Paris und
baten um Prüfung der Sache. Der damalige Minister des Inneren
legte derselben so groſse Wichtigkeit bei, daſs er den Chefingenieur
Mathieu mit der Untersuchung beauftragte. Dieser überzeugte sich
an Ort und Stelle, daſs die Gebrüder Poncelet 4) aus inländischem
Eisen Cementstahl machten und diesen in Tiegeln zu Guſsstahl
schmolzen. Die Eisenstäbe, welche der Cementation unterworfen
wurden, kamen teils von Gincla im Aude-Departement, teils von
1) In seinem Tagebuche einer im Jahre 1814 gemachten Reise über Paris
nach London nennt er sich Oberstlieutenant der Artillerie. Er spricht darin öfters
von seinem „gelben“ Guſsstahl. Aus seinen Andeutungen geht nur hervor, daſs
er denselben durch einen besonderen Fluſs oder Zuschlag beim Schmelzen erhielt,
auch bezeichnet er denselben einmal als eine Legierung.
2) Siehe Annales des mines, 1809, Nr. 151, p. 12.
3) Siehe Neues Journal für Fabriken etc., IV, November 1810, S. 467.
4) Die Firma hieſs: Poncelet Raunet frères, fabricants de limes et d’acier
fondu à Liège, dep. de l’Ourthe.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/148>, abgerufen am 24.11.2024.
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