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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Westfalen und die Rheinlande.
gerufen werden. Nach den Reskripten von 1772 und 1775 mussten
neue Zeichen auch in den benachbarten Orten Kronenberg, Hamm
und Lüttringhausen dreimal vom Obervogtsboten ausgerufen, ebenso
oft von dem vollen Messermacher-Gericht verkündet werden. Dass
man aber das Zeichen an stelle der wirksamen Kontrolle setzte,
führte zur Verschlechterung der Ware.

Die Solinger Industrie beschäftigte 1792 etwa 4000 Arbeiter,
wovon die Messermacher etwa 1/3 , die Schwertschmiede 1/4, die Schleifer
1/5 und die Scherenmacher 1/10 ausmachten. 1/3 der gesamten Zahl
waren unprivilegierte Arbeiter. Die Privilegierten bildeten die Aristo-
kratie des Standes, welche auf ihre Lohnarbeiter mit Stolz herab-
blickten. -- Der Wert des jährlichen Exportes betrug 17921) an
600000 Thlr.; es waren 1600000 Pfd. Eisen und Stahl verarbeitet
und 700 bis 800 Karren Steinkohlen und 300 bis 400 Karren Holz-
kohlen verbraucht worden.

Die Technik schritt bei der Zunftverfassung nur langsam vor-
wärts, namentlich waren die Einrichtungen der 93 Schleifkotten auf
den 7 Bächen und der Wupper recht mangelhaft. Sie mussten oft
bei ungünstigem Wasserstand monatelang feiern, was dann auch bei
den übrigen Handwerken Stockungen veranlasste. Auch die Kunst
der Reider und Schwertfeger war gegen andere Länder zurück-
geblieben. Die technische Vorbildung, welche der Sohn vom Vater
erhielt, reichte nicht mehr aus. Durch die grossen Kriege 1789 bis
1795, welche Solingen von seinen gewohnten Absatzgebieten absperrten,
kam die Industrie in grosse Not. Wie gering die regelmässige Be-
schäftigung war, geht daraus hervor, dass, als 1790 plötzlich eine
Bestellung auf 5400 Ctr. oder 600000 Stück, das Doppelte der regel-
mässigen Jahresproduktion, eintraf, dieselbe bequem ausgeführt werden
konnte. Die Auswanderung der Arbeiter riss trotz des Verbleibungs-
eides immer mehr ein und erlangte durch die Einführung der Frei-
zügigkeit 1804 gesetzliche Sanktion.

Trotzdem erhielt sich die Solinger Schwert- und Messerfabrik in
dieser schweren Zeit durch die überlegene Geschicklichkeit der Arbeiter,
die Arbeitsteilung und das überlieferte einmütige Zusammenwirken.

Die Kleinschmiederei hatte ihren Hauptsitz in Remscheid auf-
geschlagen. Hier wurden eine grosse Anzahl verschiedener Eisen-
und Stahlwaren angefertigt, welche sich nach und nach unter der
Bezeichnung "Remscheider Waren" den Weltmarkt eroberten. Die

1) Siehe Wiebeking, Beiträge zur kurpfälzischen Staatengeschichte. 1792.

Westfalen und die Rheinlande.
gerufen werden. Nach den Reskripten von 1772 und 1775 muſsten
neue Zeichen auch in den benachbarten Orten Kronenberg, Hamm
und Lüttringhausen dreimal vom Obervogtsboten ausgerufen, ebenso
oft von dem vollen Messermacher-Gericht verkündet werden. Daſs
man aber das Zeichen an stelle der wirksamen Kontrolle setzte,
führte zur Verschlechterung der Ware.

Die Solinger Industrie beschäftigte 1792 etwa 4000 Arbeiter,
wovon die Messermacher etwa ⅓, die Schwertschmiede ¼, die Schleifer
⅕ und die Scherenmacher 1/10 ausmachten. ⅓ der gesamten Zahl
waren unprivilegierte Arbeiter. Die Privilegierten bildeten die Aristo-
kratie des Standes, welche auf ihre Lohnarbeiter mit Stolz herab-
blickten. — Der Wert des jährlichen Exportes betrug 17921) an
600000 Thlr.; es waren 1600000 Pfd. Eisen und Stahl verarbeitet
und 700 bis 800 Karren Steinkohlen und 300 bis 400 Karren Holz-
kohlen verbraucht worden.

