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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Eisengiesserei 1801 bis 1815.
Formen stehen bleiben und die Former und Kunden warten. Das
Ausschöpfen des Eisens mit Kellen aus dem Vorherd, welches für
kleine Gussstücke sehr bequem war, liess sich überhaupt nur bei
kleinen Holzkohlenöfen mit schwachen Gebläsen ermöglichen. Bei
grösseren Öfen und starkem Gebläse war das Schöpfen nicht mehr
gut ausführbar, bei Koksöfen gar nicht.

Verschiedene Gusswaren erfordern auch verschiedenes Eisen. Der
Hochofen, der auf bestimmte Erze angewiesen, lieferte auch bei gutem
Gang meist nur eine bestimmte Eisensorte, die für eine gewisse Klasse
von Gusswaren geeignet war, für andere nicht. Anders verhielt es
sich, wenn man das Eisen zum Vergiessen umschmolz. Hierbei konnte
man sich das Roheisen nach Bedürfnis aussuchen. Das war aber für
einen fabrikmässigen Betrieb so wichtig, dass Karsten bereits 1816
bestimmt sagte, einer gut eingerichteten Giesserei muss in jedem
Augenblicke jede Art von Roheisen, die zu der verlangten Gussware
erforderlich ist, zu Gebote stehen und dies kann nur durch das Um-
schmelzen des Roheisens geschehen, weil der Gang des Hochofens
niemals gestört, sondern immer der Beschaffenheit des Erzes und des
Brennmaterials gemäss fortgesetzt werden muss. Es hatte sich also
bereits ein völliger Umschwung in der Auffassung des Giessereibetriebes
vollzogen, wenn auch die Praxis erst langsam diesem Ziele nachfolgte.
Das Streben nach Verbesserung der Hochöfen ging nach Erhöhung
derselben, dies stand aber im Widerspruch mit den Anforderungen
der Hochofengiesserei. Namentlich war das Eisen der Kokshochöfen,
welche man damals immer in völligem Gargang erhielt, zu gar oder
"schaumig", d. h. durch starke Graphitausscheidung zu porös und zum
Guss dünner Gegenstände, wie leichte Platten, Geschirr und Luxus-
artikel, ungeeignet, während es umgeschmolzen einen dichten, grauen
Guss lieferte.

Das Umschmelzen des Roheisens zum Vergiessen empfahl
sich also 1., weil man dadurch jederzeit flüssiges Roheisen haben
konnte, 2. weil man die Roheisensorten den Gusswaren entsprechend
mischen konnte, 3. um grosse und schwere Gussstücke, welche mehr
Eisen erfordern als der Hochofen zu fassen imstande war, giessen
zu können und 4. um Giessereien an jedem beliebigen Orte betreiben
zu können. Am besten war es, einen Hochofen und eine Anlage zum
Umschmelzen des Roheisens zu verbinden, wie dies in Gleiwitz geschehen
war, indem die Frachtkosten den Guss schwerer Stücke in entfernten
Giessereien doch zu sehr verteuerten.

Zum Umschmelzen hatte man drei Arten von Öfen: Tiegelöfen,

Beck, Geschichte des Eisens. 7

Eisengieſserei 1801 bis 1815.
Formen stehen bleiben und die Former und Kunden warten. Das
Ausschöpfen des Eisens mit Kellen aus dem Vorherd, welches für
kleine Guſsstücke sehr bequem war, lieſs sich überhaupt nur bei
kleinen Holzkohlenöfen mit schwachen Gebläsen ermöglichen. Bei
gröſseren Öfen und starkem Gebläse war das Schöpfen nicht mehr
gut ausführbar, bei Koksöfen gar nicht.

Verschiedene Guſswaren erfordern auch verschiedenes Eisen. Der
Hochofen, der auf bestimmte Erze angewiesen, lieferte auch bei gutem
Gang meist nur eine bestimmte Eisensorte, die für eine gewisse Klasse
von Guſswaren geeignet war, für andere nicht. Anders verhielt es
sich, wenn man das Eisen zum Vergieſsen umschmolz. Hierbei konnte
man sich das Roheisen nach Bedürfnis aussuchen. Das war aber für
einen fabrikmäſsigen Betrieb so wichtig, daſs Karsten bereits 1816
bestimmt sagte, einer gut eingerichteten Gieſserei muſs in jedem
Augenblicke jede Art von Roheisen, die zu der verlangten Guſsware
erforderlich ist, zu Gebote stehen und dies kann nur durch das Um-
schmelzen des Roheisens geschehen, weil der Gang des Hochofens
niemals gestört, sondern immer der Beschaffenheit des Erzes und des
Brennmaterials gemäſs fortgesetzt werden muſs. Es hatte sich also
bereits ein völliger Umschwung in der Auffassung des Gieſsereibetriebes
vollzogen, wenn auch die Praxis erst langsam diesem Ziele nachfolgte.
Das Streben nach Verbesserung der Hochöfen ging nach Erhöhung
derselben, dies stand aber im Widerspruch mit den Anforderungen
der Hochofengieſserei. Namentlich war das Eisen der Kokshochöfen,
welche man damals immer in völligem Gargang erhielt, zu gar oder
„schaumig“, d. h. durch starke Graphitausscheidung zu porös und zum
Guſs dünner Gegenstände, wie leichte Platten, Geschirr und Luxus-
artikel, ungeeignet, während es umgeschmolzen einen dichten, grauen
Guſs lieferte.

Das Umschmelzen des Roheisens zum Vergieſsen empfahl
sich also 1., weil man dadurch jederzeit flüssiges Roheisen haben
konnte, 2. weil man die Roheisensorten den Guſswaren entsprechend
mischen konnte, 3. um groſse und schwere Guſsstücke, welche mehr
Eisen erfordern als der Hochofen zu fassen imstande war, gieſsen
zu können und 4. um Gieſsereien an jedem beliebigen Orte betreiben
zu können. Am besten war es, einen Hochofen und eine Anlage zum
Umschmelzen des Roheisens zu verbinden, wie dies in Gleiwitz geschehen
war, indem die Frachtkosten den Guſs schwerer Stücke in entfernten
Gieſsereien doch zu sehr verteuerten.

Zum Umschmelzen hatte man drei Arten von Öfen: Tiegelöfen,

Beck, Geschichte des Eisens. 7
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[97/0113] Eisengieſserei 1801 bis 1815. Formen stehen bleiben und die Former und Kunden warten. Das Ausschöpfen des Eisens mit Kellen aus dem Vorherd, welches für kleine Guſsstücke sehr bequem war, lieſs sich überhaupt nur bei kleinen Holzkohlenöfen mit schwachen Gebläsen ermöglichen. Bei gröſseren Öfen und starkem Gebläse war das Schöpfen nicht mehr gut ausführbar, bei Koksöfen gar nicht. Verschiedene Guſswaren erfordern auch verschiedenes Eisen. Der Hochofen, der auf bestimmte Erze angewiesen, lieferte auch bei gutem Gang meist nur eine bestimmte Eisensorte, die für eine gewisse Klasse von Guſswaren geeignet war, für andere nicht. Anders verhielt es sich, wenn man das Eisen zum Vergieſsen umschmolz. Hierbei konnte man sich das Roheisen nach Bedürfnis aussuchen. Das war aber für einen fabrikmäſsigen Betrieb so wichtig, daſs Karsten bereits 1816 bestimmt sagte, einer gut eingerichteten Gieſserei muſs in jedem Augenblicke jede Art von Roheisen, die zu der verlangten Guſsware erforderlich ist, zu Gebote stehen und dies kann nur durch das Um- schmelzen des Roheisens geschehen, weil der Gang des Hochofens niemals gestört, sondern immer der Beschaffenheit des Erzes und des Brennmaterials gemäſs fortgesetzt werden muſs. Es hatte sich also bereits ein völliger Umschwung in der Auffassung des Gieſsereibetriebes vollzogen, wenn auch die Praxis erst langsam diesem Ziele nachfolgte. Das Streben nach Verbesserung der Hochöfen ging nach Erhöhung derselben, dies stand aber im Widerspruch mit den Anforderungen der Hochofengieſserei. Namentlich war das Eisen der Kokshochöfen, welche man damals immer in völligem Gargang erhielt, zu gar oder „schaumig“, d. h. durch starke Graphitausscheidung zu porös und zum Guſs dünner Gegenstände, wie leichte Platten, Geschirr und Luxus- artikel, ungeeignet, während es umgeschmolzen einen dichten, grauen Guſs lieferte. Das Umschmelzen des Roheisens zum Vergieſsen empfahl sich also 1., weil man dadurch jederzeit flüssiges Roheisen haben konnte, 2. weil man die Roheisensorten den Guſswaren entsprechend mischen konnte, 3. um groſse und schwere Guſsstücke, welche mehr Eisen erfordern als der Hochofen zu fassen imstande war, gieſsen zu können und 4. um Gieſsereien an jedem beliebigen Orte betreiben zu können. Am besten war es, einen Hochofen und eine Anlage zum Umschmelzen des Roheisens zu verbinden, wie dies in Gleiwitz geschehen war, indem die Frachtkosten den Guſs schwerer Stücke in entfernten Gieſsereien doch zu sehr verteuerten. Zum Umschmelzen hatte man drei Arten von Öfen: Tiegelöfen, Beck, Geschichte des Eisens. 7

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/113>, abgerufen am 27.11.2024.