Die Technik schritt bei der Zunftverfassung nur langsam vor-
wärts, namentlich waren die Einrichtungen der 93 Schleifkotten auf
den 7 Bächen und der Wupper recht mangelhaft. Sie muſsten oft
bei ungünstigem Wasserstand monatelang feiern, was dann auch bei
den übrigen Handwerken Stockungen veranlaſste. Auch die Kunst
der Reider und Schwertfeger war gegen andere Länder zurück-
geblieben. Die technische Vorbildung, welche der Sohn vom Vater
erhielt, reichte nicht mehr aus. Durch die groſsen Kriege 1789 bis
1795, welche Solingen von seinen gewohnten Absatzgebieten absperrten,
kam die Industrie in groſse Not. Wie gering die regelmäſsige Be-
schäftigung war, geht daraus hervor, daſs, als 1790 plötzlich eine
Bestellung auf 5400 Ctr. oder 600000 Stück, das Doppelte der regel-
mäſsigen Jahresproduktion, eintraf, dieselbe bequem ausgeführt werden
konnte. Die Auswanderung der Arbeiter riſs trotz des Verbleibungs-
eides immer mehr ein und erlangte durch die Einführung der Frei-
zügigkeit 1804 gesetzliche Sanktion.

Trotzdem erhielt sich die Solinger Schwert- und Messerfabrik in
dieser schweren Zeit durch die überlegene Geschicklichkeit der Arbeiter,
die Arbeitsteilung und das überlieferte einmütige Zusammenwirken.

Die Kleinschmiederei hatte ihren Hauptsitz in Remscheid auf-
geschlagen. Hier wurden eine groſse Anzahl verschiedener Eisen-
und Stahlwaren angefertigt, welche sich nach und nach unter der
Bezeichnung „Remscheider Waren“ den Weltmarkt eroberten. Die

1) Siehe Wiebeking, Beiträge zur kurpfälzischen Staatengeschichte. 1792.
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[971/0985] Westfalen und die Rheinlande. gerufen werden. Nach den Reskripten von 1772 und 1775 muſsten neue Zeichen auch in den benachbarten Orten Kronenberg, Hamm und Lüttringhausen dreimal vom Obervogtsboten ausgerufen, ebenso oft von dem vollen Messermacher-Gericht verkündet werden. Daſs man aber das Zeichen an stelle der wirksamen Kontrolle setzte, führte zur Verschlechterung der Ware. Die Solinger Industrie beschäftigte 1792 etwa 4000 Arbeiter, wovon die Messermacher etwa ⅓, die Schwertschmiede ¼, die Schleifer ⅕ und die Scherenmacher 1/10 ausmachten. ⅓ der gesamten Zahl waren unprivilegierte Arbeiter. Die Privilegierten bildeten die Aristo- kratie des Standes, welche auf ihre Lohnarbeiter mit Stolz herab- blickten. — Der Wert des jährlichen Exportes betrug 1792 1) an 600000 Thlr.; es waren 1600000 Pfd. Eisen und Stahl verarbeitet und 700 bis 800 Karren Steinkohlen und 300 bis 400 Karren Holz- kohlen verbraucht worden. Die Technik schritt bei der Zunftverfassung nur langsam vor- wärts, namentlich waren die Einrichtungen der 93 Schleifkotten auf den 7 Bächen und der Wupper recht mangelhaft. Sie muſsten oft bei ungünstigem Wasserstand monatelang feiern, was dann auch bei den übrigen Handwerken Stockungen veranlaſste. Auch die Kunst der Reider und Schwertfeger war gegen andere Länder zurück- geblieben. Die technische Vorbildung, welche der Sohn vom Vater erhielt, reichte nicht mehr aus. Durch die groſsen Kriege 1789 bis 1795, welche Solingen von seinen gewohnten Absatzgebieten absperrten, kam die Industrie in groſse Not. Wie gering die regelmäſsige Be- schäftigung war, geht daraus hervor, daſs, als 1790 plötzlich eine Bestellung auf 5400 Ctr. oder 600000 Stück, das Doppelte der regel- mäſsigen Jahresproduktion, eintraf, dieselbe bequem ausgeführt werden konnte. Die Auswanderung der Arbeiter riſs trotz des Verbleibungs- eides immer mehr ein und erlangte durch die Einführung der Frei- zügigkeit 1804 gesetzliche Sanktion. Trotzdem erhielt sich die Solinger Schwert- und Messerfabrik in dieser schweren Zeit durch die überlegene Geschicklichkeit der Arbeiter, die Arbeitsteilung und das überlieferte einmütige Zusammenwirken. Die Kleinschmiederei hatte ihren Hauptsitz in Remscheid auf- geschlagen. Hier wurden eine groſse Anzahl verschiedener Eisen- und Stahlwaren angefertigt, welche sich nach und nach unter der Bezeichnung „Remscheider Waren“ den Weltmarkt eroberten. Die 1) Siehe Wiebeking, Beiträge zur kurpfälzischen Staatengeschichte. 1792.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 971. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/985>, abgerufen am 22.11.2024.